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Seit ihrer Begegnung mit Elijah waren bereits ein paar Tage vergangen.

Enid hätte sich noch immer in den Hintern beißen können für ihr dämliches Verhalten am See.

Ich habe echt gedacht, ich hätte keine Angst mehr vor ihm, aber kaum ist er wieder da, mutiere ich zum erbärmlichsten Weichei der Menschheitsgeschichte. Ich weiß nicht, über wen ich mich da mehr aufregen soll - über ihn oder über mich?

Seit Tagen beschäftigte es sie nun schon, dass er sie offensichtlich nicht erkannt hatte.

Es sollte mir egal sein. Ich hoffe, ich sehe ihn nie wieder.

Auch wenn es sie kaum loslassen wollte, so versuchte sie, das Ereignis in die hinterste Ecke ihres Hirns zu schieben und sich auf die Vorbereitung ihrer nächsten Vorlesung zu konzentrieren.

Enid saß in der Bibliothek und hatte nur noch eine Stunde Zeit, sich auf die VWL-Vorlesung vorzubereiten. Mit angestrengter Miene durchforstete sie das Internet nach Marktmechanismen, als sich eine Person mit einem plumpsenden Laut gegenüber am anderen Tisch niederließ. Enid schaute auf und erblickte Alma, ihre Freundin.

"Na du Streber?", begrüßte diese sie mit dem wärmsten Lächeln, was Enid kannte.

Sie kicherte und lächelte zurück.

"Die größte Streberin bist immer noch du, Alma."

"Papperlapapp."

Sie nahm einen großen Schluck Kaffee und hievte dann umständlich ihre Tasche auf den Tisch.

"Was machst du?", fragte sie, während sie in dem Designerstück herumwühlte.

"VWL. Und was hast du vor?"

"So ein Zufall, das wollte ich auch erledigen. Hast du Lust, das gemeinsam zu machen?"

Mit einem wohligen Gefühl im Bauch nickte Enid sofort.

Alma war toll, auch wenn sie so anders als sie war.

Ohne auf die genervten Blicke der anderen Besucher zu achten, schob Alma ihren Stuhl auf Enids Tischseite und innerhalb von einer halben Stunde waren sie fertig. Sie entschieden sich, die Bibliothek zu verlassen und draußen ein wenig zu plaudern. Alma erzählte von ihrem neuen Freund Stephano, ein Spanier, den sie auf ihrer letzten Sprachreise in Barcelona angeschleppt hatte, wie sie es selber nannte. Da er zwei Jahre jünger war als sie und kein Wort deutsch konnte, nannte sie sich selbst scherzhaft eine Sugarmommy, was Enid irgendwo zwischen befremdlich und amüsant einordnete. Nichtsdestotrotz freute sie sich für das Liebesglück ihrer Freundin, wobei auch ein Funken Neid mitschwang. Alma war ein Männertraum, gertenschlank, groß und hell. Ihre glänzenden blonden Haare reichten ihr fast bis zur Hüfte und ihre eisblauen Augen strahlten oft vor Lebenslust. Enid beneidete sie zwar nicht unbedingt um ihr Aussehen, aber darum, wie selbstbewusst sie deswegen auf Männer zugehen konnte. Sie wusste, wie schön sie war.

"Ich würde Stephano so gerne mal live sehen", flötete Enid amüsiert und Alma kicherte verhalten.

"Er ist was für's Auge, ich verspreche es dir!"

"Apropos für's Auge..." Enids Stimme senkte sich automatisch.

"Ich habe gestern jemanden getroffen... Elijah, um genau zu sein."

"Moment, meinst du den Elijah, wegen dem du solche Probleme in der Schule hattest?"

Enid nickte schweren Herzens.

"Genau der."

"Oh nein... und, war es...schlimm für dich? Was hat er gesagt?"

"Nun... er hat mich nicht erkannt."

"Im Ernst?" Almas verwirrter Gesichtsausdruck war zu komisch. Enid musste tatsächlich kurz schmunzeln.

"Ja, wirklich, im Ernst. Er dachte sogar, ich sei eine seiner Bettgeschichten, dann hat er mich noch beleidigt und vergrault, damit ich verschwinde. Er stand dabei übrigens fast nackt vor mir."

Bei den letzten Worten wurden die Augen ihrer Freundin groß und sie schien hin und her gerissen dazwischen, ob sie ihrer Neugier nachgeben sollte oder besser zuerst bekundete, dass es ihr leidtat, was sicher so war, aber Alma kaum zum Ausdruck bringen konnte.

"Das hört sich furchtbar an! Aber sag schon... wie sah er aus?" Sie kicherte und zupfte sich dabei am Ohrläppchen herum, während sie sich die andere Hand halb über den Mund gelegt hatte.

"Wie Adonis", gab Enid stumpf Auskunft, wobei Alma glucksend lachte.

"Ich meine im Detail."

Enid musste kurz überlegen.

"Ziemlich groß, Körper wie ein junger Gott, allerdings eher schlank und gut bemuskelt, nicht so aufgepumpt wie viele. Dunkle, ziemlich lange Haare, ein leichter Bart, grüne Augen, aber da bin ich mir nicht ganz sicher."

"Klänge wie ein Outcast... wenn da nicht erstaunlicherweise jemand wäre, den ich kenne und der genauso aussieht... und der zufällig Elijah heißt."

Alma nestelte unsicher am Reißverschluss ihrer Tasche herum und  fügte dann noch hinzu: "Deiner Beschreibung nach klingt das wie der Kumpel meines Mitbewohners. Und der studiert ebenfalls hier."

Enid wurde blass.

Ihre Gesprächspartnerin bemerkte es sofort und hob beschwichtigend die Hände.

"Vielleicht ist es auch jemand ganz anderes, lass dich nicht verrückt machen. Im Übrigen ist dieser Typ nie bei den Vorlesungen, er schwänzt ständig. Soll ein echter Überflieger sein."

Besorgt legte Alma ihre Hand auf Enids und schaute sie musternd an.

Doch die war nun völlig vertieft in Gedanken.

Shit! Das klingt wie Elijah Androwis! Das hat der schon in der Schule ständig gemacht mit dem Schwänzen und trotzdem war er immer einer der besten in der Klasse.

Enid versuchte, sich zu sammeln und blickte ihrer Freundin fest in die Augen.

"Selbst wenn, ist nicht gesagt, dass ich ihn zu Gesicht bekommen muss. Ich studiere im zweiten Semester und hab ihn noch nie auf dem Boden der Uni gesehen. Mit etwas Glück bleibt das auch so."

Sie spürte, wie Almas Hand sanft über ihre strich und musste lächeln.

"Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon klar."

"Das hoffe ich. Du weißt, ich bin für dich da."

Enid nickte. Wenn sie gewusst hätte, dass sie schon wieder in Tränen wegen dieses Idioten ausgebrochen war, hätte sie ihr dann helfen können? Wahrscheinlich eher nicht. 

"Danke, dass du dich um mich sorgst."

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