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Eure Evynne
Menjas Pov:
Dankbar nahm ich das Stück entgegen, welches sie mir grinsend anbot und begann langsam zu essen. Fenja hatte es gut zubereitet, das Feuer schien sie inzwischen viel besser im Griff zu haben. Ich erinnerte mich noch genau an das eine Mal, als sie mein gerade erlegtes Reh von den Flammen verbrennen ließ, nur weil sie es schneller rösten wollte. Damals war es ärgerlich, doch jetzt konnte ich darüber nur schmunzeln.
Ich musterte meine Schwester aufmerksam. Der Tod Amaltheias hatte sie verändert. Sie wurde allmählich selbstständiger, verließ sich immer weniger auf mich und suchte nach ihrer eigenen Kraft. Ihre Neugierde und ihr Wissensdurst schienen keine Grenzen zu kennen. Ständig versuchte sie Neues, drang in fremde Jagdgebiete vor oder feilte an ihren Feuerkünsten. Es war mir unbehaglich, doch Momente wie diese, in denen wir Seite an Seite am Feuer saßen und aßen, ließen mich meine Sorgen beinahe vergessen.
Momente, in denen Fenja ihre roten Haarlocken ungebändigt ins Gesicht fielen und das Grinsen nicht mehr von ihrem Gesicht zu verschwinden scheint.
Ich formte meine linke Hand zu einer Schale und reckte sie dem Krug entgegen. Das klare Quellwasser wisperte mir unruhig zu, es wollte wieder bewegt werden, in einem Gefäß gefangen zu sein gefiel ihm nicht. Meinem Wunsch folgend erhob sich ein kleiner Teil aus dem alten Krug und floss durch die Luft bis hin zu meiner Handfläche, in der es erneut zur Ruhe kam. Ich hob es an die Lippen und trank.
Schon von Kindesbeinen an merkte ich, dass meine Ohren mehr hören konnten als die meiner Schwester oder sogar die unserer Ziehmutter. Es schien mir immer, als würde jeder Baum, jeder Fluss und sogar jeder Grashalm zu mir sprechen. Es dauerte eine Weile, ehe ich begriff, dass es das Wasser war, das mich rief. Es flüsterte mir zu, erzählte mir bisher ungesagte Geschichten und verführte mich dazu, es zu bändigen.
Doch eines der Elemente zu beherrschen verlangt einen hohen Preis. Kontrolle im Austausch gegen Kraft. Jeder Tropfen, den ich bewege, und sei er auch noch so klein, schwächt mich, wenn auch unmerklich.
In dieser Hinsicht beneidete ich meine Schwester inbrünstig. Auch wenn sie des Öfteren die Kontrolle über ihre Flammen verlor, so konnte sie doch einen Waldbrand verursachen ohne auch nur im Mindesten geschwächt zu sein.
Appetitlos nagte ich an meinem Kaninchen. Amaltheia hat es gehasst, wenn wir nicht aufaßen.
Ich griff nach einer kleinen Holzschale und füllte sie mit Wasser. Langsam blies ich meinen Atem über die Oberfläche, bis das Wasser zu Eis gefror und bettete mein Fleisch in dessen Mitte.
„Ich esse später“, meinte ich zu Fenja, nachdem ich es auf diese Weise gelagert hatte. Dass Kälte und Eis unser Essen frisch hielten, brachte uns Amaltheia ebenfalls bei.
Irgendwie kam ich heute scheinbar nicht zur Ruhe, es sah mir gar nicht ähnlich derart der Vergangenheit nachzuhängen.
Als ich vorhin zum Wasser holen aufbrach, war der Wald ebenfalls in Aufruhr gewesen, ich konnte nur den Grund dafür nicht finden.
Das flaue Gefühl verschwand nicht und da ich Fenja nicht auch noch beunruhigen wollte, verließ ich unsere Höhle mit der Ausrede, noch ein paar Beeren sammeln zu wollen, obwohl unser Vorrat eigentlich für den heutigen Tag reichen sollte.
So lautlos wie es mir möglich war, streifte ich durch den Wald und lauschte. Das fröhliche Spiel des Lichtes, welches durch die Baumkronen fiel und den Wald in ein Wechselspiel aus gelben und zartgrünen Farben tauchte, konnte mich heute nicht so faszinieren wie sonst.
Ich hörte Tiere im Gebüsch rascheln und Vögel unruhig mit den Flügeln schlagen, als riefen sie ihren Artgenossen Warnungen zu. Offenbar war ich auf dem richtigen Weg, dennoch zögerte ich, je näher ich der Quelle dieser Unruhe zu kommen schien.
Um Fenjas Misstrauen nicht noch mehr zu erregen, hatte ich auf Bogen und ähnliche Waffen verzichtet und wäre nun einem Angreifer hilflos ausgeliefert. Wenn ich keinen kleinen Wasserlauf oder gar einen Bach fand, wäre eine Verteidigung oder gar ein Angriff unmöglich, egal was dort auch lauern mag.
Ich schloss die Augen und atmete tief ein. Das orangefarbene Licht, das mich nun umgab, half mir, mich zu konzentrieren. Meine anderen Sinne schärften sich nahezu augenblicklich.
Da waren die Bäume, viele Bäume, deren Lebenssaft unter ihrer Rinde pulsierte wie ein eigener Herzschlag. Zu schwach und zu langsam, um unter anderen Umständen bemerkt zu werden, doch ich wusste es besser. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich einem Baum sein Wasser entzog, aber ich wollte es lieber vermeiden. Es tat mir zu sehr leid, um einem Jahrhunderte altem Gewächs einfach für meine flüchtigen Zwecke verdorren zu lassen. Ich hatte Respekt vor ihnen. Doch selbst die jungen zarten Grashalme um mich herum wollte ich verschonen. Aus ihnen ließe sich ohnehin nicht mehr als ein oder zwei Handvoll Wasser gewinnen.
Also suchte ich, meinen Ohren und meinem Gefühl vertrauend, weiter blind nach Wasserquellen, bis ich einen kleinen Bach auszumachen glaubte, der sich keine dreißig Schritte weiter durch das Unterholz schlängelte.
Entschlossen schlug ich die Augen auf und machte mich unverzüglich auf den Weg. Der Bach war schnell gefunden. Ich schickte ein schnelles Stoßgebet zur Göttin, dafür dass ich heute Morgen daran dachte, meine Wasserflasche um den Gürtel zu binden. Sobald diese gefüllt war, richtete ich mich auf und begann erneut zu lauschen.
Der Wald war viel stiller geworden, als hätte sich während der Zeit, die ich brauchte um den Bach zu erreichen, alles Leben zurückgezogen und versteckt.
Die Wasserflasche schlug hart gegen meine Beine, als ich loslief um den Störenfried ausfindig zu machen. Es konnte keine Gefahr sein, die wir bereits kannten. Sogar die Bäume waren verstummt.
Kein wildes Tier hätte es bewerkstelligen können, einen ganzen Wald in Aufruhr zu versetzten.
Als mir dies klar wurde, blieb ich abrupt stehen. Was auch immer es war, es war in Richtung Höhle unterwegs. Die Höhle, vor der ich Fenja zurückließ. Sollte die Bedrohung gefährlicher sein, als ich vermutete, dann wäre es besser, wir beide würden gemeinsam dagegen ankämpfen.
Ich musste zu ihr zurück, zu meinem Bogen und zu den Fallen, die wir in der Nähe der Höhle aufgestellt hatten.
Das Wasser in meiner Flasche gluckerte während ich so schnell ich konnte zurück rannte.
Vielleicht irrte ich mich auch, vielleicht war dort draußen gar nichts und ich bildete mir nur etwas ein. Aber falls dem nicht so war, dann wäre es auf jeden Fall besser, wir wären vorbereitet.
Als die Höhle in Sicht kam, war ich fast schon erleichtert, alles unverändert vorzufinden obwohl es ohnehin unmöglich gewesen wäre, dass etwas vor mir unser Zuhause erreicht hätte.
Fenja saß noch immer dort, wo ich sie zurück gelassen hatte und sah mit sorgenvoller Miene zu mir auf.
„Menja, was…?“
Ungeduldig unterbrach ich sie. „Ich war im Wald. Irgendetwas Merkwürdiges geht dort vor sich, wir sollten uns lieber bereit machen, falls es in unsere Richtung kommt. Hol deinen Speer“
Ich konnte sehen, dass es ihr missfiel, wenn ich ihr Befehle erteilte, doch als sie merkte, wie ernst es mir war, nickte sie zustimmend.
Obwohl wir äußerlich und innerlich so verschieden waren, konnten wir uns auf eine Art verstehen, die auch unsere Ziehmutter stets verwundert hatte. Und als wir nun nebeneinander vor unserem Zuhause auf der Lauer lagen, die Waffen bereit liegend und angespannt warteten, war ich nicht etwa von Angst erfüllt, sondern voll schwesterlicher Zuneigung.
Egal was auch kommen mag, ich hatte sie an meiner Seite und sie mich. Wir, gegen den Rest der Welt.

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Wolfsisters
FantasiZwei Schwestern, eine Krone, ein Kampf um Macht, Liebe und Freiheit… Als die beiden Schwestern Fenja und Menja eines Tages in ihrem geliebten Wald auf die Jäger des Königs stoßen, hätten sie sich nicht erahnen können, welche Ereignisse diese schicks...