Kapitel 23

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Irgendwann zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit

Cooper

Sie hat das Ja angekreuzt. Wenn man mich jetzt fragen würde, ob ich glücklich bin, würde ich vermutlich in die ganze Welt hinaus schreien, dass ich noch nie SO glücklich war.

So viel Perfektion in einem so unperfekten Körper.

An Schmetterlinge im Bauch habe ich nie geglaubt. Bis jetzt. Es kribbelt angenehm in meiner Magengegend, während ich sie ansehe. Die untergehende Sonne spiegelt sich in ihren Augen.

Ich weiß, dass ich den Moment damit zerstören werde, aber so langsam wird mir das tatsächlich doch zu schnulzig und außerdem wartet das Hauptquartier der Betas. Das muss schließlich alles gut vorbereitet sein.

Ich rutsche von der Kante weg, stehe auf und gehe zu dem kleinen Unterschlupf meiner Schwester. Es zerreißt mir immer wieder das Herz, wenn ich die Decke ein Stück zur Seite schiebe und die Kletterausrüstung zum Vorschein kommt.

Seile, Gurte, Haken. Ich schleppe alles zu Fay,
die meine Bewegungen genau analysiert.

„Sooo. Fangen wir mal an. Also als erstes... hier, da musst du mit den Beinen durch. Der Gurt ist das wichtigste mit dem Haken zusammen. Und das... ja genau da steckst du die Arme durch..."

Elegant zieht sie den Gurt hoch über ihre Schultern.

„Jetzt müssen wir das noch festziehen... warte. Das wird 'n bisschen ruppig, Vorsicht"

Mit einem Ruck ziehe ich an den Schulterschnallen. Versehentlich doller als beabsichtigt. Fay fällt mir ein Stück entgegen, fängt sich aber mit einem großen Ausfallschritt ab. Vorwurfsvoll sieht sie mir in die Augen.

„Ups. Sorry"

Verlegen kratze ich mich am Kopf bevor ich noch die Gurte an den Beinen festziehe.

Während ich so vor ihr hocke blicke ich zu ihr auf, misstrauisch kneift sie die Augen zusammen und wagt vorsichtig einen Blick über die Kante. Ich weiß selber, dass das verdammt hoch ist.

„Keine Panik. Wenn du da hängst, ist das nur halb so schlimm."

Ich klopfe ihr auf den Oberschenkel. Verbissen nickt sie.

Schnell befestige ich die anderen Seile an meinem Klettergurt, den ich selber noch angelegt habe. Eigentlich ist alles bereit für Fays erste Abseilaktion. So begeistert sieht sie allerdings noch nicht aus.

„Alles okay?"

Ich berühre sie am Arm, sie hebt den Blick und nickt entschlossen.

„Ja. Ich schaff das!"

„Das wollte ich hören"

Ich grinse breit und gehe mit ihr auf die Kante zu.

„Stell dich genau so hin... perfekt. Dann lehnst du dich einfach ganz langsam nach hinten. Ich hab dich. Meinen Balkon kennst du. Wenn du dort bist, klinkst du diesen Haken aus und ziehst zweimal am Seil. Bereit?"

Wieder nickt sie. Dann dreht sie sich mit dem Rücken zum Abgrund und sieht mir nochmal eindringlich in die Augen. Sie greift nach dem Seil, geht noch weiter zurück und lässt sich nun langsam nach hinten fallen.

So fest, wie ich Fay halte, hatte ich noch nie jemanden am Seil. Stück für Stück sinkt sie immer weiter nach unten, nur noch ihre Haare gucken ein Stück über die Kante.

„Alles gut bei dir?"

Rufe ich.

„Wow, das ist der Wahnsinn!"

Kommt es zurück.
Perfekt. Wichtig ist, dass sie keine Angst hat.

Während ich Fay immer weiter abseile, lasse ich meinen Blick über die Häuserdächer schweifen, welche mittlerweile in ein sattes Orange getaucht sind. Gerade ist tatsächlich so ziemlich alles perfekt.

Fay, unser Plan die Betas zu zerstören und das Training genau dafür. Mit dem Abseilen wird es heute noch nicht zu Ende sein. Wenn die Sonne komplett weg ist, gehts in die U-Bahn-Tunnel. Schnelles Sprühen, das muss sie auch noch lernen.

Zwei kräftige Rucke am Seil. Nun mein Part. Ich knote ein paar Seile um, schmeiße einen Großteil vom Dach und verbinde das Ende mit einem anderen Seil. Dann seile ich mich ab. Schneller als Fay, aber ich mach das auch nicht zum ersten Mal.

Mit großen Augen guckt mich Fay an, als ich mich auf den Balkon schwinge und noch mit den Füßen im Flug die Tür auf schubse, welche nur angelehnt war. Hach, wie viel Spaß das wieder gemacht hat.

Fay trottet mir hinterher.

„Das war unglaublich"

Strahlt sie mich an. Als Antwort darauf drücke ich ihr einen Kuss auf die Lippen. Danach grinst sie noch breiter und ich habe schon Angst, das gleich ihr Gesicht in zwei Hälften zerrissen wird.

Ich gehe zu einem Schrank im Wohnzimmer und öffne diesen. Etliche Dosen glänzen uns entgegen. Der Rucksack, der unten drin liegt, ist in kürzester Zeit bis oben hin bepackt.

„Nächste Lektion. Du musst schneller im Sprühen werden. Wir gehen zur Abstellanlage Deutz. Trainboming. Schon mal gehört?"

„Ey. Natürlich. Ganz blöd bin ich auch nicht"

Sie zieht eine Augenbraue hoch und legt noch etwas Vorwürflichkeit in ihren Blick. Zufrieden nicke ich.

„Perfekt. Mitkommen"

Ich befehle ihr mit ins Schlafzimmer zu kommen, suche eine alte und relativ kurze Cargohose aus dem Schrank und ein altes schwarzes T-Shirt fliegt hinterher. Das weiße, für ihr Gesicht behalte ich noch solange.

Mit einem Finger bedeute ich ihr, dass sie die Klamotten anziehen soll. Ich drehe mich weg und ziehe mich selber um. Als ich sie wieder ansehe kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ein bisschen unbeholfen steht sie da, aber mit dem fest entschlossenen Gesichtsausdruck, gibt sie das perfekte Bild für eine Sprayerin ab.

Ich gehe auf sie zu, ziehe sie an mich ran und schlinge meine Arme um sie. Heimlich atme ich ihr Parfüm tief ein, bevor ich hinter mich greife und das weiße Shirt hervorhole.

„... und dann machst du so einen Knoten. Verstanden?"

Wie man aus einem T-Shirt eine Sturmhaube bindet weiß sie jetzt auch. Uns steht nichts mehr im Weg.

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