Menja:
Tronje war nicht gerade von uns angetan, dass hatten sowohl Fenja als auch ich sofort gemerkt. Die Elfen waren ihm willkommen, immerhin bedeuteten sie mehr Streitkräfte in den ständigen Schlachten, die um sie tobten. Doch welcher Anführer konnte schon die Anwesenheit zweier königlicher Prinzessinnen ohne jegliche Kriegserfahrung gebrauchen? Ich verstand ihn also, doch es ärgerte mich dennoch.
„Zeig ihnen, dass du zu ihnen gehörst", hatte Serim mir so leise ins Ohr geflüstert, dass ich es kaum verstand, während wir mit Tronje auf eine Gruppe Männer zugingen, ausnahmslos Menschen. „Du bist als eine zukünftige Königin geboren, aber nur, wenn diese Männer dich verehren und respektieren, lassen sie dich auch regieren"
Ich warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Es ist ja auch die einfachste Sache der Welt, jemanden dazu zu bringen, für einen zu sterben.
Serim schien meine Gedanken erraten zu haben.
„Du bist die bessere Alternative. Das müssen sie nur noch einsehen"
Viel zu schnell waren wir an dem Tisch angekommen. Ich musterte die Männer. Viele von ihnen waren mit wulstigen Narben gezeichnet, die sich sowohl über das Gesicht, als auch die bloßen Arme zogen. Einem fehlten drei Finger, wieder ein anderer schien ein Auge verloren zu haben. Es war ein erschreckender Anblick, den ich nicht gewohnt war, doch ich war geübt darin, mir keine Gefühlsregung anmerken zu lassen. Stattdessen neigte ich respektvoll den Kopf, als Tronje mich vorstellte. Nicht zu tief, schließlich war ich ihnen vom Rang her überlegen, aber doch tief genug, ihnen genügend Achtung zu zollen.
Als ich den Kopf wieder hob, tat sich zunächst nichts. Keiner der Männer blinzelte auch nur, während ich überlegte, wie eine Prinzessin wohl auf so eine Respektlosigkeit zu reagieren hatte, ohne sogleich dem Lager verwiesen zu werden. Doch endlich hörte ich ein tiefes, heiseres „Prinzessin" von dem ältesten der Männer. Er stand auf und deutete eine Verbeugung an. Sie war zwar zu flüchtig, zu wackelig, um wirklich einer Königlichen würdig zu sein, aber sie setzte ein Zeichen, dem die anderen Männer folgten. Noch nie klang das Scharren zurückgeschobener Stühle für mich schöner.
Tronje verwies Serim und mich auf zwei frei Hocker, auf denen wir zögerlich Platz nahmen.
„Nich' gut genug für den königlichen Hintern?", spottete einer der Männer.
„Sei still, Hog", fuhr Tronje ihn wütend an.
Das fing nicht gut an. Der Hocker war von Bier und Wein ganz klebrig und fleckig, ich spürte, wie die schöne Elfenseide daran festklebte. Wie beiläufig raffte ich meine Röcke, zog sie unter meinem Hinterteil hervor und ließ sie blitzschnell wieder fallen, sodass ich nun mit den bloßen Schenkeln das raue Holz berührte. Das Kleid war zum Glück aus fließendem Stoff gefertigt und immerhin weit genug geschnitten, dass es Hocker und Beine bedeckte. Nur die weiße Haut meiner Knöchel blieb entblößt, da ich nach dem Reiten meine Stiefel gegen leichte Halbschuhe getauscht hatte. Langsam strichen meine Hände den Stoff wieder glatt und ich spürte die Blicke der Männer auf mir. Es war ein billiger Trick, eigentlich unter meiner Würde, doch das kurze Aufblitzen nackter weiblicher Haut hatte seinen Zweck erfüllt. Für einen kurzen Moment hatte ich ihre Aufmerksamkeit geweckt und das Bild der strengen hochnäsigen Prinzessin ein wenig ins Wanken gebracht. Als ich wieder aufsah begegnete ich herausfordernd ihrem Starren.
Tronje begann zu lachen.
„Kann mich gar nich' erinnern, wann ich das letzte Mal so hochwohlgeborene Waden gesehen habe"
Hog und die anderen lachten lauthals mit und der Bann war gebrochen. Einer der Männer, wenn ich mich nicht verhört hatte war sein Name Pit, bestellte bei einer leicht bekleideten jungen Frau eine neue Runde Getränke und bot mir auch einen der großen Krüge an. Dankend nahm ich ihn entgegen und als alle begannen, mit ihren Krügen drei Mal auf den Tisch zu klopfen, tat ich es ihnen gleich. Das Bier schäumte und schwappte auf Tisch, Boden und in die anderen Krüge, in ziemlich verschwenderischer Weise.
Hog bemerkte meine Verwunderung über das Ritual und grinste.
„Sowas biste nich' gewohnt, stimmt's? Bei den Elfen gab's sicher nur das edelste Gesöff in piekfeinen Silberkelchen. Und selbst die Kerle tragen hübsche Zöpfchen zum gesegn'ten Mahl" Er spreizte den kleine Finger und trank mit kleinen Schlucken aus dem Krug, das Kinn hochgereckt, weshalb ihm mehr Bier über den Hals als in ihn hinein rann. Der zweifingrige Mann, der eigentlich Pit hieß, stieß Serim in die Seite und man musste ihm zu Gute halten, dass dieser nur milde lächelnd seinen Krug erhob, statt verärgert zu reagieren.
Ich selbst entzog mich einer Antwort und nahm einen Schluck von meinem Getränk, nur um es im nächsten Moment zu bereuen. Beinahe verschluckte ich mich und führte hastig eine Hand zum Mund. Serim klopfte mir unauffällig über den Rücken und ich tat, als würde ich ein Aufstoßen überspielen. Als ich mich leise bei ihm bedanken wollte, sah ich, dass der Elfenprinz bewusst meinen Blick mied. Tatsächlich war er zu beschäftigt damit, jeden einzelnen Menschen an diesem Tisch zu mustern, mit Ausnahme von mir. Ich war es gewohnt, dass Serim mir keine freundschaftlichen Gesten zuteilwerden ließ, doch in den letzten Wochen war es mir doch zumindest gelungen, dass er sich anständig verhielt. Ich hatte mir fast so etwas wie Anerkennung erarbeitet, auf jeden Fall aber Akzeptanz. War das Teil seiner Taktik? Uns nicht als Verbündete gegen sie darstellen zu lassen?
Ich wandte mich ab. Die Überlegungen brachten mich nicht weiter. Wichtiger war es zu ermitteln, wer die Personen an diesem Tisch waren, wirklich waren. Tronje würde uns wohl kaum an einen Tisch mit Fußsoldaten bringen, doch ich war mir nicht sicher, ob ich einen von ihnen bereits bei der Besprechung gesehen hatte. Allerdings sagte das nicht viel, schließlich herrschte dort ein heilloses Durcheinander. Viele drängelten sich in das Zelt hinein und wieder hinaus, in dem wir saßen und gleichzeitig unsere Mahlzeit zu uns nahmen. Es wäre gut möglich, dass sie einfach nur in der hintersten Reihe waren oder das Getümmel von einer ganz anderen Stelle beobachteten.
Der älteste der Männer, derjenige, der zuerst aufstand und mich begrüßte, trug den Namen Archon und war der schweigsamste in der Gruppe. Er schmunzelte ab und zu amüsiert, trank ordentlich mit oder stieß mit an, doch schien er alles lieber im Blick zu haben, als daran Teil zunehmen. Er war es auch, der einer der Bedienungen zu verstehen gab, mir etwas Wein zu bringen. Das war aufmerksam und freundlich zugleich auf eine unaufdringliche Weise. Die anderen Männer bekamen gar nicht mit, wie die stämmige Frau meinen Krug austauschte. Ich dankte ihr leise, doch sie winkte ab und schenkte den übrigen reichlich nach. Trotz einer gewissen Schwerfälligkeit angesichts ihrer Leibesfülle, ging sie ihrer Aufgabe genauso gewissenhaft nach wie die anderen Frauen hier. Sie war die erste Menschenfrau abgesehen von meiner Schwester Fenja, die ich näher betrachten konnte und ich war überrascht, wie sehr sie sich von ihr und auch von mir unterschied. Natürlich sahen auch die Frauen der Elfen nicht alle gleich aus, aber sie hatten gewisse Ähnlichkeit, allein schon durch die gleichmäßigen Züge und das helle Haar. Fenja und ich ähnelten uns natürlich aus, schließlich waren wir Zwillinge. Haar und Augen waren natürlich verschieden, doch wir hatten den gleichen hellen Teint, dieselben roten Lippen und die gleiche schmale Nase. Kleinigkeiten, aber dennoch hatten mich diese Ähnlichkeiten beruhigt. Es war mir immer ein Trost gewesen, etwas von mir in Fenjas perfekten, kindlichen Gesicht wiederzuerkennen.
Aus irgendeinem Grund war ich davon ausgegangen, dass mir auch alle anderen Menschen auf die ein oder andere Art und Weise ähneln müssten. Jetzt musste ich erschreckt feststellen, dass dem nicht so war. Die Frau ähnelte eher den Männern als mir. Ihre Augen sahen aus, als hätten sie schon zu viel gesehen, ihr Gesicht war von der Sonne gegerbt. Zwischen den Augenbrauen verlief eine tiefe Furche und ich konnte ganz deutlich eine helle Narbe an ihrer Schläfe erkennen, die sich stark von ihrer braunen Haut abhob. Doch am Seltsamsten war ihr Bauch. Er war nicht einfach nur dick, sondern prall und rund, als würde er platzen, sobald man auf ihn schlug, wie eine reife Heidelbeere zwischen zwei Fingern. Ich konnte gar nicht aufhören, ihn anzustarren, obwohl mir bewusst war, wie unhöflich ich mich verhielt. Die Frau bemerkte meinen Blick und lächelte stolz, während sie sich mit der freien Hand den Bauch tätschelte.
„Sollte nicht mehr lange dauern. Zum Glück, der Kleine strampelt ganz schön"
Da ich sie weder verstand noch wusste, was ich darauf erwidern sollte, lächelte ich sie einfach nur an, doch Archon tat etwas Ungewöhnliches. Er schlang einen Arm um die Frau und zog sie an sich, bis er mit den Lippen ihren gewölbten Leib berühren konnte.
„Es wird also ein Junge? Bist du dir sicher, Jördis?", brummte er an ihrem Bauch und die Frau strich ihm liebevoll durchs Haar.
„Entweder das oder ein sehr kämpferisches Mädchen"
„Wie ihre Frau Mama" sagte Pit nun lachend und handelte sich prompt eine Kopfnuss ein. Endlich kam auch mir die Erkenntnis und in meinem Kopf tauchte unweigerlich eine Frühlingsszene auf, die ich im Wald auf der Jagd beobachtet hatte. Auf einmal wurde mir übel.
Ich spürte Serims kühle Hand auf meiner Schulter. Er hatte sich erhoben und nickte in die Runde.
„Ich gratuliere zu diesem guten Fang, Archon", sagte er und es klang sogar aufrichtig. Archon und seine Frau tauschten einen kurzen zärtlichen Blick, noch immer eng umschlungen. „Es war ein langer Tag und ich fürchte, Prinzessin Artemis sollte sich lieber zurückziehen und etwas ausruhen. Wir sind schon Wochen unterwegs und können jetzt gemütliche Betten sehr gut gebrauchen"
Ich verstand es als Zeichen, mich ebenfalls zu erheben.
„Es hat mich sehr gefreut, Sie alle kennen zu lernen. Es würde mich sehr freuen, dieser Runde bald wieder beiwohnen zu dürfen" Ich verabschiedete mich von Hog, Pit und Tronje mit einem Nicken, Archon und Jördis lächelte ich leicht zu, auch wenn ich fürchtete, dass mein Lächeln eher matt wirkte. Hoffentlich schoben sie es auf meine Erschöpfung.
Serim schob mich unauffällig, aber bestimmt aus dem Zelt und sobald wir im Freien waren, schnappte ich erst einmal nach Luft. Sofort brachte Serim wieder den gewohnten Abstand zwischen uns und beäugte mich skeptisch.
„Ich nehme an, meine Mutter hat diesen Teil wohl nicht in euren kleinen Privatstunden erwähnt?", stellte er mit erhobenen Augenbrauen fest. Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen schoss und atmete noch einmal tief durch.
„Nein"
Serim schien nicht zu wissen, ob er mich verspotten oder Mitleid mit mir haben sollte. Er entschied sich für einen Mittelweg.
„Ihr solltet das wissen. Schließlich lebt ihr eines Tages unter ihnen, vielleicht sogar schon bald und irgendwann wird man von euch erwarten, zu heiraten und eigene Kinder zu bekommen"
Jetzt wurde es mir Zuviel.
„Ich will das Thema jetzt wirklich nicht erörtern! Und erst recht nicht ausgerechnet mit dir!", fauchte ich und verschränkte unwohl die Arme vor meiner Brust. Meine Hände zitterten und noch nie hatte ich so viel Angst vor der Zukunft, wie im Moment. Wie sollte ich das schaffen? Ich kannte nicht einmal die einfachsten und natürlichsten Dinge! Selbst wenn wir es schafften, unseren Onkel Brodor zu entthronen, würde ich niemanden anführen können. Selbst die Rebellen, die uns eigentlich unterstützen sollten, tuen es nicht. Sie kämpfen für sich selbst und werden ihre Leben niemals allein für Fenja und mich opfern. Ich dachte stets, dass Fenja das unschuldige Kind von uns beiden wäre und ich sie zu beschützen hatte, doch ich selbst war kein Stückchen reifer. Niemand würde mich als Königin akzeptieren und irgendwann wäre ich diejenige, die sie vom Thron jagen...
Die Panik schwappte in mir hoch wie eine Welle, floss durch meine Adern und raubte mir den Atem. Das Zittern wurde stärker und beschränkte sich jetzt nicht mehr bloß auf meine Hände. Aus dem Augenwinkel sah ich Gael aus dem Zelt wanken, er war betrunken. Neben ihm lief Eagle und gab ihm gelegentlich einen Stoß, sobald Gael ihm zu nahe kam. Sie durften mich auf gar keinen Fall so sehen!
Ich sah mich um, überall war der Holzwall, überall waren Zelte, Stimmen, Rufe. Serim sagte etwas, ich hörte seine Stimme, aber konnte die Worte nicht verstehen. Täuschte ich mich, oder kam der Wall immer näher? Wurde ich jetzt verrückt?
Meine Zähne klapperten. Ich versuchte, sie daran zu hindern, aber ich hatte sie nicht mehr unter Kontrolle. Stattdessen wurde das Klappern immer lauter, schien von den Seiten zu kommen, nicht von mir und tönte im Gleichklang mit meinem immer schneller schlagenden Herzen. Ich drehte unter höchster Anstrengung den Kopf, kalter Schweiß brach mir aus, doch dafür konnte ich erkennen, dass das Geräusch von den Wasserfässern herrührte. Sie bebten, als würde die Welt um sie herum untergehen und drohten jeden Augenblick zu bersten. Vielleicht tat sie es auch, vielleicht war es das Ende. Meine Lunge zog sich krampfhaft zusammen, ich riss meinen Mund auf, sog gierig den Sauerstoff ein, aber da war nichts. Ich erstickte!
Meine Beine gaben unter mir nach und ich spürte den kalten Lehmboden an meiner Wange. Wieder war da Serims Stimme, drängender, lauter, verzweifelter, dieses Mal. Ich konnte ihm nicht antworten, ich lag im Sterben, meine Lunge gab auf und mein Herz würde in meiner Brust zerspringen.
Da waren Hände. Kühle Hände, die mein Gesicht berührten. Ich schwebte. Sah Sterne vor meinen Augen auftauchen und umher wirbeln. Den Nachthimmel hatte ich schon immer geliebt. Doch da war kein Nachthimmel mehr. Eine Zeltwand, eine Kerze, zwei Gesichter.
„Menja, hör mir zu", sagte eine tiefe Stimme eindringlich, aber ruhig. „Dir geht es gleich besser, du musst dich entspannen"
Hände auf meinen Schultern, die mich leicht massierten. Kühle Hände, lange Finger. Eine Hand auf meiner Wange. Rau, schwielig. Braune Augen mit ernstem Blick.
„Sie muss endlich richtig atmen!", sagte Serim leise, aber in seinen Worten schwang noch etwas Anderes mit: Angst.
„Das wird sie. Sie hat nur eine Panikattacke, das geht vorbei. Ich habe das schon oft gesehen", das Gesicht vor mir bewegte die Lippen. Langsam drang die Erkenntnis zu mir durch, dass es Eagle war. Dann war Gael wohl auch nicht weit. Ich keuchte noch lauter. Ausgerechnet die Hunter mussten diesen erniedrigenden Augenblick in meinem Leben miterleben! Tränen liefen mit über die Wange. Ich konnte sie nicht stoppen und auch nicht mit der Hand fortwischen, wie ich es gerne getan hätte, denn meine Hände zitterten immer noch zu stark.
„Kann man denn gar nichts tun?", fragte Serim.
„Abwarten"
Eagle hob mein Gesicht an und zwang mich so, ihm in die Augen zusehen.
„So, Prinzesschen. Du hast Angst, das ist in Ordnung. Hör auf, dich dagegen zu wehren", seine Worte waren streng, aber noch immer klang seine Stimme beruhigend und sanft. Er nahm meine Hand und legte sie mir auf den Bauch, knapp unterhalb des Nabels und drückte sie.
„Hole jetzt tief Luft" Er las die Panik in meinen Augen. „Du kannst es. Ich zähle bis drei, dann atmest du tief ein. Eins. Zwei..."
Ich atmete ein und spürte, wie sich meine Bauchdecke gegen meine Handfläche drückte. Ich atmete aus und meine Hand senkte sich mit meinem Bauch wieder. Langsam wiederholte ich das gleiche Spiel, wieder und wieder. Einatmen. Ausatmen. Bauchdecke hoch. Bauchdecke runter.
Eagle nahm seine Hand von meiner und griff nach meinem linken Arm. „Sehr gut, Prinzesschen. Jetzt spanne den Arm hier an. So fest du kannst. Bilde eine Faust und drücke zu, aber atme normal weiter"
Ich versuchte es und meine Finger ließen sich tatsächlich zur Faust ballen. Ich drückte so fest, bis meine Knöchel weiß hervortraten.
„Jetzt entspanne die Hand wieder"
Das tat ich. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich, sobald ich die Finger wieder entspannte. Es war ein warmes Prickeln, das meinen Arm hinaufjagte.
„Fantastisch. Jetzt die andere Hand"
Wieder tat ich es ohne Widerworte. Anspannen. Loslassen. Weiteratmen.
Wie lange das so weiterging, konnte ich nicht sagen. Es hätten Stunden sein können oder auch nur Augenblicke. Ich wusste nur, dass das Zittern allmählich nachließ und mein Herzschlag sich beruhigte. Auch meine Gedanken wurden wieder klarer. Als ich endlich sicher war, dass mir nichts geschehen würde, sank ich erschöpft zusammen und spürte, wie Serim mich von hinten festhielt.
„Ist es vorbei?", fragte er leise und Eagle brummte etwas Zustimmendes. Müde sah ich mich im Zelt um. Bis auf uns drei war es leer.
„... Gael?", brachte ich heraus, meine Stimme klang rau.
„Den haben wir ins Bett gesteckt, damit er seinen Rausch ausschläft. Der hat nichts mehr mitgekriegt", antwortete mir Eagle knapp.
Vor Erleichterung schloss ich die Augen und seufzte.
„Danke"
Es war nur ein Wort, doch für mich bedeutete es in diesem Moment die Welt. Es fühlte sich so an, als hätten mir diese beiden Männer heute Abend das Leben gerettet, doch mehr als dieses eine Wort hatte ich nicht, um ihnen das begreiflich zu machen. Mein Körper fühlte sich leer an, doch das Schlimmste war, dass ich ihm nicht mehr vertrauen konnte. Er hatte mich glauben lassen, ich würde sterben. Davon konnte man sich nicht ohne Weiteres erholen.
„Fenja darf nichts davon erfahren" Ich öffnete meine Augen wieder und sah Eagle an. Sogar ich hörte den flehenden Unterton in meiner Stimme. „Bitte", fügte ich hinzu.
Eagle nickte, so auch Serim. Ich spürte die Bewegung seines Kopfes mehr, als dass ich sie sah, so nah war er mir.
„Du kannst hier bleiben", sagte Serim jetzt. „Wenn du in diesem Zustand in euer Zelt gehen, wird sie wissen wollen, was los war"
Ich nickte schwach, noch immer erschöpft. Eagle stand auf und reichte mir die Hand, damit ich mich ebenfalls erheben konnte. Dann drehte er sich um und verließ das Zelt, ohne ein weiteres Wort an und zu richten. Ich sah Serim an, auch er sah erschöpft aus. Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Pritsche.
„Leg dich dort schlafen"
Als ich immer noch wie versteinert stehen blieb, schnaubte er gereizt, griff unter die Pritsche und zog die Felle und Decken heraus, die wir auf unserer Reise dabeihatten. Stumm richtete er sich sein Lager und legte sich nieder. Als ich mich noch immer nicht rührte, knurrte er: „Jetzt schlaf endlich!"
Blinzelnd erwachte ich aus meiner Starre und legte mich mit steifen Gliedern auf das Bett. Ich pustete die Kerze aus, die inzwischen beinahe abgebrannt war. Ein bräunlicher Klumpen aus Wachs. In der nun herrschenden Dunkelheit wirkte alles soeben erlebte auf einmal unwirklich. Doch wenn ich ganz still war und in mich hineinhörte, war alles noch immer da. Die Angst, das Zittern, das Herzrasen. Fürs Erste hatte ich sie besiegt, doch was, wenn ich wieder einen Anfall bekam?
Ich wollte nicht mehr daran denken und drehte mich auf die Seite.
Nun teilten wir also ein Geheimnis, Eagle, Serim und ich. Obwohl ich das selbst kaum fassen konnte, glaubte ich ihnen, dass sie es bewahren würden, auf ewig. Durch dieses Vertrauen war es nun nie mehr so wie zuvor. Etwas hatte sich verändert. Hoffentlich zum Guten. Wir alle brauchten schließlich etwas Licht in dunklen Zeiten.
Ich bin SO stolz auf mich! Darf ich das überhaupt schreiben, oder klingt das zu sehr nach Eigenlob? Es geht mir dabei auch nicht um das Kapitel, sondern viel mehr darum, dass ich es schaffte, mich wieder in die Geschichte hineinzuversetzen und sie so schnell zu schreiben. Ein neuer Rekord für mich! :-)
Hoffentlich gefällt euch der Lesenachschub, das Bild zeigt Eagle.Liebe Grüße,
eure Evynne
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Wolfsisters
FantasyZwei Schwestern, eine Krone, ein Kampf um Macht, Liebe und Freiheit… Als die beiden Schwestern Fenja und Menja eines Tages in ihrem geliebten Wald auf die Jäger des Königs stoßen, hätten sie sich nicht erahnen können, welche Ereignisse diese schicks...