Ich merke, wie blanke Panik in mir aufkeimt. Es ist mehr als klar, dass diese Hände nicht zu Timber gehören können. Mein Herz beginnt zu rasen. Ist die Zeit etwa jetzt schon gekommen? Ich will meine Augen nicht öffnen, um nicht sehen zu müssen, was sich unvermeidlich gerade um mich herum abspielt. »Timber? Was läuft hier?« Ich will mir nicht anmerken lassen, wie panisch ich bin, doch an der Tatsache, dass meine Stimme beinahe abbricht ist unschwer zu erkennen, dass ich Angst habe. Timber lacht. »Ich würde mal sagen, eine sehr gelungene Überraschung.« Der Druck an meinen Handgelenken lässt nicht nach. Ich kann mich nicht bewegen, reglos verharre ich auf dem Stuhl. »Mach doch die Augen auf, Venice. Oder hast du etwa Angst?« Die Schadenfreude in ihrer Stimme ist nicht zu hören. Langsam öffne ich meine Augen. Genau vor mir steht Robin. Neben ihm Timber. »Was läuft hier?«, wiederhole ich im Versuch, meine Stimme nicht allzu ängstlich klingen zu lassen. Robin lacht. »Ach, komm schon, Venice. Wir würden dir niemals die Überraschung verderben wollen. Lehn dich einfach zurück und genieß es- wenn du kannst.« Auf einmal bekommt Robins Stimme einen eigenartigen Klang. In diesem Moment behaupte ich, dass er verrückt ist. Sein Grinsen, sein Blick, die Art wie er sich bewegt... das macht mir alles Angst. Und Timber?
»Was hast du damit zu tun, Timber?« Timber streicht sich ihre langen Haare hinter ihr Ohr. Auch ihr Blick ist mit einem Mal kalt und fremd. »Venice, du bist einfach viel zu naiv. Merkst du denn gar nicht, dass ich alles nur vorgetäuscht habe? Gib es doch einfach auf! Niemand würde einem Psychopathen vertrauen. Aber du bist gleich auf zwei hereingefallen. Findest du das nicht etwas erbärmlich?« Ihre Stimme ist schneidend. Es ist beinahe nur ein Zischen. »Was meinst du damit?« Ich versuche das, das als nächstes passiert, herauszuzögern.
»Naja... ich brauchte nicht mehr als meine jugendliche Unschuldigkeit, um dich herumzukriegen. Ein bisschen Mitleid anfackeln, fertig. Und Robin? Es ist wohl kaum zu übersehen, dass du ihn attraktiv findest. Dass du dich zu ihm hingezogen fühlst. Genau das hat er sich Zunutze gemacht. Ja. Und jetzt bist du hier, gefesselt, wehrlos wie ein Fisch auf dem Trockenen. Das ist ja wie in einem schlechten Horrorfilm, oder Robin?« Timber stößt ein falsches Lachen aus, sie wird immer hysterischer. »Nur dass leider niemand da ist, um dich zu retten...«
Robin steht an der Wand und grinst. Meine Angst verwandelt sich in kochende Wut. Ich drehe meine Handgelenke, versuche, sie Robins starkem Griff zu entreißen, aber Robin ist einfach stärker als ich. Als er ihn noch verfestigt, stoße ich einen frustrierten Schmerzschrei aus. Ich kann mich doch nicht einfach so kampflos ergeben!! Ich stehe auf und versuche einige Schritte nach hinten zu gehen, reiße meine Arme immer wieder ruckartig zurück. Aber es bewirkt nur, dass ich noch mehr Schmerzen bekomme. Timber läuft mit entschlossenen Schritten auf mich zu und packt meine Haare. Sie zieht so kräftig daran, dass ich Angst habe. Und ein stechender Schmerz macht sich auf meiner Kopfhaut breit, der mir die Tränen in die Augen treibt. Aber was solls? Was bringt es noch, die Tränen zurückhalten zu wollen? Der Rest meiner Würde ist sowieso hin. Also sitze ich da, mit schmerzenden Armen, schmerzendem Kopf, weinend, niedergeschlagen, verängstigt. Sie sollten es schnell hinter sich bringen. Sie haben mich da, wo sie mich haben wollen, in ihrer Falle, und niemand, der mir helfen kann. Oder? Ich lasse einen Schrei los. Ein Kreischen, beinahe nur ein schmerzverzerrtes Krächzen, aber es ist laut. Laut genug. Timber reißt ihre Augen weit auf und tritt mich. »Hör auf zu schreien! Lass das!!!«Ich schreie weiter, koste es, was es wolle. Der Griff in meinen Haaren wird fester, Timber wird unruhig. Von ihrer selbstsicheren Art ist nicht mehr viel übrig. Nach einiger Zeit beginnt mein Hals zu schmerzen, und ich bekomme kaum mehr als ein heiseres Atmen heraus. Mir tut alles weh. Ich will gerade aufgeben, als die Tür aufgestoßen wird. Alex. Er steht kurz wie angewurzelt da, bevor sich etwas ändert. Sein Blick wird wütend. Er geht auf Timber zu, die in ihren Bewegungen eingeschränkt ist, weil sie immer noch versucht, mich am Boden zu halten. Aber Alex ist stärker als sie und packt sie fest um die Hüfte, löst ihre Hände aus meinen Haaren und schleift sie auf ihr Bett. In der nächsten Sekunde steht er vor Robin und versucht auch hier, krampfhaft seine Hände von meinen Handgelenken zu lösen, doch Robin lässt nicht locker. Alex atmet schwer, er ist nicht mehr der entspannte, optimistische Alex, den ich kenne, sondern sehr viel aggressiver. Er holt aus und schlägt Robin mit der Faust ins Gesicht. Robin lässt einen Schmerzenschrei los und ich nutze den Augenblick seiner Abgelenktheit und entreiße ihm meine Hände. Dann stürme ich mit Alex aus dem Zimmer, schlage die Türe zu und schließe sie vierfach ab. Alex steht schockiert vor mir. Er scheint erst jetzt wieder zu Sinnen gekommen zu sein. Er zieht mich in eine Umarmung. Ich fühle mich elend, hintergangen, verletzt. »Danke«, krächze ich. Ohne Alex wäre ich vermutlich tot. Er nickt. »Das ist gar keine Ursache... ich war zufällig hier, um das Frühstück auszuteilen... dann habe ich gemerkt, dass Robin nicht in seinem Zimmer ist. Als ich dann hier entlangekommen bin, habe ich dich schreien gehört. Gott sei dank...« Er seufzt. »Das Schicksal meint es gut mit dir, Kleines.« Ich nicke. Langsam kann ich wieder klarere Gedanken fassen. Wie soll es jetzt weitergehen? Ich kann ihnen nicht ewig aus dem Weg gehen. Aber ich will es. Meine Angst vor ihnen ist gewachsen, ihr Respekt vor mir, wenn sie denn je einen hatten, ist verschwunden. Alex begleitet mich in mein Zimmer. Ich werfe einen flüchtigen Blick in den Spiegel, ich sehe schrecklich aus. Mein Haar ist vollkommen zerzaust, mein Gesicht gerötet. »Venice... du solltest dich erholen. Versuche dich abzulenken. Ich werde Mr. Chains vorerst bitten, deine Patienten in ihre eigenen Zimmer zu verweisen. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.« Ich nicke. Alex zieht mich in eine weitere Umarmung. »Wir schaffen das, Venice. Mach dir keine Gedanken.«
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Robin Brooks
Teen FictionVenice Porter hat endlich ihr Studium fertig bekommen- Psychologie. Aber so ganz glücklich ist sie mit ihrem neuen Arbeitsplatz nicht. Nicht nur, dass sie fernab von ihrem Zuhause in Charlottestown arbeiten muss, und dieser Ort wie geschaffen für ei...