15| Todesomen

5K 258 50
                                    

Meinem Ohr nah ertönte die raue, tiefe Stimme und jagte mir zeitgleich einen Schauder den Rücken hinunter. Allein, wie er meinen Namen ausgesprochen hatte, ließ alle meine Sicherungen durchbrennen. Ich hatte definitiv eine Schwäche für tiefe Stimmen.

„Nathan", hauchte ich nur, auf irgendeine Weise völlig aus dem Konzept gebracht. Er antwortete mir aber nicht, sondern schaute mich einfach an. Auch, als ich ihn fragend ansah, reagierte er nicht. „Nathan? Wenn du mit mir reden willst, dann solltest du auch etwas sagen. Ich muss dir auch etwas sagen", lachte ich leicht und wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum.

Überrascht blickte er mich wieder an, die Welt wieder wahrnehmend. Wo zum Teufel war er mit den Gedanken gewesen?

„Du kannst ja lachen", gab er grinsend von sich, weshalb ich sofort aufhörte. Stattdessen schenkte ich ihm einen bösen Blick, ehe ich ihn aufforderte, zu sprechen

„Wegen gestern", fing er an und lenkte somit auf das Thema, welches auch ich angesprochen hätte, „du bist mir eine Erklärung schuldig. Wegen dir ist meine hintere Autobank im Arsch. Außerdem schuldest du mir was, dass ich dich vor so einer Blamage vor der ganzen Schule beschützt habe. Ist auch besser so, wenn nicht jeder deine labile Seite erblickt, das ist echt abschreckend." Er hielt kurz inne und betrachtete mich mit einem seltsamen Blick, welcher mich gleich erschaudern ließ.

Ungläubig schaute ich ihn an. War das sein Ernst? Bescheidenheit hatte er anscheinend auch noch nie von gehört. Allein, wie er so entspannt da stand und mich anschaute, als hätte er mir gesagt, dass er einen Wettbewerb gewonnen hätte, ließ in mir die Wut aufkochen.

„War ja klar, dass du etwas wolltest. Aber du hast Glück, weil ich dir ohnehin sagen wollte, dass ich in deiner Schuld stehe, von daher", grinste ich falsch und schenkte ihm dabei einen giftigen Blick. „Wie auch immer. Ob ich labil bin oder nicht, das geht dich nichts an. Ich habe einfach Angst vor Gewitter. Danke auf jeden Fall. Wenn du was brauchen solltest, melde dich einfach. Ich werde mich daran halten."

Dramatisch drehte ich mich von ihm weg und sorgte mit Schwung dafür, dass meine offenen Haare ihm das Gesicht peitschten. Ups.

„Du bist echt dumm, musst immer alle Chancen verhauen", vernahm ich noch eine Stimme, die wahrscheinlich an Nathan gerichtet war, ehe ich abbog und mit jemandem zusammenprallte. Glücklicherweise fiel ich aber nicht auf den Boden, sondern hielt mich - mehr Elefant als elegant - auf meinen Beinen.

„Oh Gott, tut mir leid", vernahm ich gleich eine Stimme, weshalb ich hochschaute und in grüne Augen blickte. „Man, ernsthaft, immer, wenn ich einen Unfall erleide, bist du in der Nähe, beziehungsweise der Verursacher", klagte ich theatralisch und seufzte dramatisch, „Wenn das so weitergeht, treibst du mich in den Tod!"

Jack schaute mich kurz seltsam grinsend an, ehe er meinte: „Dann mach ich ja alles richtig." Dabei zwinkerte er noch, weshalb ich ihm gegen den Arm schlug. Er war überraschend muskulös, er sah nicht so aus, als hätte er haufenweise Muskeln.

Abtuend lachte er und schlang seinen Arm um meine Schultern.

Du meinst so wie Nathan? Ja, so wie Nathan. Es wäre viel zu sehr gelogen, wenn ich sagen würde, dass er nicht gutaussehend wäre.

Hätte ich nicht bereits mit ihm gesprochen, würde ich wahrscheinlich sogar für ihn schwärmen, mir vorstellen, wie sympathisch er sein konnte, denn seien wir mal ehrlich: Es war nun einmal so, dass man als Mädchen für gutaussehende Jungs schwärmte und sich wünschte, mit ihnen zusammen zu sein. Aber meistens hielten diese Schwärmereien auch nur solange an, bis man die Person erst kennengelernt hatte. So war das Leben und das konnte man nicht verleugnen.

Aber zum Glück hatte ich direkt sein wahres Ich kennenlernen können - oder müssen - bevor es überhaupt zu Schwärmereien kommen konnte.

„Claire?", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Verwirrt schaute ich in seine Augen, die mich belustigt musterten. „Sorry", murmelte ich nur, ehe ich in Richtung Parkplatz lief, er mir hinterher.

„Was ich dich fragen wollte. Hättest du gerade Lust, dir mit mir einen Kaffee zu besorgen?", sprach er und legte dabei einen Hundeblick auf. Lachend betrachtete ich ihn: „Ich soll's dir also besorgen?" Unterstreichen tat ich dies mit einem anzüglichen Grinsen, welches er lachend erwiderte. Wenigstens hatte er auch einen ähnlichen Humor.

Schnell wurde ich aber wieder ernst und antwortete ihm gescheit auf seine Bitte: „Naja, ich hätte nichts dagegen." - „Danke, du bist ein Schatz! Logan ist mit Ashley auf einem Date", grinste er noch breiter und wackelte mit seinen Augenbrauen. Meinen Mund öffnend starrte ich ihn an. Ashley hatte mir nichts erzählt.

„Der Ärmste", seufzte Jack dann noch gespielt, ehe er seinen Arm erneut um meine Schultern legte, und mich voranschob.

Mich ein wenig unwohlfühlend, nickte ich und ließ mich von ihm führen. „Du bezahlst", lachte ich und stieß ihm in die Seite.

„Ai Ai, Madame", salutierte er vor mir und schnipste mir dann gegen die Stirn. Stöhnend rieb ich mir über die Stirn und schaute böse zu ihm herauf, „Blödmann."

-

„Mama, kann ich heute zu Dean?", fragte ich meine Mutter und schälte dabei die Gurke weiter. Sie war gerade dabei, die Tomaten kleinzuschneiden, da bei mir immer alles an allen Seiten rausspritzte, bis das Innere überall war, aber nicht mehr in der Tomate.

Kurz unterließ sie ihre Arbeit und schaute mich an: „Ich meine, dass Aidan unsere neuen Nachbarn zu uns eingeladen hat. Es wäre ziemlich unhöflich, wenn du nicht da sein würdest und nebenbei gesagt musst du hier aufräumen, ich muss alles fertig machen, damit wir heute Abend grillen können."

Verwundert blickte ich sie an. Wir hatten neue Nachbarn bekommen? Das hatte ich gar nicht bemerkt. Schnell lief ich zum Fenster der Küche, durch den ich das Nachbarhaus sehen konnte. Tatsächlich waren dort einige Kartons im Garten, die einige Männer in grauen Overalls reinbrachten. Das Verkaufsschild wurde ebenfalls entfernt und zwei große Umzugswagen parkten vor dem Grundstück. Schien, eine große Familie zu sein.

Ich schrieb Dean schnell eine SMS, dass ich heute keine Zeit hatte und widmete mich wieder den Gurken. Schien so, als sei Adam nicht mehr mein Nachbar. Schade eigentlich, wir hatten uns öfter darüber lustig gemacht, dass uns die Nachbarschaft verbinden würde.

Während ich von der Gurke zu dem Salat wechselte, hörte ich Aidan die Küche betreten. Begeistert starrte er das rohe Grillfleisch an. Bitte keine Sabberflecken!

„Die Nachbarn kommen um sechzehn Uhr. Ich habe sie schon kennengelernt, sie sind echt sympathisch, auch, wenn ich bisher nur die Kinder kennengelernt habe. Sie sind alle ungefähr in unserem Alter, Schwesterherz", grinste er mich an und setzte sich an die Theke, an der ich stand. Er lehnte sich an diese und schaute mich dabei eindringlich ein.

Ich wusste, dass er ein Gespräch mit mir verlangte, tat aber dennoch so, als wüsste ich nicht, was er von mir wollte. Berechenbar wie er war, verdrehte er seine Augen und sprang vom Hocker herunter, griff nach meiner Hand und plötzlich - wie aus dem nichts - sah ich diesen Blick, ein Blick der Furcht, der mir vorhersagte, dass etwas Furchtbares kommen würde. „Nein!", rief ich. „Doch."

Er ließ meine Hand los, kehrte um und blieb ca. einen Meter vor mir stehen. Ich beobachtete seinen Rücken. Was er gerade wohl dachte? Nach einer unerwarteten kurzen Weile kam er wieder. „Entschuldigung, ich musste mal pupsen". Ohhh.

Ungläubig starrte ich ihn an: „Wenigstens ein leiser Pups." Einige Momente schauten wir uns an, bis wir lautprustend dastanden und uns vor Lachen krümmten. „Du bist echt dumm, weißt du das?", brachte ich schweratmend raus und setzte mich erschöpft auf dem Boden, da ich sonst heruntergefallen wäre. „Ja, ich habe Mama auch schon gesagt, dass deine ständige Nähe mich verdummt, aber trotzdem zwingt sie mich, dein Bruder zu sein", antwortete er, woraufhin ich ihm gegen die Schulter schlug.

Nachdem ich mich von ihm hochgeholfen lassen hatte, drehte ich mich zu meiner Mutter, die kopfschüttelnd da stand, und teilte ihr mit, dass ich mit Aidan oben war. Nachfragen tat sie zum Glück nicht, sodass wir uns wenige Minuten später auf meinem Bett saßen und er mich erwartungsvoll anblickte.

„Was ist passiert, Clarissa?"

Freue mich über Kommis und Votes<3 ~xxT

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt