26| Kuschelstunde

4.6K 234 33
                                    

„Buh!", schrie plötzlich jemand und erschrocken kreischte ich auf. Mein Herz raste förmlich und ich war kurz davor, mir das erstbeste Teil zu greifen, was mir zwischen die Finger gleiten würde, und dem Verursacher eine rüberzuhauen.

Doch als ich die Situation wieder ein bisschen realisierte, erkannte ich erst die Identität hinter dem Hinterhältigen. „Nathan, du Arschloch!", fluchte ich sauer und schubste ihn dabei hart gegen den Türrahmen, welcher sich praktischerweise direkt hinter ihm befand.

Und dann bemerkte ich ein kleines Mädchen, welches hinter ihm stand mit einem Teddy in der Hand, welcher wahrscheinlich fast so groß war wie sie und zurzeit schlapp auf dem Boden lag. Wie konnte sie den nicht gefunden haben?

„Sorry, ich fand es nur so verlockend, dich zu erschrecken", bemerkte er belustigt an, während mein Herz weiterhin vor Schreck pochte. Ich hasste es, wenn jemand meinte, mich aus dem Hinterhalt erschrecken zu müssen, vor allem, da ich generell recht schreckhaft war.

Sein leises Reden erinnerte mich wieder daran, dass ich hier im Zimmer eines kleinen Jungen war, welcher seelenruhig in seinem Bett schlief. Oder schlafen sollte. Stattdessen verpasste der kleine Nick mir einen weiteren Herzschock, als ich ihn aufrecht in seinem Bett sitzen sah, uns anstarrend.

Er war zwar total süß, aber ich fand es unheimlich gruselig, wenn Kinder einen anstarrten und nichts sagten, geschweige denn taten. Mindestens genauso gruselig wie Puppen und Clowns. Meine größte Angst wäre in diesem Falle eine Kinderclowns-Puppe, die eine Spritze in der Hand hielt. Vor allem vor der Spritze hätte ich Angst.

Anscheinend bemerkte auch Nathan irgendwann, dass die Situation recht gruselig war. Sollte es daran liegen, dass die Stille echt unangenehm war oder er einfach den brennenden Blick des kleinen Kindes auf sich spürte. „Ehm... Guten Morgen", grinste der nervige Idiot neben mir unbeholfen und verunsichert. Ich war mir nicht sicher, aber ich meinte, nahezu leichte Angst in seinen Augen erkennen zu können.

Fragend blickte ich ihn an, doch sein Blick war starr auf Nick gerichtet, weshalb ich meinen auch wieder zu diesem gleiten ließ. Im Nachhinein ein Fehler, weil sein zuvor ausdrucksloses Gesicht nun finster zu dem Blödmann neben mir blickte und ihn gebannt anstarrte.

Was zum Teufel läuft hier gerade ab? Ich rate dir, Claire, renn. Renn, solange du es noch kannst.

Meine Gedanken ignorierend - auch, wenn ich die Variante einer Flucht in Betracht gezogen hatte, wenn auch nur für kurze Zeit - versuchte ich, die Lage zu analysieren. Man konnte sich jedoch denken, dass ich am Ende nur verwirrter war. Vor allem, als der kleine Junge auf einmal anfing, zu weinen.

Jedoch schien Nathan bereits zu wissen, was gerade vor sich ging, weil er nur resigniert seufzte und sich zu dem kleinen Schreihals begab und diesen mit Leichtigkeit auf seine Arme hob. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte sich Nathan und blickte dabei nahezu schüchtern auf den Boden, während er Nick leicht wiegte und ihm den Kopf tätschelte. Wobei es eher aussah, als würde er dem Kind leichte Klapse auf den Kopf verpassen.

Auch, wenn ich es nicht zugeben mochte, empfand ich in diesem Moment eine Art Sympathie für ihn, weil es einfach süß aussah, wie er sich um ein kleines Kind sorgte und dabei schuldbewusst und konzentriert versuchte, etwas gegen das laute Schreien zu tun. Und dass er dabei vollkommen überfordert mit der Situation war, ließ mich ein bestimmtes Gefühl von Schadenfreude überkommen, denn waren wir mal ehrlich: ich war mir sicher, man bekam ihn nicht oft so zu Gesicht.

Nicks Schreien wurden nur lauter, je mehr Nathan versuchte, ihn zu beruhigen und da ich es so langsam echt nervig fand, beschloss ich einzugreifen, so sehr mir seine missliche Lage auch gefiel.

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt