Fear

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Die Sekunden verstreichen kaum. Ich sitze einfach da und versuche darüber nachzudenken, was passiert ist. Mit jedem Mal macht es mir mehr Angst, sie machen mir mehr Angst. Ich traue mich nicht mehr, zu ihnen zu gehen, denn sie bescheren mir Todesangst. An meinen Handgelenken haben sich groß violette Flecken gebildet, die bei jeder Berührung schmerzen, genauso wie meine Kopfhaut. Wer sagt, dass es nicht wieder so kommen könnte? Ich kann Robin nicht einschätzen, und er hat mir bewiesen, dass er zu mehr fähig ist als gedacht. Und Timber- ich bekomme eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dass ich sie in meine Familie gelassen habe, ihr meine Privatsphäre offenbart habe. Wieso ist sie so ein Monster? Natürlich. Es war Robin. Er hat sich in ihr Unterbewusstsein geschlichen und ihr diese Gedanken bereitet.
Meine Angst verwandelt sich in Zorn. Wie kann er zu so etwas fähig sein?
Und ich beschließe, Robin noch einen kleinen Besuch abstatten. Diesmal besser vorbereitet. Soweit ich weiß, hat Mr. Chains ihn bereits in ein anderes Zimmer verlegt, im Keller, besser abgekapselt von den anderen. Von Timber.
Ich greife nach einem Seil und mache mich auf den Weg. Der Korridor im Keller ist kalt, sehr alt und heruntergekommen. Ein klassischer Korridor einer Psychiatrie. Und ganz am Ende dieses Korridors leuchtet eine kleine Lampe, die die Zimmertür nur spärlich beleuchtet. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf sie zu, etwas ängstlich und auf alles vorbereitet.
Bis ich auf einmal meinen Namen höre.
»Venice. Venice.« Ich drehe mich um. Zwanzig Meter hinter mir kann ich die Silhouette eines Mannes ausmachen. Aber wer ist er??
»Wer ist da?«, rufe ich, mit festerer Stimme als erwartet.
»Venice- warte...« Auf einmal bewegt der Mann sich auf mich zu. Je näher er kommt, desto bekannter kommt er mir vor. Die Gangart, die Statur... das ist Jack. Jack läuft mit schnellen Schritten auf mich zu, ein besorgter Blick streift mich flüchtig, bevor er sich mir in den Weg stellt.
»Du kannst nicht zu Robin.«, sagt er. Er wirkt überzeugt und geladen.
»Und wieso nicht?«, frage ich forsch und eine Spur zu bissig.
Er runzelt die Stirn.
»Du kannst es einfach nicht lassen. Nicht nur dass du dich immer in Gefahr begeben musst, nein. Du gehst zu Robin Brooks an dem Tag, an dem er dich beinahe umgebracht hat. Hast du denn gar keine Angst??« Ich denke nach.
»Nein, eigentlich bin ich nur ziemlich wütend und würde gerne ein ernstes Wörtchen mit ihm bereden.«
Jack lacht spöttisch. Sein Blick ist beinahe abwertend. »Venice. Hast du es immer noch nicht verstanden? Es ist Robin Brooks. Er hat zwei Menschen durch seine Manipulation in den Tod getrieben. Denkst du allen Ernstes, dass er dich verschonen würde? Du gehst nicht zu ihm. Ende.« Ich ziehe scharf die Luft ein.
Jack hat ja auf eine gewisse Art Recht. Aber wenn ich jetzt nicht mit Robin rede, jetzt, wo ich mich so geladen und mächtig fühle, dann gar nicht mehr.
»Jack, lass mich sofort durch. Es ist mein Patient, und du hast dich nicht einzumischen, wie ich mit ihm umzugehen habe.«
Jetzt lacht Jack laut los, was in der Abgeschiedenheit des Kellers so fehl am Platz wirkt.
»Hat es dir Mr. Chains noch nicht erzählt? Venice Porter, Robin Brooks ist nicht mehr dein Patient. Er wurde mir zugeteilt.« Diese Nachricht trifft mich wie ein Fausthieb. Es fühlt sich an, als wäre mein gesamtes Blut in die Beine geschossen. Ich kann nichts erwidern. Robin ist nicht mehr mein Patient. Er ist nicht mehr mein Patient. Nicht mehr mein Patient.
Egal wie oft ich diese Worte wiederhole, sie erreichen mein Bewusstsein nicht. »Alles in Ordnung, Venice?«, fragt Jack auf einmal besorgt.
Ich nicke langsam.
»Ja. Alles okay. Ich- Ich glaube ich muss gehen.«

In dieser Nacht finde ich nur schwer Schlaf, bis ich endlich in einen schweren, traumlosen Schlaf falle. Diese Stille. So angenehm. Einfach nur Ruhe. Mehr nicht. Ruhe.... auf einmal vernehme ich ein Geräusch. Es klingt wie eine Tür, die leise geschlossen wird. Ich schrecke hoch. Vor meinen Augen bilden sich weiße Punkte, bis sie sich langsam an die Dunkelheit gewöhnen. Ich sehe die Umrisse meiner Möbel, was nichts ungewöhnliches ist. Das einzige Ungewöhnliche an dieser Situation ist der Schatten am Fußende meines Bettes. Ich knipse mein Nachtlicht an.
Mir entflieht ein hoher Schrei, als ich erkenne, was der Schatten ist. Oder besser gesagt, wer. Denn dort steht er. Robin Brooks.
Instinktiv schiebe ich meine Hände unter die Decke, doch sein Blick bleibt ausdruckslos. »Was willst du hier?«
»Wie geht es deinen Handgelenken, Venice.« Wie er es aussprach, klang es nicht wie eine Frage, sondern wie eine Bemerkung.
»Robin, antworte mir.« Sein kalter Blick trifft auf meinen und löst eine Adrenalinwelle in mir aus. Was hält ihn schon davon ab, mir den Garaus zu machen? Es ist doch niemand da, der mir helfen könnte. Nicht mal Alex. »Ich wollte nach dir sehen.« Schlagartig kehrt die Wut vom Mittag zurück. » Ist das dein Ernst?!« Ich stehe auf und baue mich vor ihm auf, mache mich so groß wie es geht und richte meinen Blick auf seinen. »Robin Brooks, heute morgen noch warst du drauf und dran, mich umbzubringen und jetzt machst du gute Miene zum bösen Spiel und willst wissen, wie es mir geht?«  Ich lache. »So haben wir nicht gewettet, mein Freund. Leg dich an mit wem du willst, aber pass auf wenn du an mich gerätst. Ich lasse mich nicht so einfach umbringen!«
Robin legt ein nonchalantes Lächeln auf seine Lippen, es sieht beinahe aus, als würde er müde lächeln. »Ach, Venice. Es tut mir so Leid.« Bevor ich etwas erwidern kann, legt er seine Lippen auf meine und küsst mich. Im ersten Moment ist es ein Schock, doch im nächsten Moment fühlt es sich an, als würden tausende von Flammen gleichzeitig durch meinen Körper jagen. Ich vergrabe meine Hände in seinem Haar und vertiefe den Kuss. Ich merke, wie Robin mich zur nächsten Wand drängt, mein Gesicht in seine Hände nimmt und mich immer weiter küsst. Dann lässt er kurz ab, aber weicht keinen Zentimeter von der Stelle. Wir schnappen beide nach Luft.
»Venice, bitte. Komm mit mir mit. Lass uns gehen. Weit weg von hier. Nur du und ich.«

Robin BrooksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt