Daheim angekommen half Nick mir dabei die Einkäufe in die Küche zu tragen. Die Tüte, die dabei behilflich wäre, um nicht 10 mal laufen zu müssten, hatte die Vollbremsung vorhin leider nicht überstanden.
Ginger fühlte sich in seinem neuen Zuhause auffallend wohl. Er tapste immer wieder über den weißen Kuschelteppich im Wohnzimmer.
"Sowas kennt er wohl nicht. Wir haben keine Teppiche im Haus"
Meinte Nick der gerade mit den letzten Mehlpäckchen ankam."Tja, dann hast du wohl was zu besorgen. Gingers Mutter würde sich sicherlich freuen"
"Die kommt sobald Timmy wieder im Internat ist wieder zu unseren Nachbarn."
Ich dachte ich hörte nicht richtig! Wenn er den Hund abschiebt okay, naja irgendwie nicht okay, aber wenn er seinen eigenen Sohn dann noch hinterher schiebt, geht das einfach mal gar nicht. Hat der Typ kein Herz?! Sprachlos sah ich ihn an.
"Hast du eigentlich kein bisschen menschliches Gefühl in dir?" sprudelte es auf einmal aus mir heraus. "Warum steckst du dein Sohn nicht gleich in ein Kinderheim? Sowas wie du bist, kann man doch nicht Vater nennen! Ein Vater kümmert sich um seine Kinder und nicht nur wenn das Kind mal für paar Wochen zum Urlaub vorbeikommt. Stattdessen spielst du den ach so lieben Vater, nimmst den Hund deiner Nachbarn und erzählst deinem Sohn, dass es seiner wäre! Wie skrupellos kann man eigentlich sein?"
"Ganz langsam!! Das Internat ist einer der angesehensten Privat-Internate hier. Es ist keine Zelle, in der die Kinder festsitzen und ab und zu mal ne Mahlzeit durch eine Luke geschoben bekommen! Die Kinder werden dort gefördert und ja auch erzogen! Denkst du etwa Timmy hätte es besser wenn er in diesem riesigen Haus alleine rumsitzt und auf dumme Gedanken kommt, nur weil ich den ganzen Tag arbeiten muss und auch spontane Reisen nicht ausschließen kann, denkst du das? Denkst du Timmy wäre zu diesem kleinen Engel geworden, wenn Leany, meine Haushälterin ihn erzogen hätte? Was kann ich denn dafür, dass seine Mutter nicht da ist?! Und ja, ich weiß dass ich kein richtiger Vater bin, aber ich versuche es wenigstens, wenn Timmy mal zuhause ist! Woher soll ich das auch alles wissen, wenn ich selbst auch keinen gehabt habe?!
Weißt du Arizona, wenn du davon nicht die geringste Ahnung hast und nicht mal weißt worum es geht, solltest du einfach deinen Mund halten!"Ich zuckte zusammen, als die Tür ins Schloss geworfen wurde. Erst als ich das aufheulen des Motors draußen hörte, realisierte ich erst, wie unfair diese ganzen Behauptungen meinerseits waren! Nick hatte recht! Ich musste wirklich lernen meinen Mund zu halten und nicht immer das schlechteste von einem Menschen zu denken.
Um mein schlechtes Gewissen, welches ich nach diesen Vorwürfen an Nick hatte, zu beruhigen, machte ich mich daran, das Essen endlich fertig zuzubereiten.
Immer wieder schwebte mir die Frage im Kopf herum, was wohl mit seiner Frau wäre. Timmy erzählte mir noch in der Stadt, dass deine Mum tot sei, doch Nick beschrieb es so, dass Timmy's Mutter nicht da sei!
Vielleicht ist sie auch einfach nur abgehauen und um Timmy zu beruhigen sagte Nick ihm, dass sie Tod sei.
Oder aber sie ist tatsächlich gestorben nur Nick kam mit dem Gedanken nicht klar.Ich wurde durch den vorbeifahrenden Schulbus aus den Gedanken gerissen. Was so spät schon? Ich hatte die Zeit während des Kochens total vergessen.
Wenn selbst der Bus schon da war, dann müssten die Jungs auch jede Sekunde eintreffen.Ich deckte schnell den Tisch und servierte auch schon das Essen, damit wir, wenn die beiden kamen schon direkt an den Tisch konnten.
Genau in dem Moment, als ich die letzte Kerze auf der Torte anzündete, hörte ich das Knattern unseres alten Range Rovers und paar Minuten später waren die Jungs auch schon im Haus.
"Willkommen Zuhause, Geburtstagskind. Ich wünsche dir nochmals all...."Ich wurde durch ein freudigen Aufschrei unterbrochen. Ginger hatte inzwischen vom Teppich abgelassen und hüpfte aufgedreht durch meine Beine direkt auf Dave zu.
Den restlichen Verlauf des Tages verbrachten wir mit Essen und Ginger.
Dave schwebte auf Wolken und konnte Ginger keine 5 Minuten aus den Augen lassen.
Ich schaute in die Runde. Phil lag lachend auf dem Boden während Ginger immer wieder versuchte sein Gesicht abzulecken, wurde aber von Dave zurückgehalten, der auf Phils Brust saß.
Ich stand leise von meinem Sessel auf, trat auf die Terrasse und schloss die Tür hinter mir. Leicht fröstelnd zog ich meinen Blouson enger an meinen Körper. Draußen war es bereits dunkel geworden und unzählige Sterne strahlten am Himmel. Lange schaute ich in das Sternenzelt. Ein Stern leuchtete besonders hell."Daddy!
Ich weiß nicht ob du mich hörst,
aber ich wollte dir sagen,
dass wir glücklich sind.
Wir sind glücklich Daddy!!"Eine kleine Träne floss meine Wange herunter. Es war heute so schön wieder etwas als Familie zusammen zu machen. Wie ich das vermisst hatte!
Genau in diesem Moment flitze eine kleine Sternschnuppe quer über den Himmel.
Instinktiv schloss ich die Augen und murmelte:"Ich wünsche mir,
immer so glücklich zu sein!""Mit wem sprechen Sie denn da? Ist ihr Verlobter noch bei Ihnen Miss Mayhew? Wenn ja, dann denken Sie daran morgen zum Brunch vorbei zu kommen!"
Genervt warf ich mich auf einen Terrassenstuhl. Unsere ach so tollen Nachbarn bewiesen es mir immer wieder, dass die reale Welt leider kein Wunschkonzert und Sternschnuppen auch nur schön anzugucken waren.
_____________
Mitten in der Nacht wurde ich von leisen Geräuschen im Nebenzimmer geweckt. Ich setzte mich in meinem Bett auf. Telefoniert Phil etwa mitten in der Nacht, oder quatschte Dave noch mit Ginger? Langsam stand ich auf und huschte in den Flur. Vor Daves Tür blieb ich stehen. Nein! Das war definitiv kein Gequatsche. Leise öffnete ich die Tür.
"Davie?" flüsterte ich in den Raum hinein. Ich hörte wie Dave sich unruhig im Bett wälzte.
"Dave, wach auf!" sanft rüttelte ich an seiner Schulter, bis zwei blaue unter Tränen stehende Augen zu mir aufschauten."Ari!"
Liebevoll strich ich über das blonde Köpfchen.
"Hattest du einen Alptraum, Schatz?"
Vorsichtig ließ ich mich auf die Bettkante nieder."Ich habe von Daddy geträumt. Er wohnte in einem Wald mit ganz hohen Bäumen. Ich hab ihn da besucht. Er war sehr traurig. Er hat mir wieder von dem Vogel erzählt."
"Welchem Vogel, Schatz?" fragend sah ich ihn an.
"Na dem Eichelhäher. Das ist der Vogel, der nicht gestorben ist. Vielleicht ist Daddy wie dieser Vogel. Vielleicht kommt er eines Tages zurück."
"Denk sowas nicht Liebling! Denk nicht, dass Daddy uns je verlassen hat. Das hat er nämlich nicht! Er ist noch bei uns! Ich weiß es ganz bestimmt!"
"Aber Ari!" Dave nahm meine Hand fest in seine. "Warum träume ich denn immer, dass Daddy nicht wieder kommt und auch nicht mehr da ist?"
"Ich habe auch Träume. Irgendwann erklär ich's dir mal ganz genau. Woher sie kommen, und warum sie niemals wieder weggehen. Aber ich verrate dir, wie ich es schaffe das zu überstehen. Ich führe eine Liste im Herzen von allen guten Momenten, die ich miterleben durfte... Von jeder Kleinigkeit, die mir einfällt. Es ist wie ein Spiel... Ich mach es immer und immer wieder. Das wird nach all den Jahren etwas langweilg, aber... Aber es gibt viel mehr schlimmere Spiele! Und jetzt, gute Nacht mein Schatz, schlaf jetzt!"
DU LIEST GERADE
Her vocation
RomanceDas im Leben nicht alles nach Plan läuft ist klar oder? Das musste auch die 19-jährige Arizona Hope Mayhew feststellen, als sie eines Tages die Nachricht erreicht, dass ihr Vater zum Tode verurteilt wurde. Da Aria's Mutter schon seid 8 Jahren tot i...