Kapitel 1

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Fay 19:59 Uhr

,,Fay kommst du essen?!"

Ruft meine Mutter von unten aus der Küche.

Ich sitze an meinem Schreibtisch, in der rechten Hand halte ich meinen Bleistift, in der linken ein Radiergummi. Mein Skizzenblock liegt aufgeschlagen auf der Holzplatte meines Schreibtisches.

Irgendwas fehlt da noch, aber ich weiß nicht was. Also lege ich kurzerhand meine Zeichenmaterialien aus den Händen, vielleicht hilft mir essen, um meine kreative Lücke zu schließen.

Ich nehme einen Pullover vom Bett und schlüpfe hinein. Auf dem Flur treffe ich mit meinem Bruder Koby zusammen.

,,Na kleine Fay? Sag nicht du sitzt immer noch an dieser dämlichen Skizze..."

Er drängt sich an mir vorbei, wartet erst gar nicht auf meine Antwort, und läuft mehr oder weniger elegant die Treppe runter. Ich folge ihm, jedoch deutlich eleganter, nicht ganz so wie ein Elefant auf Drogen.

Das Ding ist, Koby interessiert sich einen Scheiß für mein Hobby. Er lacht mich manchmal deswegen sogar aus.

Dabei sitze ich oftmals Tag und Nacht am Schreibtisch, bin im Garten und spraye meine Mauer an, bekomme Aufträge die ich spraye und Geld dafür bekomme. Ich mach mich im Gegensatz zu meinem Bruder nützlich.

Er liegt lieber den ganzen Tag auf seinem Bett und zockt, oder seine Freundin ist hier. Die belächelt mich zwar auch, aber sobald mein Bruder nicht in Hörweite ist, spricht sie mir ihr Beileid dafür aus, dass Koby mein Talent so untergräbt.

Manchmal mag ich sie, aber manchmal ist sie eine ganz schöne Bitch. Naja, jedem das seine.

In der Küche lasse ich mich auf meinen Platz neben Koby fallen und belade sofort meinen Teller mit Blumenkohl und Kartoffeln. Für den Rest meiner Familie gibt es dann noch ein Schnitzel, aber ich als Vegetarierin, steh da nicht so drauf.

,,Nur zu deiner Info, ich sitze immer noch an meiner Skizze"

raune ich Koby zu, der daraufhin nur lachend den Kopf schüttelt und sich seinem Essen widmet.

,,Fay, hast du alle Hausaufgaben fertig?"

,,Mom ich bin keine 12 mehr. Das kann dir egal sein, aber ja; ich hab sie fertig"

genervt schiebe ich mir ein Stück Blumenkohl zwischen den Kiefer. Wie schön diese klassischen Esstisch-Fragen immer sind. Ich hasse das.

So schnell wie möglich schlinge ich mein Essen runter, damit ich weiter malen kann. Als ich fertig bin, bringe ich mein Geschirr in die Küche und laufe zurück in mein Zimmer.

Draußen wird es langsam dunkel und ich stelle mir vor, wie die ersten Sprayer leise und elegant durch die Straßen von Köln laufen und ihr Revier mit Taggs markieren. Dann nehme ich Bleistift und Radiergummi zur Hand und mal wild drauf los...

Cooper 22:42 Uhr

,,Lauf!!!"

Schreit Oliver.

Ein Beamter ist ihm dicht auf den Fersen. Ich konnte meinen Verfolger etwas abschütteln.

Die Dosen in meinem Rucksack klirren aneinander und ich mache es der Polizei nicht wirklich schwer mich zu finden. Aber den Rucksack absetzen und die Dosen hier lassen? Auf keinen Fall.

Ich laufe so schnell ich kann. Direkt hinter der Sparkasse, die wir etwas verschönert hatten, liegt ein kleines Viertel, mit schmalen Gassen die kreuz und quer durch die Stadt führen.

Meine Chance, ihnen zu entkommen, wenn ich nur nicht so laut wäre. Aber das zählt jetzt nicht. Mal biege ich rechts ab, mal links und manchmal laufe ich einfach nur geradeaus.

Plötzlich sehe ich Blaulicht aus der linken Gasse kommen. Ich bleibe ruckartig stehen. Mein Atem geht stoßweise. Überleg schneller Cooper. Wohin?! Dahin!

Ich laufe ein Stück zurück und biege links in eine weitere Seitengasse ein. Dann renne ich wieder. Ich ziehe das Tempo noch weiter an. Adrenalin fließt durch meine Adern. Das Gefühl, gleich abzuheben packt mich.

Und auf einmal ist das Gefühl vorbei. Ich renne in eine mir im Weg stehende Gestalt. Der Aufprall wirft mich zu Boden.

Ehe ich meine Orientierung wiedergefunden habe, sind meine Arme auf dem Rücken mit Kabelbindern befestigt.

Scheiße, fluche ich innerlich. Die Polizei war schneller. Ich werde zum nächsten Streifenwagen geführt, meinen Rucksack haben sie natürlich schon in Beschlag genommen.

Im Auto riecht es nach verbranntem Schießpulver und Schweiß. Ich rümpfe die Nase und versuche einen kleinen Blick nach draußen erhaschen zu können.

Dort steht eine Frau in Uniform und notiert etwas auf einem Klemmbrett. Neben ihr zwei Männer die wild diskutieren. Das wars dann also, schon zum zweiten Mal hat mich die Polizei gefunden...

Der Gerichtsbeschluss: 50 Sozialstunden im Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Na toll. Oliver muss ebenfalls 50 Sozialstunden im Gymnasium absitzen. Wir dürfen dort einen auf Hausmeister spielen und Müll sammeln und so einen scheiß. Prost Mahlzeit.

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