»Also, Timber.« Ich lehne mich in meinem Stuhl, den ich gegenüber von ihr aufgestellt habe, zurück und sehe sie herausfordernd an. Meine Angst gegenüber ist wie weggeblasen, das einzige, dass ich ihr gegenüber empfinde ist Abscheu. Ohne dass ich es kontrollieren kann. Timber kneift ihre grauen Augen zusammen. »Wie fühlt sich das an? Mit fünfzehn Jahren zu versuchen, einen Menschen zu ermorden? Hm?« Ich lege meinen Kopf schräg und mustere sie. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«, erwidert sie kalt. Ich schüttele meinen
Kopf. »Bitte, Timber. Sags mir. Streite es nicht ab.« Mit einem Handwinken betone ich meine Worte. »Und außerdem ist Einsicht der erste Weg zur Besserung.« Sie seufzt nochmal kurz auf. »Du willst wissen wie sich das anfühlt? Es ist ein Adrenalinkick. Es bringt dir Herzrasen. Glück. Und dann bist du ganz anders. Und du verbirgst dich hinter deiner kalten Maske, während du innerlich überschäumst vor Glück...« Ein irres Grinsen macht sich auf ihrem Gesicht breit. »Gut, das ist genug Information. Ich hoffe du hast noch viel Spaß mit deinen Gedanken, Kleines.« Ich stehe auf und verlasse den Raum mit gemischten Gefühlen. Timber ist vollkommen verrückt. Und einen großen Teil der Schuld führt auf Robin zurück. Während ich den großen, geräumigen Korridor entlang laufe, überlege ich. Ich habe noch gute 30 Stunden bis ich Robin eine Antwort geben muss, aber bis jetzt schwankt meine Einstellung. Es ist Robin Brooks! Allein das schlägt mich aus der Bahn. Würde ich es überhaupt schaffen? Und was käme danach? Wie hoch ist das Risiko, dass das wieder eine seiner Fallen ist oder dass ich umkomme? Nein. Ich denke an den Kuss und meine Knie werden weich. Der Kuss... diese Intensität, diese tausend gleichzeitigen Gefühle, dieses Chaos... unbeschreiblich.
Ich erreiche meinen Korridor. Ich muss mit jemandem reden. Irgendjemand muss mir helfen, und zwar eine Freundin. Jemand, der nachvollziehen kann, wie ich mich fühle, so absurd es ist. Und meine Gedanken fliegen zu Melissa. Und ich weiß genau, an wen ich mich wenden muss. Mit schnellen Schritten laufe ich beide Treppen hinunter bis ich auf die Ebene von Melissas Büro komme. Ich gehe vorsichtig zu ihrer Tür und klopfe an.
»Ja, herein!« Melissa klingt beschäftigt. Ich ziehe die schwere Holztür auf und begebe mich ins Innere des Zimmers. Melissa hebt den Kopf, ihr braunes Haar hat sie zu einem unordentlichen Knoten auf ihrem Kopf gezwängt. Ihr Gesicht erhellt sich. »Venice! Was für eine Überraschung, dass du dich mal blicken lässt. Ich habe dich ja ewig nicht mehr gesehen! Wie gehts dir? Hast du dich erholt?« Melissa bricht in einen Redeschwall aus. »Ja, ja, und ja. Aber Melissa, ich brauche dich für etwas anderes. Du musst mir helfen. Bei einer sehr wichtigen Entscheidung.« Melissas Augen leuchten. »Klar, schieß los!« Ich zögere. »Aber es ist ziemlich wichtig, dass es unter uns bleibt, in Ordnung?« Nun runzelt Melissa die Stirn. »In Ordnung, ich verspreche es. Was ist los?« Ich schließe die Tür und setze mich auf den Platz gegenüber von Melissa. Sie hat ihren Kopf auf ihren Händen abgestützt und mustert mich interessiert. »Es geht um Robin.« Nach diesen vier Worten reißt Melissa die Augen auf. »Was ist passiert?«
Ich hebe die Hände.
»Ich rede ja schon. Aber du musst es mir glauben.«
Sie nickt. »Also Robin.«
»Ja, Robin. Dass das ich dir jetzt erzähle, ist wirklich merkwürdig. Aber ich brauche deine Hilfe.«
Dann beginne ich zu erzählen. Und ich lasse keine Einzelheit aus. Vom ersten Moment an bis zu dem Augenblick, in dem er mich letzte Nacht verlassen hatte, mich meiner Entscheidung überlassen hat. Melissa sitzt vor mir und mit jedem neuen Satz, den ich beende, wird sie blasser. Irgendwann komme ich zum Schluss. Melissa lehnt sich zurück und sieht mich an. Sie überlegt. Die Minuten verstreichen und ich werde nervös. War es falsch, dass ich sie eingeweiht habe. Dann räuspert sie sich. »Also, Venice, es tut mir Leid. Aber sei froh, dass du dich an mich gewandt hast. Ich glaube dir. Ich bin länger hier, als Robin es ist. Glaub mir, er hat sich kein bisschen verändert. Er manipuliert, trickst und belügt Leute rund um die Uhr. Aber so etwas... hat er wirklich noch nie gebracht. Entweder hat er einen extrem ausgeklügelten Plan, oder... ihm liegt sehr viel an dir.« Innerlich schlage ich Saltos. Wenn sie das Ernst meint... »Aber pass auf dich auf. Ich will nicht, dass dir etwas Schlimmes passiert.« Ihr Blick bekommt einen mahnenden Unterton. Ich nicke. »Und was meinst du?« Sie grinst auf einmal.
»Venice, tu was du willst. Mach das was dich glücklich macht. Auf mich kannst du zählen.«
Ich lächele zurück. »Danke.«
Sie nickt.
»Innerlich finde ich, dass du echt ziemlich Glück hast. Außerdem....«
Ihr Grinsen wird breiter.
»Ist es Robin Brooks.«
DU LIEST GERADE
Robin Brooks
Teen FictionVenice Porter hat endlich ihr Studium fertig bekommen- Psychologie. Aber so ganz glücklich ist sie mit ihrem neuen Arbeitsplatz nicht. Nicht nur, dass sie fernab von ihrem Zuhause in Charlottestown arbeiten muss, und dieser Ort wie geschaffen für ei...