12| Ewiges Schweigen

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Es gab Momente, da dachte man, mit allem abgeschlossen zu haben. Man dachte, alles könnte wieder gut werden, es sei doch vorbei. Aus Naivität ignorierte man jegliche Ängste und Zweifel in einem, doch letzten Endes kam dann ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Es lag aber in der eigenen Hand, ob man sich auffangen ließ, oder alleine fiel.

Ich ließ mich fallen.

Und dennoch entspannte ich meine Muskeln und lehnte mich gegen die warme Brust, welche mir angeboten wurde. Mein Weinen verstummte nicht, die Tränen liefen weiterhin meine Wangen hinab und wurden dann von dem Shirt an meinem Gesicht aufgesaugt. Aber spielte das eine Rolle, wenn es ohnehin wie aus Eimern regnete?

Ein angenehmer Geruch stieg mir in die Nase, doch ich konnte ihn nicht genau definieren. Es war eine Mischung aus Zitrone und Zimt, anders konnte ich es nicht beschreiben. Aber wenn ich die Wirkung auf mich beschreiben müsste, dann wäre es attraktiv, beruhigend, anziehend.

Langsam versiegten auch die Tränen, aber dennoch bebte mein Körper noch. Mir war es nahezu peinlich, dass mich jemand in dieser Verfassung sehen musste, aber ich konnte nichts dagegen tun. Zeitgleich war ich aber auch unglaublich froh, dass mich jemand gefunden hatte, da ich alleine wahrscheinlich an einer Panikattacke gestorben wäre. Und doch wusste ich nicht, ob das für mich nicht besser sein würde. Einfach sterben.

Die Arme um mich herum lösten sich langsam und mit ihnen verschwand eine Wärme in mir, mein Halt. Beinahe hätte ich meine Arme selbst um den breiten Körper geschlungen, doch als ich merkte, dass sich ein Arm unter meine Kniekehle schlang und die andere unter meinen Rücken, hielt ich mich zurück.

Trotzdem wollte ich es meinem Retter nicht allzu schwer machen, mich zu tragen, weshalb ich meine Arme um seinen Nacken schlang und mein Gesicht an seinem Hals vergrub. Die Tränen hatten aufgehört, doch zittern tat ich dennoch und das nicht gerade wenig. Genussvoll atmete ich seinen Duft ein und entspannte mich bestmöglichst.

Und mit einem Mal überkam mich das Gefühl eines Déjà-vus. Alles kam mir so irreal vor, als hätte ich diesen Geruch schon einmal gerochen, diesen Körper schon einmal gespürt und meine Arme schon einmal um genau diesen Nacken geschlungen.

Du Idiot, das ist Nathan. Ich dachte, du tust nur so, als wüsstest du das nicht, um nicht in Panik zu geraten.

Für einige Momente, in denen sein Geruch mich noch viel zu sehr betörte, verstummte alles in mir. Ich nahm weder meine Umgebung wahr, noch meine eigene Gedanken. Ein innerlicher Kampf in mir entfachte sich, aber ich konnte es nicht in Worte fassen.

Ich übernehme das dann mal. Oh mein Gott, Nathan trägt mich schon wieder! Dieses gottverdammte Arschloch! Soll ich jetzt meine Augen aufreißen und auf ihn einschlagen oder lieber ruhig bleiben und einfach froh darüber sein, dass mich jemand vor dem Abgrund bewahrt hat.

Genervt von meinen eigenen Gedanken kniff ich meine Augen fest zu und hoffte einfach, dass ich das alles nur träumte. Ich merkte förmlich, wie sich meine Muskeln verkrampften und ich wieder anfing, unruhig zu werden.

Plötzlich spürte ich jeden einzelnen Tropfen wieder, welcher auf mir landete. Ich vernahm wieder den Lärm um mich herum und die Angst in mir stieg wieder. Vereinzelte Bilder schossen mir in meinen Kopf, weshalb ich wieder anfing, mich leicht zu winden.

Schwarze lange Haare. Verklebt. Zerrissene Kleider. Mauer. Loch. Blut. Überall Blut.

Schon lange waren meine Anfälle nicht mehr so schlimm ausgeartet wie es das heute tat. Mein Bauchgefühl signalisierte mir bereits, so schnell wie möglich zu fliehen.

Der Griff um mich herum wurde fester und unerwartet spürte ich, wie ich langsam abgesetzt wurde. Unter mir vernahm ich Weiche. Eigentlich wollte ich meine Augen öffnen, um endlich wieder Herr meiner Sinne zu werden; um der Tücke meiner Vergangenheit zu entfliehen, doch die überkommende Kraftlosigkeit verbat es mir.

Ein lautes Knallen ließ mich zusammenzucken, aber als ich merkte, dass der Lärmpegel von der Natur abgedämpft war und ich nicht mehr die stechenden Tränen des Himmels auf meiner Haut brennen spürte, entspannte ich mich soweit es mir möglich war.

Als ich dann schließlich eine aufsteigende Wärme meinen Körper umhüllte, realisierte ich, dass ich mich in einem Auto befand.

Meine Beine waren angewinkelt und nachdem mein Kopf kurz angehoben wurde, befand er sich auf einer erhöhten Ebene. Im Hintergrund vernahm ich eindeutig einige Stimmen, die leicht gehetzt sprachen. „Fahr doch endlich, Junge", zischte die eine Person. Kurzes Schweigen trat ein, bis ich zögernd eine weitere Stimme hörte: „Okay... Was ist mit ihr?"

Ein Klimpern von aneinanderstoßendem Metall erklang. „Ich weiß nicht. Ich habe sie total aufgelöst gefunden. Sie meinte, sie habe sie nicht getötet. Ich weiß nicht, was sie damit meinte, aber wir werden es herausfinden, das ist dir klar, Jason?", erwiderte die erstere Stimme.

Kurz zuckte ich zusammen, als etwas meinen Kopf berührte. Unerwartet spürte ich, wie eine Hand sanft über meine Haare strich. War es Nathan?

Auf eine bizarre Art war mir dies sogar in diesem Moment egal. Zwar war Nathan ein arroganter Blödmann, aber dennoch hatte er mich gefunden. Mich gerettet und war jetzt für mich da. Stand mir bei, und bewahrte mich davor, mich selbst zu verlieren.

Und auch, wenn ich ihn nicht leiden konnte, so war ich ihm ewig etwas schuldig dafür, dass er mich nicht einfach hat liegen lassen, obwohl er mich nicht mochte. Er nahm sich sogar die Zeit und war für mich da, anstatt Dean oder so anzurufen.

Das war das letzte, woran ich dachte, ehe ich aufhörte, mich gegen die Dunkelheit zu wehren und stattdessen in einen unruhigen Schlaf verfiel.

Ich stand in einer dunklen Gasse. Der Mond schien auf mich herab, aber dennoch erkannte ich kaum meine eigene Hand vor Augen. Plötzlich tauchte eine Person vor mir auf. Ich musste zu ihm heraufschauen, konnte aber dennoch nur die Silhouette sehen. „Hilfe", flüsterte sie, ehe ein schriller Schrei ertönte. Alles verschwamm vor meinen Augen und drehte sich. Das dunkle Bild wurde von einem grellen Erscheinen ersetzt und schmerzhaft wollte ich die Augen schließen, doch konnte ich es nicht.

Ich sah nichts, als weiß. Nur weiß, egal, wohin ich schaute. Verzweiflung überkam mich. ‚Ich will hier raus. Jemand soll mich hier rausholen! Hilfe!', wollte ich schreien, doch nichts verließ meinen Mund. Ich konnte ihn nicht einmal öffnen.

Eine Hand an meinen Lippen ließ mich zusammenzucken und in Panik verfallen, bis ich merkte, dass es meine eigene Hand war. Ich wollte lachen vor Erleichterung, aber kein Laut verließ meine Kehle.

Ein Spiegel tauchte plötzlich im weißen Nichts auf und ich sah mich selbst. War das ich? Meine braunen Haare hingen schlaff hinunter und Dreck war in ihnen. War das Dreck? Es war rötlich. Blut.

Ich sah mir in die Augen und erkannte in ihnen eine erschreckende Angst. Verstörtheit. Und doch war dahinter nichts als gähnende Leere. Mein Blick wurde zu meinen Händen gelenkt und bei dem Anblick von roter Flüssigkeit an meinen Händen zuckte ich zusammen. Erneut kam das Verlangen auf, alles rauszuschreien, doch es ging einfach nicht. Warum?

Als ich zu meinem Mund schaute, stockte mir der Atem. Nähte?

Tatsächlich schnürten Nähte schmerzhaft meinen Mund zusammen. Panik machte sich in mir breit. Plötzlich schoss mir ein Bild durch meinen Kopf und starr blickte ich mich an, doch nahm nichts war, als das Bild. Es war verschwommen, doch dennoch so vertraut. Auf eine beängstigende Weise.

Schwarz. Pechschwarze Haare. Ich wollte mir mehr von dem Anblick einprägen, als plötzlich alles in Schwärze getaucht wurde. Ihre Stimme. „Hilf mir."

Freue mich über Votes, Kommentare und bedanke mich zeitgleich für euer Verständnis und eure Geduld~xxT

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