Kapitel Eins

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Anne p.o.v

Allmählich wache ich auf und spüre, dass mehrere Personen in meinem Zimmer auf und ab laufen. Frühmorgens ist das normal bei mir. Sie ziehen die Vorhänge auf und stellen mir frisches Wasser zur Verfügung. Ich wasche mich und werde für den Tag vorbereitet.

Mein Tagesablauf ist eigentlich immer derselbe: Frühstück, Tanzunterricht, Musikunterricht, Mittagessen, Sprachunterricht, Politikunterricht und dann das Abendessen. Zwischendurch darf ich im Garten spazieren oder ausreiten. Dies alles dient dazu, mich zu einer vollkommenen Prinzessin zu erziehen. Zu einer Königin.

Bald lerne ich meinen Verlobten kennen. Ich weiß nur seinen Namen und habe keine Vorstellung davon, wie er aussieht. Viele meiner Gesellschafterinnen sagen, dass er hübsch sei und viel Charme besitze. Ob das für eine glückliche Ehe reicht, weiß ich nicht. Aber für eine Prinzessin ist eine "glückliche" Ehe nur dass man einen Thronerben gebärt und so die Linie der Regenten sichert. Das wurde mir immer schon so beigebracht. Ich hoffe nicht auf eine große Liebe oder immenses Glück in meinem Leben. Als Prinzessin und zukünftige Königin hat man kaum eine Chance auf ein sicheres und vollkommenes Leben. 
Traurig denke ich darüber nach, wie sich meine Zukunft wohl entwickelt. Was mich in dem neuen Land erwartet.
Meine Eltern bereiten schon alles für die Feier zu unserer bevorstehenden Hochzeit vor und das gesamte Schloss ist in Aufruhr. Dies soll keine kirchliche Hochzeit werden, sie dient nur dazu beide Familien zu binden und die Verlobung nochmals zu bestätigen. Die Trauung vor Gott steht uns noch bevor.
Langsam setze ich mich auf und öffne die Augen. Meine langen dunklen Haare fallen mir den Rücken hinunter und enden auf dem Bett.
"Prinzessin, Ihr seid wach!" begrüßt mich meine Amme Stella. Sie ist schon älter und hat graublaue Augen. Ihre blonden Haare sind streng zurückgebunden und geben ihr eine gewisse Autorität.
"Guten Morgen." murmele ich und lächle sie an. Ich merke, wie uns immer wieder Blicke zugeworfen werden. Die Mädchen trauen sich nicht stehen zu bleiben und mich ebenfalls zu grüßen. Sie haben wichtiges zutun. Es scheint noch wichtiger zu sein, als die Pflichten der letzten Tage.
"Stella, was ist denn los? Die Zofen sind ja ganz gestresst." Mit meiner letzten Bemerkung, bleiben alle kurz stehen, werden hellhörig, dann machen sie aber weiter.
"Prinzessin, der Prinz kommt heute." erklärt meine Amme und zieht mich aus meinem gemütlichen Bett. Ich leiste keinen Widerstand. "Sollte er nicht erst in einigen Tagen hier eintreffen?" Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte mein Gesicht. Braune Augen, dunkles Haar und blasse Haut starren zurück. Die gerunzelte Stirn zeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist.

"König Georg erlaubt sich wohl so manches an Überraschungen. Das ganze Schloss muss schneller fertig sein und alle arbeiten." erklärt Stella und zieht mein Nachthemd über meinen Kopf. Jetzt stehe ich nackt da und zittere. Ich schlinge meine Arme um meine entblößte Haut und blicke aus dem Fenster.
Die Feier soll im Herbst sein. Das war meine Bedingung. Jetzt fällt schöner Laub, und es sieht traumhaft aus. Ein Jahr lang haben die beiden Königsfamilien geduldig gewartet. Und jetzt ist es soweit. Stella zieht mir ein neues Hemd an, streift danach noch ein leichtes Kleid über und bringt den großen Reifen an mir fest. Danach bringt sie ein dunkles Kleid mit etwas Spitze und zieht es mir über den Kopf. Eine Zofe kommt und zupft es zurecht. Dann macht sie sich an die Schnüre am Rücken. Sie zieht sie fest und bindet sie zusammen. Ich merke, wie mein Atem etwas flacher wird und halte mich am Holzrahmen des Spiegels fest. Als sie endlich mit den Schnüren fertig ist und Stella die Zofe abnickt, setze ich mich an meine Kommode und sie macht mir die Haare. 

Nach einer halben Ewigkeit sitze ich fertig frisiert und geschminkt vor meiner Gouvernante. Sie erklärt mir gerade wieder, wie ich den Prinzen begrüßen soll. "Kein Du und auch kein Augenkontakt!" ruft sie mit ihrem italienischen Akzent. Sie klatscht in die Hände und ein Diener kommt herein. "Ruf Antonio." befiehlt sie und geht hinüber zum Klavier. Sie klimpert ein paar Töne. Ich hatte schon als kleines Kind das Gefühl, dass ich vor ihr leise und diszipliniert sein muss. Ihre Autorität hat mir schon immer Angst gemacht. Ich versinke wieder in meinen Gedanken und grüble nach.
Dann erscheint Antonio vor mir. Mein bester Freund. "Wunderschön wie immer." Er verbeugt sich und küsst meine Hand. Ich kichere und schlage ihm leicht auf den Arm.
"Guten Tag, Sir." sage ich und mache einen Knicks. "Wollt Ihr mir diesen Tanz schenken?" fragt er und verbeugt sich abermals. "Das wäre mir eine Ehre." erwidere ich und gebe ihm meine Hand. Langsam tanzen wir einen Walzer und schauen uns die ganze Zeit in die Augen. Keine Bindung ist so fest wie diese. Niemand könnte sich zwischen uns stellen, niemals. Ich liebe diesen Menschen über alles.
"Ich werde dich vermissen." Seine Stimme zittert etwas und ich muss den Kloß in meinem Hals erst einmal herunter schlucken, bevor ich antworten kann.
"Antonio, ich werde dich auch vermissen. Mehr als du dir vorstellen kannst." sage ich und hebe sein Kinn an. "Jetzt sei nicht traurig. Ich bin die Braut, nicht du." flüstere ich lächelnd und er nickt. Ich versuche ihm Trost zu spenden, obwohl ich selbst auch zersplittere und in mich hineinfalle.
Ich werde gehen und nie wieder wirklich zurückkommen. Meine Heimat wird Fensia sein. Dieses Schloss wird die Türen offen halten für mich, jedoch nur zu für kurze Zeiten.
Nach dem Walzer lässt meine Gouvernante Antonio und mich alleine. Wir reden über das Fest. "Ich werde trinken, bis ich umfalle." lacht er und klatscht erfreut in die Hände. Draußen hören wir eine Trompete spielen, welche uns signalisiert, dass der König aus Fensia, und somit auch der Prinz kommen. "Du lernst jetzt deinen Ehemann kennen." sagt Antonio und schaut mich an. "Bereit?" Ich nicke und atme tief durch. Ich bin gar nicht bereit.
"Wo bist du gewesen?" fragt meine Mutter und zieht mich neben sich.
"Donna Leone wollte nochmal alles durchgehen. Sie ist fast in Tränen ausgebrochen." erkläre ich und sie kichert leise und stellt sich gerade hin.
Die Türen gehen auf. "Dort." Einige tuscheln und zeigen immer wieder auf einen bestimmten Punkt, den ich wegen der Masse an Menschen nicht sehen kann
"Eric! Wie schön Euch endlich wieder zu sehen." ruft König Georg. Er breitet seine Arme aus und geht auf meinen Vater zu. "Georg." nickt er und sie umarmen sich. Hinter ihm geht eine wunderschöne Frau her. Mary Caroline. Ihre blonden Locken hüpfen auf und ab. Sie begrüßt uns höflich und stellt sich neben ihren Gatten. Dann erscheint vor uns ein großer dünner Junge. Er hat blonde Haare und blaue Augen. Ich starre in diese und kann mich nicht losreißen. Meine Mutter stupst mich mit ihrem Ellbogen in die Seite und zischt meinen Namen. Dann erst schaue ich auf den Boden und mache einen Knicks. "Prinzessin Anne. Darf ich Euch Prinz Henry vorstellen?" König Georg stellt uns einander vor und ich höre das Lächeln und die Freude aus seinem Gesagten heraus. Man merkt, dass er auf seinen Sohn stolz ist.

Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt