Schmerzhafte Funkstille

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Als ein Wecker am anderen Morgen klingelte, war das Erste was ich wahrnahm, das ein Arm um mich geschlungen war. Ein muskulöser und Tätowierter. Und dann erinnerte ich mich langsam wieder was gestern Nacht, als ich nach Hause gekommen war, alles passiert war.
Es war kein Traum gewesen.
Tyler und ich hatten uns wirklich geküsst. Und er hatte sogar in meinem Bett geschlafen und mich gehalten als wäre ich das einzige Mädchen für ihn.
Dabei wusste ich, dass Tyler sich niemals mit nur einem Mädchen zufriedengeben würde. Er würde sich nicht ändern. Das hatte er selbst mir schon direkt ins Gesicht gesagt.
Ich musste es wirklich endlich schaffen, ihn wieder aus meinem Leben zu schieben. Das war das Beste für mich und mein Herz, das sich mit jedem Mal in dem ich Tyler wieder sah, er wieder bei mir war, mehr und mehr in ihn verliebte.
Ich war nicht so ein Mädchen, das sich mit einer heißen Affäre zufriedengab. Und mehr würde Tyler nicht wollen. Er würde schnell genug von mir bekommen. Vor allem weil ich absolut unerfahren war. Am Ende hätte er mich komplett zerstört.
Meine physische Verfassung würde endgültig zusammenbrechen. Und das konnte ich nicht zulassen. Viel mehr ich durfte es nicht zulassen. Das war meinen Eltern gegenüber nicht fair.
Es war das Beste ihn aus meinen Leben zu schieben.
Aber wieso fiel es mir so verdammt schwer?
Tyler löste sich von mir und setzte sich auf.
Ich hatte damit gerechnet. Am anderen Morgen sah alles wieder anders aus.
Und das verletzte mich wirklich.
„Ich fahr dich zur Arbeit", sagte er.
Ich setzte mich auf.
„Das musst du nicht", brachte ich mühsam heraus.
„Ich fahr sowieso vorbei."
Ich erwiderte nichts mehr darauf. Ergab mich einfach. Mit ihn zu diskutieren, dazu hatte ich keine Kraft.
Ohne ihn anzusehen, was mir wirklich schwerfiel, erhob ich mich. Ich sammelte meine Klamotten vom Boden auf, holte frische Unterwäsche aus meinen Kleiderschrank und hastete aus dem Zimmer Bei jeder Bewegung spürte ich den Blick von Tyler auf mir.
Doch ich konzentrierte mich alleine darauf, nicht in Tränen auszubrechen.
Als ich die Türe hinter mir geschlossen hatte, lehnte ich mich kurz dagegen und atmete tief durch.

Tyler wartete wirklich auf mich, dabei hatte ich gedacht, dass er verschwinden würde während ich im Badezimmer mich fertigmachte. Tat er aber nicht.
Allerdings sah er mich kein weiters Mal an. Geschweige sprach er noch einmal mit mir.
Es herrschte Funkstille zwischen uns.
Eine Funkstille die mein Herz mit jeder Sekunde noch mehr zerbrechen ließ.
Die Fahrt von meinem Zuhause zum Dinner kam mir ewig vor. Ich war wirklich erleichtert als Tyler davor hielt.
„Danke fürs Fahren", räusperte ich mich.
Er nickte dazu nur, sah mich dabei nicht an und ich stieg leicht zitternd aus.
Kaum hatte ich die Türe hinter mir zu gemacht, fuhr er auch schon los.
Ich schluckte schwer und ging in den Dinner, gleicht nach hinten zum Personalraum.
Dort lehnte ich mich gegen meinen Spind und ließ für einen Augenblick den Schmerz zu. Denn ich wusste, irgendwann würde ich es nicht mehr kontrollieren können. Alles, was ich verdrängte hatte würde an die Oberfläche kommen und dann war ich verloren. Ich würde zusammenbrechen.
Also ließ ich es einen Augenblick zu. Dass sich mein Herz etwas erleichtert konnte.
Mehr als einen Moment ließ ich aber nicht zu. Ich riss mich zusammen und ging an die Arbeit.
Ich konnte allen schon immer gut vortäuschen das alles mit mir in Ordnung war. Eine Gabe dir mir wirklich half. Besonders weil ich es hasste wenn sich jemand Sorgen um mich machte.
Und das würden alle wenn sie wüssten wie es mir in Wahrheit ging.
Besonders jetzt bei der Sache mit Tyler.
Ich hatte viel zu schnell, viel zu starke Gefühle für ihn entwickelt.
Ich konnte es gar nicht glauben, dass ich mir das Selbst angetan hatte. Denn das es mir so schlecht deswegen ging, war alleine meine eigene Schuld. Das wusste ich. Er hatte mich vorgewarnt und ich hatte es ignoriert.
Aber das würde jetzt aufhören.
Ich musste wieder meine Fassung finden.
Die Arbeit lenkte mich da wirklich gut ab. Sie half mir dabei.

„Ich bin froh, dass das was auch immer zwischen Tyler und dir lief vorbei ist", sagte meine Cousine irgendwann zu mir.
Mittlerweile war eine Woche vergangen, seit der Nacht in der Tyler neben mir geschlafen hatte. Eine Woche in der absolute Funkstille herrschte. Es tat immer noch weh wenn ich daran dachte. Aber ich kam damit nun klar. Ich hatte es geschafft, damit zu leben. Wie ich es auch geschafft hatte mit dem Schmerz des Verlustes meiner Eltern zu leben.
Tyler war mir während der Woche ein paar Mal begegnet, zumindest war er mit seinem Mustang an mir vorbeigefahren.
Aber er ließ mich in Ruhe. Und ich konnte mein Leben weiterleben, als wäre nie etwas zwischen ihm und mir passiert.
Als würden wir uns nicht näher kennen.
Was das Beste war.
Rory saß an der Küchentheke und aß ihr Müsli.
Ich hatte gerade mein Geschirr in die Spülmaschine gestellt.
Für eine Sekunde zog sich in mir alles zusammen, doch ich konnte es unterdrücken und tat so als wäre es mir egal.
Ich zuckte gespielt gleichgültig mit meinen Schultern, ohne sie dabei anzusehen.
„Es lief ja auch nichts zwischen uns", meinte ich dann.
„Sei froh", erwiderte Rory und aß munter ihr Müsli weiter. „Er hat einen Frauenverschleiß wie kein anderer."
Wieder zuckte ich mit den Schultern.
„Die Jungs geben am Freitag eine Party", verriet sie mir dann, wechselte zum Glück das Thema.
Ich seufzte.
„Lust mitzukommen?"
Ich blickte nun zu ihr und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Als sie meinen Blick sah, grinste sie.
„Okay, das reicht als Antwort. Dann geh ich alleine."
Ich war ein bisschen schon überrascht, dass sie sich so leicht nachgab. Das war untypisch für sie.
Aber ich würde mich darüber nicht beschweren.
Ich verabschiedete mich von ihr, als ich spürte, dass mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte.
Es war Becca, die mich anrief.
Lächelnd ging ich ran, während ich die Küche verließ um hoch in mein Zimmer zu gehen.
„Na wie geht es dir?", fragte sie mich.
Sie war die Einzige die wusste was mit Tyler passiert war.
Wie sehr er mir wehgetan hatte.
„Es wird mit jeden Tag besser", versicherte ich ihr.
„Das ist gut."
In meinem Zimmer machte ich hinter mir dir Türe zu.
„Und wie geht es dir?", erkundigte ich mich.
„Mein Bruder ist wieder da."
Das überraschte mich.
Beccas Bruder war nach seinem Highschool Abschluss zur Army gegangen. Das war vor fünf Jahre gewesen. Er war seit zwei Jahren in Afghanistan stationiert gewesen. Seit drei Jahren hatte ich ihn gar nicht mehr gesehen.
„Und ... wie geht es ihm?", erkundigte ich mich.
Becca zögerte etwas.
Was nichts Gutes bedeutete.
„Er lebt, das kann ich sagen. Aber er ist nicht mehr der Bruder an den ich mich mich erinnere. Aber das soll normal sein, haben sie mir gesagt. Er erholt sich gerade von einer Verletzung", berichtete sie mir.
„Er muss sich bestimmt nur etwas erholen und richtig wieder ankommen", machte ich ihr Mut.
Ihr Bruder Jaxon und sie standen sich schon immer ziemlich nahe. Er war auch ein richtig klasse Kerl. Er war früher für mich, der Bruder gewesen denn ich nicht hatte.
Als kleines Kind hatte ich ihm sogar mal gesagt, das ich ihn eines Tages Heiraten würde.
Jedes Mal wenn wir uns sahen, zog er mich deswegen auf. Er meinte es nur im Scherz.
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Deswegen wechselte ich das Thema. Ich wollte nicht, dass meine beste Freundin Trübsal blies.
So wie sie nicht wollte, dass ich es tat.
Wie sehr ich sie gerne im Arm nehmen würde. Das brauchten sie und ich.
Ich hasste es, dass sie so weit von mir weg wohnte.
Wir beide wären viel glücklicher und könnten uns besser bei solchen Situationen beistehen.

Später am Abend machte ich mich auf um die Bücher, die ich aus der Bücherei ausgeliehen, hatte zurückzubringen.
Ich suchte mir auch gleich Neue aus, was mir nicht schwerfiel und verließ schneller als sonst das Gebäude.
Ich lief geradewegs ins Tyler und Brandon. Womit ich absolut nicht gerechnet hatte.
„Hy Rylee. Schön dich wieder zu sehen", begrüßte mich Brandon unbeschwert.
Ich lächelte ihn an.
„Hi. Freut mich auch."
Tyler sagte kein Wort und lief den Weg weiter.
Ihm direkt zu begegnen war ziemlich schmerzhaft und machte es umso schwerer die Fassade aufrecht zu halten.
Brandon schüttelte schnaubend den Kopf, blickte dabei Tyler hinterher. Dann sah er zu mir.
„Ich hoffe, es geht dir gut?", erkundigte er sich.
Ich wusste, wieso er das fragte.
Deswegen zwang ich mich zu einem Lächeln, war wirklich froh das ich es schaffte.
„Wieso auch nicht. Aber danke der Frage. Ich hoffe dir auch?"
Ich war ziemlich stolz auf mich.
Brandon atmete tief aus.
„Ich kann mich nicht beklagen."
Er warf einen Blick hinter mich, sah zu Tyler.
„Ich will nicht unhöflich sein", sagte ich dann freundlich, „Aber ich muss weiter. Ich hab meiner Tante versprochen, ihr beim Abendessen zu helfen."
Es war eine glatte Lüge. Aber mir war alles recht. Hauptsache ich kam aus dieser unangenehmen Situation raus.
„Klar, kein Problem. Wir sehen uns."
In einer Kleinstadt wie Hemmington war das auch nicht schwer - leider musste ich sagen.
Denn ich hätte gerne darauf verzichtet.
„Bestimmt", erwiderte ich nur und hastete auch schon an ihm vorbei.
Verhindern das sich Tränen in meinen Augen sammelten, konnte ich leider nicht. Aber ich schaffte es, sie zurückzudrängen als ich zu Hause ankam. Worüber ich wirklich erleichtert war.
Meine Tante sollte sich nicht noch mehr Sorgen um mich machen, als sie es sowieso schon tat.
Um mich abzulenken, half ich ihr dann wirklich beim Abendessen.

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