22:49 Uhr
Fay
Ich blinzele durch meine „Sturmhaube", welche lediglich aus einem einfachen T-Shirt besteht. Sowas hatte ich schon mal heimlich zuhause geübt, aber Cooper schaut so glücklich auf mich herunter, während er die beiden Ärmel des Shirts hinter meinem Kopf verknotet. Also verkneife ich mir meinen Kommentar.
„Bereit?"
Ich nicke. Nervosität steigt in mir auf. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich illegal spraye. Aber Trainbombing ist eine ganz andere Liga. Es ist quasi die Königsdisziplin im Sprühsport. Jeder will seinen Namen auf einem Zug sehen, welcher durch die ganze Stadt fährt. Man erntet Respekt, Fame, Anerkennung. Nicht das Cooper und seine Jungs das nötig hätten. Wenn ich so drüber nachdenke, habe ich schon oft was von der CBC auf Zügen oder an Hochhäusern gesehen. Stadtbekannt sind sie allemal. Mich würde es aber auch nicht wundern, wenn man sie in noch entfernteren Städten und vielleicht sogar Ländern kennt.
„Brauchst keine Angst haben. Ich bin ja da; dein großartiger Prinz, der dir immer zur Seite steht"
Er grinst mich schelmisch an und ich boxe ihm in die Seite.„Ich hab gar keine Angst. Gehen wir jetzt los, oder was?"
Ich versuche meine Stimme so ruhig und entspannt wie möglich klingen zu lassen. Innerlich explodiere ich aber vor Aufregung. Mein erster Zug. Dieser Satz schwirrt mir die ganze Zeit durch den Kopf, während Cooper zurück ins Wohnzimmer geht und dort den Rucksack auf den Tisch stellt. Die Mischkugeln klirren aneinander und ich bin mir nicht sicher, ob wir unentdeckt bleiben, wenn wir so einen Lärm machen...
„Im Schrank ist noch eine Schublade. Kannst du die mal aufmachen? Da müsste ein graues Päckchen drinnen liegen. Das brauchen wir."
Die Schublade quietscht als ich sie öffne. Mit einer eleganten Bewegung werfe ich ihm das Päckchen auf den Schoß. Er holt kleine Magneten aus der Verpackung und heftet jeweils zwei Stück unter jede Dose. Bevor er diese zurück in den Rucksack packt, schüttelt er jede Probe, um zu gucken, ob sie noch Geräusche von sich geben. Nichts. Stille. Perfekt, denke ich mir. Mein erster Zug und wir werden nicht entdeckt, hoffentlich.
„Also... normalerweise plant man so 'ne Trainaction länger durch, mit Sketches und so. Aber du hast immer noch mich und du bist super. Wir schaffen das auch so spontan. Zusammen."
Er lächelt mich an und greift nach meiner Hand. Dann zieht er mich näher an sich, bis mein Gesicht kurz vor seinem ist. Ich atme seinen Duft aus Farbe, Waschpulver und Aftershave ein und werde dabei schon ganz benommen.
Langsam führe ich meine Hände hinter seinen Kopf und zieh ihn zu mir runter. Seine Lippen sind weich und spielen mit meinen. Dieser Kuss lässt meine ganze Aufregung zerplatzen und ich fühle mich selbstbewusster denn je.
Wir laufen die Strecke. Und es ist eine ganz schön lange Strecke. Schweigend und so unauffällig wie möglich laufen wir nebeneinander durch Kölns Nachtleben. So unauffällig wie man eben mit zwei leuchtenden Warnwesten mit einem riesigen DB Aufdruck auf dem Rücken sein kann. Auffallen ist die beste Tarnung, hat Cooper zumindest gesagt. Er meinte, wenn wir so aussehen, wie Mitarbeiter der Deutschen Bahn, fallen wir nicht auf. Das werden wir sehen.
Auf der anderen Seite des Rheins kann ich den Bahnhof Messe/Deutz ausmachen. Hier war ich schon oft gewesen. Aber das sich unterirdisch mehrere Abstellgleise befinden, keine Ahnung. Woher auch.
So entspannt wie nur möglich betreten wir den hell erleuchtete Bahnhof. Meine Augen müssen sich kurz daran gewöhnen. Cooper geht neben mir her, bevor er mir mit einem Kopfnicken bedeutet, die Treppen zu Gleis 8 hinunterzugehen. Wie um alles in der Welt sollen wir jetzt zu den Abstellgleisen gelangen? Cooper der scheinbar Gedanken lesen kann, beugt sich zu mir und flüstert mir ins Ohr:
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Sprühdosen-Liebe
Teen FictionFay, 16, leidenschaftliche Sprayerin. Natürlich nur legal. In ihrer Freizeit sprayt sie im Garten oder Aufträge für andere. Cooper, sein richtiger Name ist unbekannt. Die Graffitiszene kennt ihn nur als Mator. Er und seine Crew bilden die meist gef...