21♥

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-America-

 Es kommt mir vor wie Stunden. Stunden in denen in meine Tochter im Arm halte und versuche die Tatsache zu verdrängen, dass ich jemanden umgebracht habe. Doch in der Stille lässt sich der Gedanke nicht abwiegeln. Er ist da, geistert durch meinen Kopf. Ich bin nicht besser wie die Rebellen auch wenn Maxon sagt das ich meine Familie beschützt habe. Es hätte einen anderen Weg geben sollen. Aber ich habe das Blut bereits an meinen Händen kleben. Und ich werde es nie wieder los.

„America? Liebling?" Ich sehe von meiner schlafenden Tochter auf und bemerke dass hinter Maxon Wachen sind. Er sieht mich besorgt an.
„Was?" Meine Stimme ist leise, unsicher.
„Der Angriff ist vorbei." Er hockt vor mir und streicht mir über den Arm. Ich erhebe mich.
„Gut. Ich muss kurz an die Luft..." Meine Stimme ist dünn und mein Hals wie zugeschnürt.
Ich dränge mich mit Maxons Hilfe an den Wachen vorbei und wir gehen durch den Palast. Fenster sind zerschossen, Wände beschmiert. Doch ich nehme das alles nur am Rande wahr. Noch immer verfolgt mich der Gedanke, dass ich den Mann umgebracht habe. Maxon legt einen Arm um meine Schultern und öffnet die Türen zum Garten. Die warme Sommerluft schlägt mir entgegen und ich fühle mich als würde ich ersticken. Meine Unterlippe zittert und ich hole rasselnd Luft. Die Tränen treten mir in die Augen und alles stürzt auf mich ein. Ich lasse mich auf die Knie fallen und weine. Maxon legt seine Arme um mich und hält mich. Ich schreie und weine. Solange bis irgendwann keine Tränen mehr übrig sind.
„America?" Ich sehe ihm in die Augen und sehe dass er mit mir leidet. Das mein Schmerz auf ihm weh tut. Und ich würde es so gern sehen wie er, aber es geht nicht. Er könnte eine Familie gehabt haben. Sie wären jetzt allein.
„Liebling, wir müssen heute Abend einen Bericht machen. Schaffst du das?" Ich muss. Ich bin die Königin. Ich habe gar keine Wahl.
„Ich schaffe das schon..." Wie Maxon einmal sagte, manchmal muss ich in meiner Position ruhig wirken auch wenn ich es nicht bin. Und genauso verhält es sich jetzt.
„America..."
„Alles okay." Ich stehe auf und gehe wieder hinein. Ich kann jetzt nicht daran denken. Ich darf nicht. Ansonsten überstehe ich den Bericht nicht. Ich gehe runter in die Küche und lasse nach Anne, Marie und Lucy suchen. Ich sehe Marlee welche auf mich zu kommt und mich in den Arm nimmt.
„America, dir geht es gut. Der kleinen Prinzessin auch?" Ich nicke und ringe mir ein Lächeln ab.
„Marlee ich bin so froh das es dir gut geht." Ich nehme sie in den Arm und verabschiede mich um in mein Zimmer zu gehen. Ich will Sophia noch einmal ins Bettchen legen.
„Lady America?" Ich drehe mich um und sehe meine Zofen in der Tür stehen. Ich laufe zu ihnen und nehme sie in die Arme.
„Ich brauche ein Kleid für den Bericht heute Abend." Anne übernimmt sofort.
„Kein Problem. Wir werden ein kurzes Kleid machen das geht schneller." Ich nicke ihnen dankbar zu und sage
„Weckt ihr mich bitte? Ich werde mich noch einmal hinlegen." Sie nicken und verlassen das Zimmer. Ich singe Sophia noch ihr Schlaflied und gehe in mein Zimmer. Ich streife die Sachen ab und lege mich in das weiche Bett.
•••••
Ich bin auf einer Wiese und streiche durch das weiche hohe Gras. Die Sonne scheint warm auf meine Haut und ich sehe eine weitere Person in der Nähe. Ich gehe darauf zu und als ich demjenigen auf die Schulter tippen will, dreht er sich um. Mein Herz setzt aus.
„Du hast mich umgebracht." Meine Atmung wird hektisch.
„Ich... Ich wollte doch nur meine Familie schützen..."
„Du hast mich umgebracht. Du hast meine Kinder vaterlos gemacht. Meine Frau zur Witwe."
Ich schüttle den Kopf während mir die Tränen über die Wangen laufen.
„Nein... Nein!"
„Ich werde immer auf dir lasten! Der Mann den du kaltblütig erschossen hast. Dessen Blut an deinen Händen klebt. Dessen Kinder du vaterlos gemacht hast. Dessen Frau du zur Witwe gemacht hast. Dessen Blut noch immer in den Poren des Bodens klebt..."
Ich lasse mich ins Gras fallen und halte wir die Ohren zu während ich mich hin und her wiege und mir die Tränen über das Gesicht strömen...
•••••
„AMERICA! Liebling..." Jemand schüttelt meine Schultern, Maxon. Mein Gesicht ist nass und mir ist ganz warm. Mein Hals ist ganz heiser.
„America..." Maxon steht das Leiden ins Gesicht geschrieben. Ich lasse den Blick schweifen und sehe dass wir nicht allein sind. Zwei Wachmänner, meine Zofen und Maxon. Und ich in Unterwäsche in meinem Bett. Ich ziehe automatisch die Decke enger um meinen Körper und bemerke dass auch diese ganz nass ist.
„Lasst uns allein." Maxons Stimme duldet keinen Widerspruch. Die Wachen verbeugen sich, meine Zofen knicksen und verlassen schnell das Zimmer. Maxon setzt sich zu mir aufs Bett und legt meine Hand in seine.
„Maxon was ist passiert?" Mein Hals tut weh.
„Sag du es mir. Du hast im Schlaf geschrien und geweint." Ich kann es ihm nicht sagen. Das mich meine Schuld bereits in meinen Träumen verfolgt.
„Es... Es war nur ein Albtraum." Er sieht mich misstrauisch an und sagt
„America..." Ich stoppe ihn in dem ich frage
„Wie spät ist es?" Ich weiß dass es ihn ärgert wenn ich ihn einfach abwiegle aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen.
„Es ist 16 Uhr." Ich winde mich aus der Decke und sage
„Ich... Ich mache mich fertig für den Bericht." Ich wende mich zum gehen doch Maxon hält mich am Arm fest.
„America, bist du dir sicher..."
„Es ist alles in Ordnung. Ich schaffe das." Damit verschwinde ich im Badezimmer und lasse mir ein Bad ein. Ich muss allein sein. Ich kann meine Zofen jetzt nicht um mich haben.
Ich lasse etwas Rosenöl in das Wasser und entledige mich meiner Unterwäsche. Das Wasser ist angenehm warm. Und der Duft von Rosen hüllt mich ein. Ich wasche meine Haare und seife mich ein. Nach zwanzig Minuten steige ich aus der Wanne und schlinge ein Handtuch um meinen Körper.
Als ich aus dem Badezimmer trete stehen bereits meine Zofen im Zimmer. Sie legen eine Kleiderhülle auf mein Bett und setzen mich vor meinen Spiegel. Sie schminken meine Augen so dass sie rauchig aussehen. Und färben meine Lippen in einen rosafarbenen Ton. Sie kämmen meine Haare und drehen die untere Hälfte zu Locken. Ich erhebe mich und ziehe meine Unterwäsche an. Das Kleid für den Bericht ist blau mit schwarzen Streifen an der Seite und zu den Trägern. Außerdem zieht sich schwarze Spitze über die Träger und die Brust zum Bauchnabel. Ein Paar schwarzer High-Heels und dann der Schmuck. Eine Silberne Halskette mit einem Saphir. Ebenso wie die Ohrringe und der Ring.
„Lady America wir wären dann fertig." Ich bedanke mich und gehe nach unten ins Studio.

Gravil ist bereits dort und als er mich sieht kommt er auf mich zu „Eure Majestät, wie schön zusehen dass es euch gut geht. Seid ihr bereit?" Ein Arm schlingt sich um meine Taille.
Ein warmes Kribbeln breitet sich dort aus. Maxon.
„Mein König wie schön, können wir dann anfangen?"
„Natürlich Gravil." Maxon führt mich zu unseren Plätzen und jemand bringt mir Sophia. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und der Bericht beginnt.

„Guten Abend Ilea, es ist schon einige Zeit her das unser König und die Königin bei uns im Bericht waren. Und dieses Mal sind sie nicht allein. Für alle die noch nicht die Chance hatten sie zusehen, Prinzessin Sophia Amberly Schreave!" Ich und Maxon lächeln in die Kameras und Gravil fragt
„Königin America, wie geht es ihnen und der Prinzessin?" Lächeln.
„Es geht uns gut. Es gab in letzter Zeit viel Aufregung. Der Angriff der Südrebellen gestern und der Besuch der Franzosen. Es ist schwer das alles in einem hinzubekommen und ich bin ja gerade mal 20. Zudem muss ich auch noch meine Pflichten als Königin von Ilea wahrnehmen."
Maxon lächelt mich an und ich weiß dass ich das Richtige gesagt habe. Auch wenn es nicht stimmt. Mir geht es nicht gut. Ich bin eine Mörderin. Ich bekomme den Rest des Berichts gar nicht mit weil ich so in Gedanken versunken bin.
„America?" Ich schüttle den Kopf und sehe zu Maxon welcher mir seine Hand hinhält. Ich stehe auf und halte mit der einen Hand Sophia und mit der anderen Maxons. Wir gehen durch den Palast und schweigen. Es ist nicht erdrückend. Eigentlich sogar ziemlich angenehm. Doch die Last des Tages liegt noch immer auf mir.
„Maxon können wir schlafen gehen?" Er küsst meine Stirn und sagt
„Natürlich." Wir gehen hinauf in das Zimmer von Sophia und ich lege sie zum Schlafen.
„You are the avalanche one world away my make believing just a trick of light, to bring me back around again. Those wild eyes a psychedelic silhouette. I never meant to fall for you but I,
was buried underneath and all that I could see was white. My salvation..." (Salvation - Gabrielle Aplin)
Sie schläft und ich verlasse leise das Zimmer. Ich gehe in das Schlafzimmer von Maxon.
Ich streife mir die Schuhe von den Füßen und lege den Schmuck ab.
„Warte ich helfe dir." Maxon tritt hinter mich und öffnet den Reisverschluss meines Kleides. Überall wo er mich berührt breitet sich dieses wohlige Kribbeln aus. Nun stehe ich nur noch in Unterwäsche hier. Doch das ist mir im Moment egal. Ich bin ausgelaugt. Sowohl geistig als auch körperlich. Ich umarme Maxon und raune
„Ich kann nicht mehr." Er legt prompt einen Arm um mich und hebt mich hoch. Er trägt mich zum Bett, legt mich hin und deckt mich zu. Dann geht er um das Bett herum und legt sich neben mich. Er zwirbelt eine meiner Haarsträhnen und flüstert
„Ist es immer noch der Rebell? Du hast deiner Familie gerettet. Er hätte uns alle erschossen."
Ich schüttle sanft den Kopf.
„Aber ich kann doch nicht einfach jemanden umbringen. Denn dann bin ich nicht besser als sie."
„Du hast es aus einem guten Grund getan. Und jetzt schlaf Liebling." Und ich tue es. Das hoffe ich jedenfalls.

Ein neues Leben | Selection FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt