Old Stories

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»Dad, was zum Teufel machst du hier?!«
Verdutzt starre ich ihn an, er scheint sehr gealtert zu sein und sein Gesicht zieren viele Fältchen. Er lächelt nervös und tritt zur Seite, um uns Einlass zu gewähren. »Nur hereinspaziert, die Lieben. Hallo, mein Name ist Carl Porter, ich bin Venice'... Vater.« Timber sieht uns unsicher an, sie ahnt, dass meine Beziehung zu Dad nicht die beste ist. Und das hat auch seine Gründe. Ich laufe achtlos an ihm vorbei. Der Hausflur hat sich kaum verändert seit ich ausgezogen bin. Die Wände sind immer noch in dem selben weißen Ton gehalten, der in beige übergeht, die Wände sind immer noch übersät mit Bildern, Gemälden und Fotos: von Mom und Dad, mir und meinem älteren Bruder Matt.
Ich betrete unsere Küche, die mich in ihre warme, herzliche Aura aufnimmt und auf dessen Eckbank, vollkommen in ein Buch vertieft, meine Mutter sitzt. »Hallo, Mom!« Erschrocken hebt meine Mom ihren Kopf und in der nächsten Sekunde lächelt sie, kommt auf mich zu und umarmt mich. »Venice, du bist es wirklich...« Ihr Blick fällt auf Timber und sie verkrampft leicht. »Nanu, wer bist du denn?« Nervös lächelnd geht sie auf Timber zu, die eingeschüchtert neben meinem Vater steht. »Das ist Timber, eine meiner Patientinnen. Ich habe ihr Charlottestown gezeigt und wollte euch auf dem Weg besuchen.« Mom wirft mir kurz einen mahnenden Blick zu bevor sie wieder lächelt. »Na dann mache ich wohl lieber schnell Tee, was?« und stellt sich an die Theke. Wenn Mom Tee macht, dann greift sie nicht einfach nach heißem Wasser und Teebeuteln, nein. Tee machen ist bei ihr eine lange Prozedur, in die sie viel Liebe steckt. Timber und ich setzen uns unterdessen. Dad will sich gerade in Bewegung setzen. »Nein, Dad. Für dich ist hier kein Platz.«  Kurz flammt etwas wie Gekränktheit in seinen Augen auf, bevor er nickt und sich an die Wand lehnt. »Wie geht es Matt?«
»Ach, Matt geht's super. Er ist gerade oben, zufälligerweise hat er sich genau heute dazu entschlossen, uns auch mal wieder zu besuchen, richtig, Carl?«  Sie lächelt. Freude keimt in mir auf. »Matt ist HIER?!« Ich will aufspringen und zu ihm rennen, aber das kann ich weder Mom noch Timber antun. Ich kenne Moms Einstellung zu meinem Beruf. Es grenzt an ein Wunder, dass sie mich nicht schon lange mit einem Besen verscheucht hat. Das kann aber auch daran liegen, dass wir uns ewig nicht gesehen haben.
Als Matt das Zimmer betritt, springe ich auf und falle ihm um den Hals. »Matt!« Seine blaugrünen Augen sind vor Schreck geweitet, doch dann beginnt er zu strahlen. »Schwesterherz, na? Wie gehts dir?« Ich setze mich zurück zu Timber, auf das rot-weiß gepunktete Muster des Kissens unserer Eckbank. »Mir geht es sehr gut. Das ist übrigens Timber Ashton, eine meiner Patienten. «
Matts Blick verfinstert sich etwas. Er nickt Timber zu. »Hallo. Freut mich, dich kennenzulernen.«

Wir bringen die nächsten zwei Stunden damit zu, zusammen zu sitzen und über meine Arbeit zu reden. Über Robin, Timber, über meine Kollegen und alles weitere.
»Ich freue mich wirklich, dass es dir gefällt, Venice- Schatz.« Moms friedliche braune Augen wandern zu Timber, die sehr glücklich aussieht. Es scheint ihr gut zu tun, in einer anderen Gesellschaft als ihrem Zimmer und den Stimmen in ihrem Kopf zu sein.

»Danke für die schöne Zeit.«, sage ich, als wir uns verabschieden. Dann gehen Timber und ich zu meinem Wage , steigen ein und treten den langen Weg zurück an.
Lange sagt niemand von uns etwas. Wir sehen nur auf die schier unendliche Straße vor uns, die nahende Dunkelheit und auf die Ereignisse des Tages. »Danke, Venice. Danke, dass du mir so sehr vertraust, dass du mich deiner Familie vorstellst.« Ich nicke. »Das ist kein Problem. Ich weiß, dass du das brauchst.« Dann ist es wieder still.
»Was ist eigentlich mit deinem Vater?« Ich schnaufe, als sie ihn erwähnt.  »Das ist eine lange Geschichte. «
Timber nickt.
»Mein Vater war nie für mich da, wenn ich ihn gebraucht habe. Er war einer der schlechtesten Menschen, die ich kenne, unfreundlich, nie zu Hause. Er hatte immer etwas an Matt und mir auszusetzen, war alkoholabhängig und hat nie eingesehen, wenn er im Unrecht war. Und... ja das alles hat sich zusammenaddiert und hat mich fertig gemacht. Irgendwann habe ich rebelliert. Er war kein Vater für mich, er war mein Gegner. Wegen ihm habe ich angefangen, viel mehr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufzubauen.
Und dann- eines Tages- verschwand er. Er war einfach weg, ohne jegliche Spur.«
Timber sieht mich an. »Das klingt traurig.«
Ich sehe kurz zurück.  »Ja. Das war es auch.«

Endlich erreichen wir wieder die Anstalt. Ich bringe Timber zurück in ihr Zimmer, kontrolliere das Türschloss und gehe in mein eignes Zimmer.
Dort werde ich scheinbar schon erwartet.
»Na endlich, Venice. Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr zurück.«

Robin BrooksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt