Intoxicate

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»Was machst du hier?«, frage ich Robin, der seelenruhig auf meinem Bett sitzt. Er sieht mich aus seinen machtvollen blauen Augen an, die jede einzelne meiner Bewegungen bis ins Genaueste zu analysieren schienen. »Sag du es mir doch. Du bist die Hellseherin von uns Beiden.«  Verdutzt schaue ich ihn an.
»Brooks, ich bitte dich, du weißt genau warum du hier bist, also raus mit der Sprache! Was bringt dich dazu, so seelenruhig in meinem Zimmer zu sitzen?«
Er schweigt kurz. Ich stehe vor ihm und sehe ihn einfach nur an. Ich will nicht dass er geht. Er soll hierbleiben.
Aber das kann ich um Himmels Willen nicht zulassen. Vor allem nicht, nachdem Timber mir erzählt hat, was seinen Therapeutinnen vor mir zugestoßen ist.
»Robin Brooks, antworte mir!«
Er sieht mich weiter an. Keine Frage, dass er gleich einen seiner manipulativen Tricks anwenden wird, um mich aus dem Konzept zu bringen. Er braucht nur eine Taktik.
Aber da hat er seine Rechnung ohne mich gemacht.
Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn auf die Füße. Er ist zwei Köpfe größer als ich. Das nutzt er aus und lächelt mich herrschend an. Ich ignoriere seinen Blick und ziehe ihn hinter mir her.
Ich sollte mir wirklich Handschellen zulegen. Wer weiß schon, wie oft Robin noch auf die Idee kommt, hier aufzukreuzen? Instinktiv ziehe ich stärker an Robins Arm. Seine Muskeln spannen sich unter meiner Hand an. Ich sehe in seine Augen. »Du hast die Wahl, ob du es mir leicht oder schwer machen willst.« Ich grinse. »Aber glaub mir, Freundchen, denk gut darüber nach.«
Er wendet den Blick nicht ab. Ich sehe zurück. Dann seufzt er. »Gut, dann lass uns weitergehen.«
Ein triumphierendes Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht.
Ich bringe ihn zurück in sein Zimmer und schließe die Tür hinter uns ab.
Draußen ist es stockfinster, das einzige Licht erzeugt die schwache Lampe an der Decke. Robin setzt sich auf sein Bett. Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder.
»Willst du mir jetzt sagen, was du in meinem Zimmer wolltest?«
Robin sieht mich an. »Nein. Ich werde dir nicht sagen was ich getan habe.«
Ich streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und das altbekannte Starrspiel beginnt von Neuem. »Robin, was soll das?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich versuche, dich einzuschätzen. Ich habe noch nie jemanden wie dich kennengelernt. Du bist eindeutig zu kompliziert für mich. Und das macht mich verrückt.«
Ich lächele ihn nonchalant an. »Du bist sowieso verrückt, Brooks. Mach dir nichts draus, deshalb bin ich ja da. Und glaub mir, Brooks, ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dich zu heilen.« Er hebt provokant eine Augenbraue an. Amüsiert. Beinahe spöttisch. Er will mich verärgern. Aber das wird er nicht. »Du denkst wirklich, du schaffst es, mich normal zu machen?«. Ich stellte mich vor ihn. »Nein. Das glaube ich nicht. Ich weiß es .« Er steht auch auf. Schon wieder.
Er sieht mich drohend an. Es scheint, als würde ein Feuer in seinen Augen brennen, ein Brand hinter der Fassade. Ein Brand in ihm.
Doch abgesehen von seinem Blick strahlt er Ruhe, Kontrolle aus. Er atmet schwer. »Sei dir nicht so sicher, Venice. Unterschätze mich nicht. Ich mache mir auch noch ein weiteres Mal die Hände schmutzig. Und ich mache es mit einem Lächeln im Gesicht.« Ich nicke. »Und du solltest mich auch nicht unterschätzen, Brooks. Ich habe Mittel und Wege, dich aus dem Verkehr zu ziehen. Das bedeutest, dass du einfach mal so drei Monate im REM- Schlaf liegst , wenn du mir nochmal drohst, verlass dich drauf. Und für dich bin ich immer noch Ms. Porter.« Robin beginnt immer stärker zu atmen, seine Wut war ihm ins Gesicht geschrieben. Er macht einen Schritt auf mich zu, ich einen zurück. Und dann stehe ich mit dem Rücken zur Wand. Robins Gesicht entspannt sich wieder.
Hinter mir die kahle Wand und vor mir der gutaussehende Psychopath mit dem Wunsch, mich umzubringen. Einmal mehr.
Einmal mehr auch stützt er sich mit den Armen links und rechts neben mir ab. Die Luft zwischen uns ist wie elektrisiert. Jedes Voltmeter wäre überlastet.
Ich mache keine Anzeichen, ihn wegzustoßen und er auch keine, mich gehen zu lassen. Er mustert mich einfach. Ich lasse es zu. Mein Blick fällt auf seine perfekten Lippen. Sie verziehen sich zu einem Lächeln. Ich sehe kurz weg und beiße auf meine Unterlippe. Dann schaue ich in seine Augen, sie sind dunkler wie sonst, ein gefährliches, aufbrausendes Meer. Ich hätte keine Scheu dort zu sein. Er nähert sich mit seinem Gesicht. Der Abstand zwischen uns ist minimal. Die Gefahr aber umso größer. Doch es macht mir nichts aus. Seine Anziehungskraft auf mich zeigt sich stärker als sonst, mein Herz pocht wie wild. Er kommt immer näher. Er atmet immer noch schwer, aber nicht mehr vor Wut.
Einfach nur er und ich, wie wir dort stehen. Es spielt keine Rolle, dass er der Psychopath ist. Zumindest im Moment nicht. Zumindest für mich nicht. Ich kann ihn nicht entziffern, aber das spielt im Moment keine Rolle. Zumindest für mich nicht.
»Und wenn es das Letzte ist, das ich tue. «

Ich kann nicht anders, ich hebe vorsichtig meine Hand und berühre seine Wange. Die Zeit scheint stillzustehen, die Zeiger der Uhr wie eingefroren. Er schließt die Augen unter meiner Berührung. Dann ziehe ich meine Hand wieder zurück.
Robin seufzt.
Er kommt immer näher. Dann lehnt er sein Gesicht neben meins.
»Es tut mir Leid, Ms. PorterDas kommt nicht mehr vor.«
Er verharrt noch einige Sekunden in dieser Position, ich spüre seinen ungleichmäßigen Atem. Dann löst er sich von mir, wendet sich ab und stellt sich ans Fenster.
Ich brauche eine Minute, um mich zu beruhigen. Ich muss hier weg.
»Gute Nacht, Robin. Wir sehen uns Morgen wieder.«
Er steht weiter am Fenster, stumm, ignoriert mich. Ich kann es ihm nicht verübeln. Mir würde es genauso gehen.
Ich verlasse den Raum und kontrolliere alle Schlösser doppelt.
In meinem Zimmer angelangt, setze ich mich auf mein Bett.
Dabei stelle ich mir immer wieder die Frage:
Was wollte Robin wirklich hier?

Robin BrooksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt