41| Flucht &' Fluch

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Selten gab es Situationen, in denen ich mich derartig unwohl fühlte wie jetzt. Ich wollte weg von Zuhause, weil ich mich fremd fühlte. Als wäre ich nicht daheim, sondern in einem Verhör. Meine Freunde wurden zu Detektiven, die mich bedrängten. Und ich, das gespielt unschuldige Mädchen, gezwungenermaßen konfrontiert.

Lass dir das nicht gefallen. Sie können nicht über dich bestimmen.

Und damit hatte meine innere Stimme Recht. Ich ließ mir nicht von jemandem sagen, was ich zu tun hatte. Sie konnten mich nicht zwingen.

„Nein, müssen wir nichts. Das geht euch nichts an", ertönte meine Worte kalt. So kalt, dass es selbst mir ein Schauer über den Rücken jagte. Distanz und Abneigung war herauszuhören, doch das wollte ich gar nicht. Allein aus dem Grund, dass sich nun Verletzung in den Augen meiner Freunde, meiner Familie widerspiegelte.

Ich schenkte dem laufenden Fernseher meine Aufmerksamkeit. Die Nachrichten liefen. Eine Familie wurde Opfer eines Mörders. So wie ihre Familie Opfer meiner Wenigkeit wurde. Lauras.

Ein wütendes Schnauben. Ich hob meinen Blick und sah in die pure Enttäuschung. Verachtung. Trauer. Wut. Tief einatmend versuchte ich, mich zu beruhigen und die ganzen Gefühle von Seiten meines Umkreises nicht an mich zu lassen.

„Claire, so geht das aber nicht weiter, verdammt. Wie lange willst du noch warten? Warten, bis du von Gott erhört wirst und er dich persönlich beschützt?" Ein bitteres Lachen entwich mir. „Halt doch einfach die Klappe, Dean, was verstehst du von meiner Situation?! Und nein, Aidan, wag es nicht, mir jetzt zu sagen, was ich tun und lassen soll. Bitte, gerade du solltest verstehen, dass ich meinen Freiraum brauche!"

„Du wirst mit uns darüber reden, verdammt! Ja, gerade ich verstehe, dass du endlich mal alles loswerden solltest. Dean hat Recht. Willst du warten, bis du einen Zusammenbruch auf der Straße hast, während du alleine bist? Was passiert dann? Man, Claire! Wir sollten dich für dein Verhalten hassen, aber wir lieben dich, also weiß das mal zu schätzen! Die Erde dreht sich nicht um dich, du kannst nicht tun und lassen, was du willst, hast du verstanden? Wir machen das ja nicht, weil wir dich nerven wollen oder so, sondern, weil wir dich alle lieben, okay?", machte Aidan mich zornig an und stand dabei in seiner vollen Größe auf.

Ich schluckte schwer. Es war lange her, dass Aidan seine Stimme mir gegenüber erhoben hatte und es jagte mir eine Gänsehaut den Rücken hinunter. An seiner Art, wie er stand, erkannte ich, wie wütend er gerade war.

Doch zur selben Zeit provozierte mich sein Getue dermaßen, dass ich mich ebenfalls wütend aufbaute. In diesem Moment war ich unglaublich glücklich, leichte Absatzschuhe angezogen zu haben, weil ich dadurch größer schien und wenigstens nicht allzu erbärmlich aussah.

Herausfordernd zuckte ich mit dem einen Mundwinkel, um meine Unsicherheit zu verstecken und ihn zeitgleich damit aus der Reserve zu locken.

„Wenn ihr mich nicht nerven wollt, dann tut es nicht. Euch geht mein Leben nichts an, also tut nicht so, als würde es das. Mein Leben ist mein Problem und wenn ich damit nicht klarkomme, heißt es nicht, dass ihr es euch als Aufgabe machen müsst, meine Seelensorge zu werden. Danke."

Mit diesem ironischen, letzten Wort drehte ich mich einfach um und stürmte Richtung Tür. Ich hörte die unglaublich wütenden Rufe nach mir, die Verzweiflung. Und doch ignorierte ich diese.

Es regte mich unglaublich auf, dass sie sich derartig in mein Leben einzumischen hatten. Sie verstanden nicht, dass ich mir bloß Sorgen um sie machte. Darum, dass ich sie in Schwierigkeiten bringen könnte. Ich hatte Angst, dass er in der Nähe war und jeden meiner Schritte beobachtete.

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt