Jegliches Zeitgefühl hatte ich verloren. Konnte weder sagen, ob es Tag oder Nacht war. Hier herrschte ewige Dunkelheit. Schwer lastete sie auf mir, lullte mich ein, bis sie mich schließlich vollkommen eingenommen hatte.
Die Röhre verbot es mir, mich im Liegen auszustrecken. Sie war gerade so groß, dass ich mich an ihrem Boden wie eine Katze zusammenrollen konnte. Die erste Zeit aber schlief ich überhaupt nicht. Meine Gedanken waren viel zu laut, als dass ich hätte in Ruhe einschlafen können. Hinzu kamen die Angst und die Verzweiflung, die mich niemals entspannen ließen. Überall in den Schatten schien ich aus den Augenwinkeln überall Gestalten zu entdecken. Monster, die mich holen kämen. Wenn ich jedoch hinschaute, war dort rein gar nichts. Später jedoch schien mein Gehirn zu müde zu sein, um sich noch irgendwelche Schattenungeheuer vorstellen zu können.
Niemand kam je zu mir hinunter. Es war, als hätte man mich vergessen, wie ein altes Spielzeug, wenn das Kind, zu dem es gehörte, bereits zu alt geworden war und es in den Tiefen des Kellers abgestellt worden war. Das Einzige, woran ich jedoch ausmachen konnte, dass ich nicht in Vergessenheit geraten war, waren die blinkenden Lichter der Maschinen, die Flüssignahrung, die mir mithilfe von Schläuchen eingeflößt wurde sowie die einsamen Tests, die ich durchlaufen musste.
Was auch immer die Nahrung enthielt, die man mir verabreichte, es genügte, um mich bei Kräften zu halten, während die Tests ihr restliches taten, um meinen Körper fit zu halten. Die Röhre war zu weit mehr fähig, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Je nach Bedarf veränderte sie ihre Funktion, sodass sich beispielsweise der Boden unter meinen Füßen manchmal in ein Laufband, an dem man meine Geschwindigkeit messen konnte, verwandelte. An anderen Tagen fungierte sie als eine Art Dusche. Hart schossen die Wasserstrahlen hinab, drückten mich beinahe nieder.
Die Kamera war ständig auf meine Röhre gerichtet. Beinahe täglich begann eine rote Lampe aufzuflackern und ein schriller Ton erklang. Wie eine Warnsirene heute er auf, ließ meine Ohren klingeln und erfüllte das dunkle Kellergewölbe unterhalb des Hauptgebäudes. Anfangs hatte ich mich noch erschreckt, doch nun gehörte es zu den alltäglichen Dingen. Die Maschinen begannen dann immer nur so vor Elektrizität zu knistern und auf der Höhe meines Halses öffnete sich eine kleine Klappe, aus der sich ein metallener Greifarm zu mir hinein bewegte. Mal entnahm er mir Blut, ein anderes Mal ein winziges Stück Haut. Irgendwann hörte es auf, weh zu tun und ich gewöhnte mich an den Schmerz.
Die vergangene Zeit konnte ich nur am Glas der Röhre abschätzen, das leicht meine Gestalt wiederspiegelte. Ich sah nicht mehr aus, wie ein achtjähriges Mädchen. Ich war nun vielleicht zwölf Jahre alt. Eine ganz schön lange Zeit. Vor allem, wenn sich jeder Tag wie der andere anfühlte. Jede einzelne Sekunde zog sich quälend lang, die Minuten schienen gar nicht erst zu vergehen. Vier Jahre, in denen ich keine Menschenseele gesehen hatte. Es war ein Wunder, wie ich meinen Verstand hatte bewahren können und nicht zu einem hysterisch lachendem Häufchen Elend, das am Boden der Röhre saß und unaufhörlich vor und zurück wippte, mutiert war.
Oft stand ich in meiner Röhre, die Augen geschlossen, meine Sinne aktiviert. So war es auch an diesem Tag. Mittlerweile hatte ich gelernt, auf meine Sinne zu vertrauen. Versuchte, die Menschen dort oben zu hören oder gar zu spüren. Wurde mir meiner Umgebung eins. Dann fühlte sich die Dunkelheit nicht ganz so erdrückend an.
Ich spürte die Vibration der Wände und Decken, wenn dort oben jemand lief. Insgesamt hatten sich meine Sinne in den letzten Jahren um ein Vielfaches verbessert. Allerdings hatte ich nicht wirklich die Chance gehabt, meine Fähigkeiten auszuprobieren. Wie auch, in einer solchen Röhre, aus der man nicht herauskam? Außerdem bestand das Risiko, dass sie mich dabei sahen. Immerhin wurde ich dem Anschein nach rund um die Uhr überwacht. Jedenfalls lief die Überwachungskamera unaufhörlich.
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Freya Winter - Mutant
Science FictionMutanten. Genveränderte Menschen. Die neue Zukunft. Weltverbesserung. So sollte es zumindest laut Ambrosia sein, ehe das Experiment nach hinten losging. Sie sind schneller als normale Menschen, stärker und anders. Die perfekten (Nicht-)Menschen. Un...