13. Hürde: Nächtliche Rage

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Die Scherben brachen das Licht in tausend Farbe. Und sie flogen, erschufen eine regelrechten Farbensturm der alle Farben der Welt einsog. Die Welt war grau, nur die Welt in den Spiegelscherben besaß ihre Farbe. »Brava, Brava«, eine tiefe, weiche Stimme sang von weit weit weg zu mir. Das angenehme Echo schallte zu meinen Ohren wieder. »Bravissima«, es war nicht die Stimme die mich heimsuchte. Sie klang einwenig wie die meines Vaters, aber noch rauer. Noch älter. Nein. Jünger? »Bernadette....Bernadette!!«, was zum-?

Ich schlug meine schweren Augenlider auf. Das Fernseherlicht flimmerte mir entgegen. Zeus im Himmel bewahre! Es war nur der Fernseher. Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir das es Mitternacht war. Schon wieder? Es war unter der Decke so gemütlich, dass ich mich vorerst nicht bewegte. Direkt vor mir war ein zusammengesunkener Haufen mit pechschwarzen wirren Haaren. Ich konnte schwören, dass Nico nur den Fernseher aufgemacht hat um die Stille zu töten. Der arme war eine sehr einsame Seele, und egal was er sagt: ich sehe es in seinen Augen dass er die Stille hasst. Mein Blick huschte zu meiner bandagierten Hand. Ach ja. Spiegeltypen verkloppen und so. Ich war noch müde und wäre eingeschlafen, aber der Fernseher nervte mich. Ich hob meine bandagierte Hand und strich behutsam durch den schwarzen Lockenkopf vor mir. Nico regte sich langsam und ließ den Kopf langsam nach hinten sacken. Er sah sehr sehr müde aus. "Du bist wach", stellte er leise fest, die Augen nur halb geöffnet. Ich ließ meine Finger zart seine Wange entlang gleiten. "Hör auf mich anzufassen", murrte er, unternahm aber nichts um mich zu stoppen. Ich würde ihn anfassen weil er alleine ist. Weil er einsam und verloren ist. Weil er jemanden braucht der mal nach diesem Zombie Kerl guckt. Weil er es nötig hat. Langsam stemmte ich mich hoch und rutschte vor zu ihm. "Hast du etwas gegessen?", fragte ich und war überrascht wie leise ich war. Doch noch so müde? Nico sagte nichts. Also nein. "Ich hab keinen Hunger", murrte er. Solltest du aber, bist nur Haut und Knochen. Ich griff über ihn hinweg nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Die Wohnung lag in der Finsternis da und verhüllte uns beide. Ich ließ mein Gesicht zu Nicos hinunter. "Gehen wir schlafen", hauchte ich und warf die Decke beiseite. Es war eine auffällig dunkele Nacht, kein Mond war heute da. Neumond also. 'Bei Neumond können auch magieunbegabte das Ungewöhnliche erkennen!', sang Mary in meinem Kopf. Ich seufzte. Wo waren sie nur alle? Bevor ich in mein Zimmer tappte, zog Nico mich ruckartig aus der Türschwelle. Aus dem Augenwinkel sah ich die Scherben meines Spiegels und wollte zu ihnen. "Ich feg sie geschwind auf", sagte ich. Aber seine Arme klammerten sich um meine Hüfte und hoben mich hoch. Mein bleischwerer Kopf sank nach hinten auf seine Schulter und im Rücken spürte ich, wie sich seine Brust hob und senkte. Meine Knie ließ ich angewinkelt - es ist angenehmer wenn dich jemand trägt- und ich sah zu wie sich die Scherben entfernten. Das Zimmer meines Vaters lag pechschwarz im dunkeln da. Und Als mein Kopf das Kissen berührte, döste ich schon wieder weg...

Der Boden war mit Scherben bedeckt. Ich lag mitten drinnen. Die Scherben ließen die Welt wieder grau aussehen. Auch ich war grau. "Was siehst du?", fragte jemand. "Scherben"

"Wo bist du?"

"Ich liege zwischen ihnen"

Ich trug ein Kleid. Aber da alles grau war konnte ich keine Farbe nennen. Es war ein knielanges Nachtkleid. Die Träger waren mittelbreit und auf meiner Brust ragten zwei dünne Reihen Rüschen, die parallel zu einander waren. Zwischen ihnen war eine Reihe Knöpfe, ganz oben am Ausschnitt eine Schleife. Die Rüschen- und Knopfreihe zog sich bis nach unten, und das Kleid war in einer A-Linie, stand mit Abstand zu meinen Beinen da. Ich legte mich auf die Seite und zog die Knie hoch.

"Was siehst du noch?", fragte wieder der Jemand.

"Alles ist grau", von irgendwo tanzte Licht und ein paar kleine Scherben spiegelten es, wenn auch nur mager. Die Scherben bekamen Farbe und mein Kopf bewegte sich zu mir. Ich schlug die Augenlider auf. In meinem grauen Gesicht starrten meine klaren blauen Augen mich an.

Ich schlug die Augenlider auf und sah an den Schrank meines Vaters. Schon wieder ein Traum. Neben mir bewegte sich etwas. Als ich den Kopf umwandte starrte ich Nicos Hinterkopf an. Hat er im Schlaf gezuckt? Oder... Meine Hand legte sich auf seine Hüfte. T-Shirt. Ich rutschte mit der Hand runter auf seinen Oberschenkel. Jeans. "Du hast mich im Schlaf ausgefragt?!", rief ich und drehte ihn um. Was für ein Psycho war der den ?! In der Dunkelheit sah ich seine Augen nicht genau. Er setzte sich auf und schob meine wütende Hand von seiner Schulter. "Hab ich nicht" - "Oh doch!", sagte ich. "Ich habe geschlafen!" - "In Jeans!?", darauf sagte er nichts mehr. Ich war verpeilt und müde aber noch lange nicht behämmert! "Anastasia...", nichts mehr Anastasia! Was glaubt der eigentlich aus mir herauskitzeln zu können? Ganz ehrlich! Als ob ich noch was verschweige! Ich darf ja nicht mal raus! "Anastasia. Du hast Albträume und siehst tagsüber Dinge die es nicht gibt!", meinte er emotionslos aber ich war von 0 auf hundertachtzig. Ich war nicht verrückt! Ich war nicht verrückt! Haltet er mich für verrückt? Ja das tut er! Meine Sicherungen brannten durch und ich packte sein Handgelenk. Ich sah wie er sein Gesicht zu mir hob aber jetzt konnte mich niemand mehr stoppen.

Inevitable - The Shards of CosmosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt