48| Spielrunde 2

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Wach lag ich in meinem Bett. Seit Stunden. Erneut.

Nach der seltsamen Situation von gestern war ich nachhause gegangen. Es war ohnehin niemand da, also hatte es auch keiner bemerkt. Obwohl ich mir sicher war, dass Adam meinen Bruder auf mich angesprochen hatte, wurde ich bisher in Ruhe gelassen. Kein Wunder, Aidan ignorierte mich noch immer.

Im Hintergrund lief leise Musik. Jeden der Töne nahm ich in mir auf und obwohl ich nicht auf den Songtext achtete, fühlte ich mich verstanden. Wohler und entspannter.

Meine Gedanken waren durcheinander. So dachte ich grundlegend über die Worte von Nathan nach, aber dadurch auch mehr an ihn selber als ich sollte. Der Gedanke, eine vollkommen falsche Einstellung gehabt zu haben, ließ mich schuldig fühlen. Dafür, dass ich es eigentlich war, die kein Verständnis gezeigt hatte.

Jedoch war ich Nate unglaublich dankbar, dass er mich nicht ebenfalls wie Dreck behandelte wie die anderen. Der heutige Tag war nämlich ein absoluter Reinfall gewesen.

Jeder hatte mich gemieden, mich abwertend angeblickt. Dabei verstand ich noch nicht einmal weshalb. Schließlich tat Mel so etwas ständig und bekam trotzdem Bewunderung geschenkt. Und dann tat ich einmal eine solche Aktion und wurde augenblicklich mit Ignoranz, Arroganz und Hass bestraft.

Erneut wurde mir bewiesen, dass wir Menschen viel zu oberflächlich waren. Wir hatten Erwartungen an Menschen, die wir nicht kannten, und wenn sie dann aus der Reihe tanzten, so wurden sie mit Verachtung bestraft.

Von mir wurde erwartet, lieb und zurückhaltend zu sein, von Mel wiederum eine hübsche Zicke.

Wir stempelten unsere Mitmenschen viel zu schnell ab, ohne überhaupt das Recht zu haben. Weil wir sie nicht kannten. Wir wussten nicht, was in dem Kopf des jeweils anderen abging.

Und doch taten wir es. Jeder verurteilte die Menschen für das, was sie waren. Da gab es keine Ausnahmen mehr, denn allein der schlechte Gedanke über jemanden, dessen Gedankengang wir nicht kannten, war eine Verurteilung unsererseits.

Egal, wer meinte, er sei absolut offen und sozial jedem gegenüber; er log.

So gab es zwar Menschen, die weniger offensichtlich verurteilten als andere; manche still und heimlich, andere offen und direkt. Aber jeder tat es. So verurteilte ich auch Mel für ihre offensichtliche Arroganz; so hatte ich Nathan anfangs ebenso verurteilt – wobei er offensichtlich auch sein dummes Spielchen mit mir gespielt hatte – und so wurde nun auch ich verurteilt.

Ein Geräusch zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es kam jedoch nicht von der Tür. Ich verspürte den Anschlich von Paranoia, jedoch sprach ich mir selbst zu, tapfer zu sein. Ich durfte jetzt keine Ausraster bekommen. Wobei mir das unglaublich schwer fiel, als ich eine SMS erhielt. 

‚Spielrunde 2. Brich deinem kleinen Romeo sein kleines, mickriges Herz.'

Ich war verwirrt aufgrund der Nachricht. Doch dann ertönte ein Klopfen, wenige Minuten nach der Nachricht. Verängstigt schaute ich zu dem Fenster, aus dem das Geräusch kam.

Leicht erschrak ich bei dem grinsenden Anblick von Jack. Er wank mit seinem Handy, sodass ich ihn offensichtlich auch in der Dunkelheit erkannte. Mit übertriebenen Gesten deutete er mir an, das Fenster zu öffnen, doch Unsicherheit überkam mich. Wieso war er hier? Kurz nach der passenden SMS? Welches Spiel wurde hier eigentlich mit mir gespielt, verdammt!

Ernst trat ich an das Fenster, das Handy fest in meiner Hand umschlossen. Es war nicht so, dass ich Jack beschuldigte, der Mann zu sein; dafür war er viel zu jung, weil jener vor fünf Jahren definitiv nicht ein Jahr älter als ich hätte sein können. Doch mir gefiel der Gedanke nicht, dass er von Jacks Vorhaben, hierherzukommen, Bescheid wusste.

Das hieß nämlich, dass er hier in der Nähe war.

Unauffällig ließ ich meinen Blick hinter Jack gleiten. In Jasons Zimmer schien ebenfalls noch das Licht. Zwei Silhouetten waren zu sehen. Was war, wenn der Mann dort eingebrochen war und mich nun beobachtete?

Mein Blick schweifte auf die Straße nach links. Das spärliche Straßenlicht verriet mir jedoch nichts über eventuell anwesende Stalker und auch sonst waren bereits größtenteils alle Zimmerlichter der Nachbarhäuser aus.

Erst dann öffnete ich das Fenster und trat einige Schritte rückwärts zurück. „Was machst du hier?", fragte ich ihn mit einer möglichst normalisierten Stimme.

Ich beobachtete, wie er leicht rötlich anlief. Verwirrung machte sich in mir breit. „Du hast mir doch eine Nachricht auf Whatsapp geschrieben? Warte, hier", teilte er mir mit und zeigte mir eine Nachricht auf seinem Handy. Tatsächlich war es unser Chatverlauf, , mein Profilbild und von mir geschickt. Vor fünf Minuten. Mein Handy hatte ich nicht benutzt die Zeit über.

Ich spürte mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren, doch bevor ich nachschauen konnte, wurde meine Aufmerksamkeit anderweitig beansprucht.

„Naja... Ich habe dich gestern beobachtet. Das mit Mel war eine übelst lustige Aktion. Hatte sie mal verdient", lachte er leicht und kratzte sich am Kinn. Dass dies unglaublich attraktiv aussah, erwähnte ich nicht. Meine Konzentration lag noch auf die unangenehme Situation. Ich erinnerte mich an die SMS. Wenn nun das geschah, wovon ich dachte, dass es geschehen würde, dann wollte ich es wirklich nicht hören.

Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: „Nunja... Ich wollte noch zu dir gestern. Weil ich es echt cool von dir fand, dass du so viel Mut hattest. Übrigens tut es mir echt leid, dass du von dem Theater ausgeschlossen wurdest... Es ist echt scheiße. Ich hatte mich schon gefreut, mit dir die Rolle eines Ehepaars einzunehmen." Er zwinkerte mir kurz spielerisch zu, aber ich sah in seinen Augen, dass es nicht das war, was er sagen wollte. Und er sah mir an, dass ich dies wusste.

Das mit dem Theater stimmte. Schon dumm, wenn die Mutter des Opfers die Schuldirektorin war. Sie wollte nicht glauben, dass ich es tatsächlich getan hatte und forderte eine Erklärung, die ich – zu ihrem Bedauern – nicht parat hatte. So strafte sie mich mit dem Ausschluss des Theaterstückes.

Tiefeinatmend legte er seine Hände an seine Schläfen und brach damit den Augenkontakt ab. „Es ist so. Ich habe dich mit Nathan gesehen. Sei bitte ehrlich, läuft da etwas? Weil ihr wirklich vertraut ausgesehen habt. Ehrlich gesagt, ihr saht aus wie ein Paar, welches sich inmitten eines Ehestreits mit Liebe und Fürsorglichkeit zugekotzt hatte. Also, sag mir bitte die Wahrheit. Seid ihr irgendwie... zueinander angezogen?

Ungläubig schaute ich ihn an. „Wie kommst du denn jetzt darauf? Weder sind wir zusammen, noch ziehen wir uns gegenseitig an."

Verwirrt betrachtete ich seine abrupte Kopferhebung und das Strahlen in seinem Lächeln.

Oh oh.

„Dann hoffentlich auch nicht aus! Das ist gut. Dann kann ich ja weitermachen, ohne, dass es mir am Ende peinlich sein muss. Ich habe nämlich das Gefühl, dass wir beide füreinander bestimmt sind. Ich weiß nicht warum, aber wenn du bei mir bist fühle ich mich komplett. Vervollständigt. Ich will dich für mich haben, damit ich keinen Grund mehr haben muss, darum zu bangen, dich an jemand Unverdientes verlieren zu müssen.

Du bist für mich die Sonne, welche mir den Tag erstrahlt. Die einzige, mit der ich später eine Familie haben möchte. Die perfekte Schwiegertochter für meine Mutter. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht so gut, aber was nicht ist, kann noch werden. Ich habe nämlich das Gefühl, dass wir uns seit Ewigkeiten kennen. Als würde ich alles über dich wissen. Und wir hatten schließlich auch schon unser erstes Date. Willst du meine Freundin sein?", sprudelte aus ihm heraus.

Überfordert wägte ich ab, ob das Gesagte sein ernst gewesen war. Und wenn, dann war es absolut übertrieben. Ich hätte so viel Kitsch von vielen Personen erwartet, aber niemals von dem lustig gesinnten Jack, mit dem ich immer so viel herumgealbert hatte.

Und doch brach es mir innerlich das Herz. Ich hätte die zweite Spielrunde gar nicht gebraucht, denn auch ohne Anweisung hätte ich ihm gegenüber Ehrlichkeit geschuldet; und somit ihn verletzt.

Letzter Weihnachtstag x.x
Was habt ihr so bekommen?:)
Wir feiern heute erst mit der ganzen Familie, d.h meine Geschenke bekomm ich heute erst:D
Hinterlasst mir doch ein Zeichen, dass euch mein Kapitel gefallen hat;) xxT~

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt