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"Wow, das steht dir noch besser, als ich dachte!"

Sichtlich zufrieden mit sich selbst betrachtete Alma ihr Werk.

Dieses hieß Enid und es sah offensichtlich unglücklich aus.

"Ich fühle mich irgendwie verkleidet", merkte sie an und zupfte an der knallengen Skinnyjeans aus Lederimitat herum.

"Liebes, ich schwöre dir, wenn dir die Männer ihre Blicke hinterherwerfen, wirst du das anders sehen."

Da war sich Enid nicht so sicher, ehrlich gesagt hatte sie eher den Verdacht, dass sie sowas noch stärker verunsichern würde. Dazu noch dieses weiße Spitzentop... wenigstens ihre heißgeliebten Sneakers hatte sie anbehalten dürfen, wäre ja noch schöner, wenn Alma sie auch noch in irgendwelche Stöckelschuhe zwingen würde.

"Ich hätte lieber mein schlichtes Tanktop zurück und eine normal sitzende Jeans. Oder noch besser meinen Hoodie und eine Leggins."

"Leggins ist ein gutes Stichwort." Alma beförderte eine weitere Ladung Klamotten auf den Hocker in der Umkleide und grinste freudig.

"Die kannst du ab jetzt auch auch außerhalb des Hauses tragen."

Enid verschränkte die Arme vor der Brust.

"Kommt nicht infrage. Dann kann man die Ränder meines Schlüpfers sehen!" Das letzte hatte sie mit gedämpfter Stimme gesagt, nicht jedoch ohne den Worten durch ihren Tonfall einen gewissen Nachdruck zu verleihen.

"Das würde ich natürlich niemals zulassen. Deshalb habe ich die hier besorgt."

Sie wedelte mit einer Hand voller Tangas durch die Luft und Enid merkte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg.

"Shit, Alma! Das kannst du doch nicht so laut sagen." Mit einer hastigen Handbewegung riss Enid ihr die Stofffetzen beinah aus der Hand und verschwand eilig hinter dem Vorhang der Umkleidekabine.

"Öh, aber anprobieren darfst du die nicht, das weißt du, oder?"

"Ja, Mama!" Genervt zwängte Enid sich aus der hautengen Hose. Sie schwitzte, es war brüllend heiß in diesem Laden.

Schließlich entschied sie sich für das Top, ließ die Hose aber weg und kaufte eine normale weiße Skinnyjeans. Dazu noch ein paar schlichte, dünne langärmlige Shirts, die aber zumindest sehr figurbetont waren. Und die Unterwäsche. Auch wenn sich vermutete, dass die Dinger nicht unbedingt bequem waren.

"Als nächstes habe ich einen Friseurtermin für dich machen lassen. Da ich mir nicht sicher war, ob dein Budget das momentan zulässt, erkläre ich mich bereit, einen Teil zu übernehmen."

"So ein Quatsch, ich muss sowieso mal wieder meine Haare schneiden lassen."

Eine Stunde später saß Enid mit schokoblonden Aufhellungen der Spitzen und einen wirklich schönen Longbob vor dem Spiegel des Friseurs, der ganz begeistert von seinem Werk war.

"Das Balayage steht Ihnen aber wirklich gut!"

Sie musste ihm recht geben, auch wenn es ungewohnt war. Auch Alma war beeindruckt und steuerte am Ende doch etwas dazu, denn der Preis war horrend und Enid fiel aus allen Wolken, als sie die Zahl auf dem Bon las.

"Heute Abend bin ich blank und kann für den Rest des Monats von Wasser und Brot leben", stänkerte sie, doch Alma hakte sich unbeirrt bei ihr ein.

"Du kannst bei mir essen, Liebes. Jeden Tag, wenn du willst. Ich bekoche dich."

Enid konnte nicht anders, als gute Laune bei dem Angebot zu bekommen, auch weil sie wusste, dass Alma es ernst meinte. Sie war ein unglaublich großzügiger Mensch, nur das mit den Entscheidungen, die sie über ihren Kopf hinweg traf, das konnte nervig sein.

"Lass uns ein Eis essen gehen!" So wie jetzt zum Beispiel, als sie sie fast schon unbarmherzig hinter sich herschleifte.

Bei ihrer Lieblingseisdiele angekommen, genehmigte Alma sich einen Schokobecher und Enid sich ein Spaghettieis. Es schmeckte wie immer bestens.

Mit halbvollem Mund schmatzte Enid: "Und? Was haben wir hier nach vor?"

Grinsend schob sich Alma einen Löffel Vanilleeis zwischen die Lippen und eröffnete ihr: "Wir brauchen noch neues Make-up für dich und wenn wir das haben, kommt die größte Überraschung." Sie machte ein geheimnisvolles Gesicht.

"Komm schon Alma, spann mich nicht so auf die Folter...", flehte Enid ihre Freundin an, doch die schüttelte mit steinerner Miene den Kopf.

"Erst das Make-up."

Also schleppte sich Enid durch unzählige penetrant duftende Parfümerien und Drogerien, bis Alma endlich mit der Ausbeute zufrieden war. Wenn das so weiterging, musste Enid wirklich auf Almas Angebot mit dem Kochen zurückkommen.

"Und jetzt?"

Sie standen vor der Parfümerie. Es war bereits später Nachmittag, sie hatten den gesamten Tag in der Stadt verbracht.

"Okay." Almas Gesicht strahlte, ohne dass sie es hätte unterdrücken können. Aus ihrer Tasche kramte sie einen leicht zerknitterten Prospekt hervor.

"Was ist das?"

"Lies", meinte ihre Freundin nur, immer noch grinsend.

Enid stockte. Das hier war eine Broschüre für ein Kickboxstudio.

"Ist das dein Ernst?"

"Enid, so kannst du Selbstvertrauen aufbauen und vor allem kannst du dich gegen Elijah zur Wehr setzen!"

Bei dem Klang des Namens zuckte sie unwillkürlich zusammen. Sie hatte ihn über den Tag hinweg ganz vergessen.

"Außerdem ist es das erste halbe Jahr lang umsonst... ich dachte, da gibt es nichts zu verlieren."

Enid war hin- und hergerissen, musste aber zugeben, dass Alma Recht hatte mit allem, was sie sagte. Es gefiel ihr nur nicht, dass diese Entscheidung schon wieder so... feststand, ganz ohne ihr Zutun. Deshalb mochte sie keine Überraschungen.

"Du musst es natürlich nicht tun, wenn du nicht willst. Aber ich glaube, es wäre eine tolle Idee."

Ach was soll's, wenn es saublöde ist, hör ich eben wieder auf.

"Okay, warum nicht? Einen Versuch ist es wert."

"Oh, ehrlich? Das freut mich!" Alma schlang ihre Arme um sie und einzig ihre zarte Statur bewahrte Enid davor, erdrückt zu werden.

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