13 Man spielt nicht einfach den Helden

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Pippin versuchte mich von meiner Idee abzuhalten. Es sei wahnwitzig, ich mache den gleichen Fehler wie Faramir, all sowas rief er mir zu, während er verzweifelt versuchte, mit mir Schritt zu halten. Es tat mir weh, aber ich ignorierte ihn, gab keine Antwort, drehte mich nichtmal zu ihm um. Aber das fiel mir so unglaublich schwer. Pippin war fast noch ein Kind, wenn ich das Verhältnis vom Hobbit- zum Menschenalter richtig berechnet habe. Er war für mich wie ein kleiner Bruder. Es war schrecklich, ihn da so stehen zu lassen. Irgendwann gab er es auf, blieb stehen und rief nur noch traurig: „Ich hab dich lieb, Mia. Pass auf dich auf!" Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er da stand. Klein und verloren, mitten auf der einsamen Straße. Wie gerne wäre ich zu ihm zurückgerannt, hätte ihn in die Arme genommen und ihn getröstet. Ihm gesagt, dass alles gut wird. Aber ich wusste genau, dass mich dann dieser seltsame Mut, oder was auch immer das war, was mich antrieb, verlassen und ich mich nirgendwo mehr hingetraut hätte. Also seufzte ich nur und lief weiter.

Es erwies sich als erstaunlich einfach, an Waffen und ein Pferd zu kommen. In einem offenen Stall, der ansonsten völlig leer war, fand ich eine schlanke Fuchsstute. Als ich auf der zum Stadttor ritt, geriet ich mitten in einen Streit zwischen zwei Wachen. Einer der beiden hatte keine Lust mehr, auf sein Ende zu warten, wie er sagte, warf sein Schwert und seinen Schild von sich und stampfte davon, dicht gefolgt von seinem Kollegen. Ich wartete, bis die beiden um die Ecke gebogen waren, nahm Schwert und Schild an mich und galoppierte weiter.

Faramir war ein ganzes Stück vor mir gegangen, aber es hatte gedauert, bis all seine Soldaten und Waldläufer kampfbereit waren und so ritt der letzte dieser kleinen Armee gerade aus dem Tor, als ich dort eintraf. Die Torwächter wollten die Flügel gerade wieder schließen. „Wartet!", rief ich, „Wartet auf mich!" Überrascht schauten die Männer auf, nur für eine Sekunde, aber das reichte mir, um an ihnen vorbei aus der Stadt zu reiten. .

Es war unglaublich. Vor mir ritten hundert Männer. Hundert gegen wie viele? Tausend? Fünftausend? Osgiliath kam immer näher, die grauen Mauern ragten bedrohlich in den wolkenverhangenen Himmel.

Obwohl ich ritt so schnell ich konnte, schaffte ich es nicht, das Heer einzuholen. Na toll, wie sollte ich Faramir beschützen, wenn ich nichtmal an ihn herankam?

Aber wie sich herausstellte, war genau das mein Glück.

Die Armee war noch fast dreißig Meter von Osgiliath entfernt, als zwischen dessen Mauern und Trümmern plötzlich haufenweise hässliche Orkköpfe auftauchten, bewaffnet mit Pfeil und Bogen.

Sekunden später ging ein Pfeilregen auf Faramirs Heer nieder.

Entsetzt hielt ich mein Pferd an. Mindestens fünfzig Männer hatte dieser Angriff das Leben gekostet. Der Rest versuchte einen kläglichen Gegenangriff.

Das war doch total verrückt. Das hier war kein Kampf. Es war eine Opferung.

Ein weiterer Pfeilhagel traf die Männer, weitere fielen. Einer verlor beim Sturz vom Pferd seinen Helm. Ich sah ihn fallen und stieß einen gellenden Schrei aus, trieb mein Pferd an und preschte vorwärts, den Schild schützend vor mir erhoben. Als ich absprang, streifte ein Pfeil meine Schulter und ritzte die Haut auf. Ich merkte es nicht einmal. Ich ließ mich neben Faramir auf die Erde fallen. „Oh nein! Bitte nicht! Nicht schon wieder!" rief ich, als ich die zwei Pfeile sah, die aus seiner Schulter und seiner Hüfte ragten. Aber Faramir lebte. Er atmete flach und seine Augen waren geöffnet. Jedenfalls so halb. „Alles wird gut.", flüsterte ich, „Keine Angst, alles wird gut." Ich strich ihm über die Haare, und lächelte, versuchte, nicht verzweifelt, ängstlich oder unsicher auszusehen. Faramir blinzelte. Für eine kurze Sekunde trafen sich unsere Blicke. „Meril...", murmelte er, dann fielen ihm die Augen zu. Verdammt.

Besorgt blickte ich nach vorn. Aus Osgiliaths Tor kam eine Horde Orks geströmt. Die übrig gebliebenen Waldläufer rannten ihnen entgegen. Doppelt verdammt.

Hektisch sah ich mich um, pfiff nach meinem Pferd. Die gute Stute kam angetrabt und blieb neugierig vor mir stehen.

Als ich jünger war, fand ich es manchmal peinlich, dass man in Rohan so viel Zeit mit Pferden verbrachte. Ich meine, welches kleine Mädchen möchte schon als Pferdemensch bezeichnet werden?

Jetzt war ich dankbar dafür. Gehorsam ging das Pferd in die Knie, als ich beruhigend auf es einredete und vorsichtig seine Zügel nach unten zog.

Ich weiß beim besten Willen nicht mehr wie, aber ich schaffte es, Faramir auf den Rücken des Pferdes zu hieven, schwang mich dahinter und galoppierte los. So schnell es ging, raste ich zurück nach Minas Tirith, während ich mit einer Hand die Zügel, mit der anderen den bewusstlosen Faramir vor mir festhielt, was nicht einfach war, weil mein rechter Arm sich anfühlte wie betäubt.

Viel zu langsam kam die weiße Stadtmauer in Sicht. „Macht das Tor auf!", brüllte ich, „Ich bringe Faramir! Den Heermeister Gondors! Denethors Sohn! Öffnet schnell!"

Ein Torflügel schwang auf, ich ritt hindurch und raste, ohne langsamer zu werden, die Straße hinauf. Im Kreis, immer im Kreis nach oben. Mir wurde irgendwie ganz schwindelig davon. Selbst die Treppen zur Terasse von Denethors Hallen ritt ich hinauf und stürmte auf den weißen Platz.

„Halt! Stehen bleiben!", hörte ich die Wachen hinter mir rufen. Bis vor Gondors Baum ritt ich, sprang vom Pferd und taumelte. Faramir rutschte nach unten, wurde aber glücklicherweise von zwei Soldaten aufgefangen. Ein anderer hielt mich fest. Weil er mich verhaften wollte, oder weil ich kaum alleine stehen konnte, ich wusste es nicht. Es war mir auch egal.

„Er ist verletzt! Ihr müsst ihm helfen! Bitte! Er braucht dringend einen Arzt!", rief ich panisch, dann wurde mir schwarz vor Augen...


 


 

A Bit Of Lost Love/ #Wattical Award 2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt