»Das kann alles nicht sein, Leute! In sieben Jahren sind bei uns 10 Leute gestorben. Ich glaubs einfach nicht.« Mr. Chase sieht uns alle wütend an. »Travis!«, ruft er und ein schlaksiger , blonder Mann sieht ihn an. »Ich möchte, dass sie Jeremy Clark und Rosaly Thore von Ms Porter übernehmen. Ich meine, dass sie mit Brooks schon genug zu tun hat. Wenn Brooks auch noch stirbt, müssen wir unsere Abteilung schließen. Leuchtet das ein?« Alle nicken. Ich denke nach. Dann bleiben mir noch Robin und Timber. Es ist wie als ob eine Last von mir abfallen würde- Jeremy und die selbstmitleidige Rosaly standen somit nicht mehr unter meinem Schutz. Und das ist gut. Zwei Sorgen weniger bedeuten, dass ich mich sowohl auf Timber als auch auf Robin mehr konzentrieren kann.
Der Raum ist voller Menschen, von denen ich keinen kenne bis auf Jack, Melissa und Mr Chase. Alle sehen nachdenklich aus. Eben genauso, wie man sich Therapeuten vorstellt: Sorgvolle Miene und in sich gekehrt. Mr Chase läuft auf und ab, scheint in Gedanken versunken. »Wir brauchen viel mehr Kontrollen. Jeder Einzelne von Ihnen muss rund um die Uhr betreut werden. Gleichzeitig. Unsere Aufmerksamkeit muss verdoppelt werden. Sie alle müssen immer ein Auge auf Ihre Patienten haben, verstanden? Wir sollen Menschen helfen und sie nicht einer nach dem anderen verrecken lassen.« Mr. Chase ist komplett in Rage. Dann lässt er sich in seinen Bürosessel fallen und seufzt. »Dann will ich eich nicht weiter von eurer Arbeit abhalten. Geht! Passt auf eure Patienten auf.« Nach und nach verlassen alle den Raum. Ich will gerade dem Strom folgen, als Mr. Chase mich zurückhält. »Miss Porter, ich verlange Ihnen bei Brooks alles ab. Sorgen Sie dafür, dass er normal wird. Unternehmen Sie irgendwas mit ihm, gehen Sie wohin Sie wollen, hauptsache wir können ihm endlich loswerden.« Ich nicke, habe dabei immer noch Robins Worte im Kopf: »Aber glaub mir, wenn ich hier eines Tages entlassen werde, werden die Leute, die mich hierhergebracht haben, dafür bezahlen. Auch wenn es das Letzte ist, das ich tue.«»Sicher, Mr. Chase.«
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»Hallo Timber. Wie geht es dir heute?« Timber sitzt mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett und starrt gegen die Wand. »Mir geht es schlecht. Können Sie mich nicht einfach umbringen?« Der Ausdruck in ihrem kreidebleichen Gesicht wirkt beinahe flehentlich, ihre grauen Augen sind vor Schreck geweitet. Ich setze mich neben sie. »Nein, Timber. Das geht leider nicht.« Ich wollte ihr Trost spenden. Sie ist depressiv auf dem höchsten Niveau, hat sich geritzt, nachdem sie von ihren Eltern Tag für Tag misshandelt worden war, ihre Altersgenossen terrorisierten sie und prügelten sie öfter, sodass sie sogar versucht hatte, Suizid zu begehen. Sie sieht so hilflos aus, und das obwohl sie wunderschön war. »Ich kenne deine Geschichte, Timber. Und mir würde es kein bisschen anders gehen, wenn ich das erlebt hätte wie du. Aber ich würde alles tun, um mein Leben so schön zu gestalten wie möglich.« Sie sieht mich an. »Hör zu, hast du Blätter da?« Sie nickt, steht auf und kramt aus der Kommode neben ihrem Bett ein paar weiße Blätter und eine Dose mit Stiften heraus. Die reicht sie mir. Ich lege die Sachen auf meine Beine.
»Was willst du in deinem Leben erreicht haben?« Timber denkt nach. »Ich wollte schon immer einmal Ärztin werden und in Los Angeles wohnen. Einen Mann finden, heiraten, Kinder bekommen und sie so großziehen wie ich erzogen werden wollte. Ohne Streit. Einfach ein idyllisches Leben führen...« Timbers Augen leuchten und ich meine sogar Hoffnung darin zu erkennen. Ich schreibe alles auf. »Warum ausgerechnet Los Angeles?« Sie zuckt mit den Schultern. »Dorthin kommen die Gewinner. Die, die alles schaffen können.« Ich denke nach. »Und du meinst, dass du woanders keine Gewinnerin sein kannst?«
»Wie soll das gehen? Alles hier erinnert mich an meine Vergangenheit.«
Kurz schweigen wir beide.
»Timber, ich weiß was wir machen. Wir beide versuchen jetzt, deine Vergangenheit als vergangen anzubetrachten, als ein extrem schlechtes Buch. Und wir werden das schaffen. Timber, du wirst alles schaffen, was du willst.
Du musst nur daran glauben und sehen, was in diesem Augenblick passiert und nicht das was möglicherweise passieren könnte.
Der Hauptbestandteil einer geistigen Genesung ist, die Gegenwart nicht aus den Augen zu verlieren, genau wie deine Wünsche und Ziele. Ab jetzt werden wir jeden Tag ein bisschen mehr dafür machen. Bist du damit einverstanden?« Timber sieht mich an und nickt. »Mehr als jemals zuvor.« Ich lächele sie an. Sie erwidert es ein klitzekleines Bisschen. »Aber-« fragt sie. Ich nicke.
»Miss Porter, wer würde schon ein Mädchen lieben, das einen Suizidversuch hinter sich hat.«
»Das sollte dein kleinstes Problem sein. Wenn du das hier schaffst, wird dir die ganze Welt zu Füßen liegen, Süße. Vertrau mir.«
Sie lächelt zufrieden und ich glaube, dass ich den grauen Himmel in ihren Kopf um einen Bruchteil heller gemacht habe.
»Danke, Miss Porter.« »Venice. Nenn mich ruhig Venice. Und keine Ursache. Das ist mein Job. Und ich werde alles dafür tun, dass du ein wundervolles Leben in Los Angeles führen wirst. Als Gewinnerin der Gewinner. «
Sie sieht entschlossen aus. Ich weiß, dass sie auch alles geben wird. Sie ist ein gebrochenes Mädchen. Aber ein starkes. Das einzige, das ich tun muss, ist, ihr ihre Stärke zu zeigen.Ich verlasse Timbers Zimmer und beschließe, eine Runde durch den Wald zu spazieren.
Die Luft ist kalt, aber elektrisierend. Sie gibt mir Kraft. Und das ist das was ich ab heute brauche. Kraft. Ich will Timber und Robin helfen, wobei letzterer wohl schwerer sein wird, als gedacht. Er hat einen starken Charakter. Ich muss stärker sein, um ihn zu knacken. Und um mich nicht noch hals über Kopf in ihn zu verlieben.Nach einer halben Stunde wird es sogar mir zu kalt. Ich gehe zurück zum Gebäude, das schneebedeckt ist und eine bedrohliche Aura ausstrahlt. Ich sehe es an, die Fenster, die barocken Verzierungen, das Dach. Dort ist mein Zimmer. Mein Blick schweift höher. Und trifft auf den von Robin, der mit verschränkten Armen dasteht und mich beobachtet.
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Robin Brooks
Teen FictionVenice Porter hat endlich ihr Studium fertig bekommen- Psychologie. Aber so ganz glücklich ist sie mit ihrem neuen Arbeitsplatz nicht. Nicht nur, dass sie fernab von ihrem Zuhause in Charlottestown arbeiten muss, und dieser Ort wie geschaffen für ei...