5 Einige Tage später

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Es ist nicht wichtig, was in den darauffolgenden Tagen passierte, beziehungsweise steht es in Frodos Buch. So wirklich bedeutungsvoll wurde die Geschichte erst wieder in Ithilien.

Dorthin hatte uns Gollum alias Sméagol geführt, der seit einem misslungen Mordanschlag auf Frodo sowas wie, naja, unser Führer war. Ich weiß, es war wahnwitzig, diesem Viech zu vertrauen, aber er kannte nunmal den Weg nach Mordor. Und dorthin waren Frodo, Sam und ich schließlich immernoch unterwegs. Sam hatte mich nur kurz auf meine Tränen angesprochen, aber ich behauptete traurig zu sein, ohne Aragorn weiterziehen zu müssen. Von Boromirs Tod erzählte ich ihnen nichts, denn erstens hatten die zwei Hobbits schon jetzt mehr Sorgen, als gut für sie waren und zweitens hätte ich dann wieder geflennt, und damit war keinem geholfen.

So, jetzt waren wir, wie gesagt, in Ithilien. Das ist eine Landschaft in der Nähe Mordors und, meiner Meinung nach, eine der schönsten Gegenden, die ich je gesehen hatte. Die Wälder, die rauschenden Wasserfälle, die Wiesen, die vielen Ginsterbüsche... Ich konnte mich gar nicht sattsehen, an all den Wundern.

Deshalb war ich dankbar für jede Rast, die wir hier einschlugen. Heute hatte Sméagol zwei kleine Kaninchen aufgetrieben, aus denen Sam gerade Suppe kochte. Zumindest versuchte er es. Während wir warteten, dass das Wasser mit Hasenbröckchen gar wurde, kletterte ich auf einen Felsen und beobachtete die Gegend um mich herum. Ein kleiner Stein in der Form eines fünfzackigen Sternes zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich hielt ihn gegen die Sonne und sprang dann von meinem kleinen Aussichtsturm herunter, um ihn in meinem Rucksack zu verstauen. Den würde ich Aragorn schenken, der war ganz vernarrt in Sterne aller Art. Als ich wieder aufschaute, fielen mir zwei Dinge auf. Erstens roch es angebrannt, zweitens war von den Hobbits und Gollum nichts zu sehen.

Zum Glück entdeckte ich die Kleinen, nachdem ich Sams Suppe vom Feuer genommen hatte. Sie lagen zu dritt nebeneinander zwischen zwei Büschen und beobachteten irgendwas am Fuße des Hügels, auf dem wir rasteten.

„Was gibt es denn da zu sehen?", fragte ich neugierig und hockte mich hinter Sam, der sich kurz umdrehte und den Finger an die Lippen legte.

„Olliphanten.", flüsterte er und zeigte dann nach vorne. Ich spähte über Frodos Lockenkopf hinweg. Tatsächlich. Da zog eine kleine Armee von Haradrim vorüber, und in ihrer Mitte liefen zwei dieser riesigen Tiere, die mir als Mûmakil bekannt waren. Ehrfürchtig beobachtete ich die fremdartigen Giganten, die trotz ihrer Größe kaum ein Geräusch verursachten. Überhaupt war das Einzige, was ich hörte, das Zwitschern eines Vogels. Das allerdings ließ mich misstrauisch die Stirn runzeln, denn so einen Vogel hatte ich hier noch nie gehört. Dummerweise hatte ich keine Zeit, über diese Seltsamkeit nachzudenken, denn jetzt schlich sich auch noch Sméagol davon.

„Hey, wo willst du denn hin?", zischte ich, aber der kleine Kerl reagierte nicht. Seufzend machte ich mich daran, ihm zu folgen. Mein Verstand, und der arbeitete im Normalfall ganz ordentlich (wenn nicht grade so ein Boromir Grütze drauß machte), sagte mir nämlich, dass man diesem Ding nicht trauen konnte und es besser im Auge behalten sollte. Also huschte ich hinter ihm her, als mich ein neues Geräusch plötzlich zusammenzucken ließ. Blitzartig sprang ich in den dichten Ginsterbusch neben mir.

Was ich hörte, war eindeutig das Klicken einer Bogensehne und das Zischen eines Pfeiles. Und ich irrte mich mit Sicherheit nicht, dieser Klang hatte sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt, aus bekannten Gründen. Griffen uns die Südländer etwa an? Nein, die Schreckens- und Schmerzensschreie kamen eindeutig aus ihrer Richtung. Ich spähte durch dorniges Geäst hindurch und tatsächlich: Es waren die Haradrim und ihre Olliphanten, denen der Überfall galt. „Gut so!", dachte ich, „Die stehen auf Saurons Seite, macht sie fertig!" Im Geiste feuerte ich die unsichtbaren Angreifer an (tatsächlich schienen die Pfeile aus dem Nichts zu kommen), als mir einfiel, dass diese geheimnisvollen Bogenschützen auch uns als potentielle Feinde sehen könnten. Ich sollte also schleunigst Frodo und Sam holen und mit den beiden fliehen.

So weit so gut. Ich krabbelte also aus meinem Versteck (wobei ich mir das rechte Handgelenk an einer Dornenranke aufriss und einen wenig damenhaften Fluch ausstieß) und arbeitete mich zum nächsten Strauch vor, als der Kampflärm abebbte. Ebenso schnell, wie er begonnen hatte, war der Angriff vorbei und die vorherige Stille kehrte wieder ein. Na toll, wo war die Nachhut einer feindlichen Armee, wenn man sie mal brauchte? Ich verharrte mitten in meiner Bewegung und überlegte, ob ich das Risiko eingehen konnte, die Hobbits zu mir zu rufen. Da sah ich plötzlich Frodo. Er war aufgestanden und lief in aller Seelenruhe in den Wald hinein. „Du Vollidiot!", dachte ich noch, dann bekam ich einen mittelschweren Herzanfall, als Frodo gegen eine Gestalt in grünem Umhang rannte, die gerade aus dem Nichts aufgetaucht war. Der Mann hielt ihn sofort fest, ein zweiter hatte den tapferen Sam, der seinem Herrn zu Hilfe kommen wollte, überwältigt. Nach und nach kamen jetzt immer mehr vermummte Gestalten aus den Büschen und Sträuchern gekrochen. Fünf konnte ich von hier aus sehen, wer weiß, ob es nicht noch mehr gab. Einer, ihr Anführer nahm ich an, sprach mit Frodo und Sam. Sein Gesicht konnte ich unter seiner Kapuze nicht erkennen, aber ich konnte hören, was er sagte. Er hielt die zwei Hobbits wirklich für Spitzel Saurons, worüber ich beinahe lachen musste. Der Hellste schien der Mann nicht gerade zu sein. Das Lachen verging mir allerdings, als ich hörte wie der Mann beschloss, die beiden mit in sein Versteck zu nehmen.

Oh nein, eine Entführung konnte ich jetzt wirklich gar nicht gebrauchen. Wie sollte ich die beiden denn bitte alleine aus den Händen so vieler Männer befreien?

Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als hilflos zuzuschauen, wie meine Freunde davongeschleppt wurden.


A Bit Of Lost Love/ #Wattical Award 2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt