Abkühlung

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„Na wie war dein Abend mit Rory?", fragte meine Tante Lynn mich.
Lynn war so wie Rory eine schöne Frau.
Sie war groß, hatte rotbraune Haare, die mit weißen Strähnen durchzogen waren, und bekam schon Falten. Dass sie beinahe fünfzig war, sah man ihr nicht wirklich an.
Was sollte ich darauf sagen?
Meine Tante würde es vermutlich nicht so gut finden, das ich mit dem Bad Boy der Stadt, den Abend verbracht hatte.
Und ganz bestimmt würde es ihr nicht gefallen, wenn sie erfuhr, das Rory mich wieder alleine gelassen hatte und nicht ihre Aufsichtspflicht erfüllt hatte. Obwohl sie das meiner Tante versprochen hatte.
„Ganz gut. Aber ich war eben die Jüngste", meinte ich und zuckte mit den Schultern.
Meine Tante stand am Küchentressen und las in Unterlagen.
Lynn war zwar etwas verrückt, aber sie war auch einer der besten Friseurin und Stylistin, die es in der Region gab. Sie hatte wirklich dafür ein Händchen. Besonders schien sie auf den ersten Blick zu sehen was zu einer Person passen könnte und was nicht.
Das hatte sie ihrer Tochter weiter vererbt.
Denn sie sah auch immer perfekt aus und das obwohl sie sich niemals mühe gab.
„Wie bist du nach Hause gekommen?", erkundigte sie sich weiter.
Ich hatte mich umgedreht um den Kühlschrank zu öffnen und mir Milch für meine Cornflakes heraus zu hohlen.
„Ich wurde nach Hause gefahren", wich ich aus. „Wann bist du nach Hause gekommen?", erkundigte ich mich um von mir abzulenken.
Ich schüttete Milch in meine Schüssel und stellte die Packung Milch wieder in den Kühlschrank. Nach dem ich ihn geschlossen hatte, nahm ich meine Cornflakes Schüssel in die Hände.
„Ziemlich spät. Die Versammlung hat sich hingezogen."
Ich drehte mich zu ihr und lehnte mich gegen den Kühlschrank.
Sie sah nicht sehr Müde aus, das bewunderte ich ebenfalls an ihr.
Egal wie lange sie schlief, oder wann sie aufstehen musste. Sie wirkte immer gut gelaunt und munter.
Das hatte sie mit meinen Vater gemeinsam gehabt.
Schweigend aß ich meine Cornflakes und beobachtete meine Tante beim Durchsehen der Unterlagen.
Nachdem ich fertig war, verließ ich die Küche und ging nach oben in mein Zimmer wo ich mich auf mein Bett setzte und meine beste Freundin mittels Videoanruf kontaktierte.
Wie erwartet lag Becca noch in ihren Schlafanzug im Bett.
Becca und ich waren uns ziemlich ähnlich. Vielleicht hatten wir uns deswegen nicht aus den Augen verloren als ich umgezogen war.
Sie war genauso groß wie ich. Wir konnten sogar Klamotten austauschen.
Nur in den Haaren und Augen unterschieden wir uns eigentlich.
Ihre Haare waren weißblond und ihre Augen waren smaragdgrün.
Sie lächelte mich an als ihr Gesicht auf meinem Display erschien.
Aber ich sah, dass sie erst aufgewacht war.
„Wie lange hast du gestern Nacht gelesen?", erkundigte ich mich amüsiert.
Sie grinste.
„Ich glaub drei. Aber ich kann nichts dafür Ry. Es wollte mich nicht schlafen lassen."
Ich kicherte über sie.
„Natürlich nicht."
„Also was gibt es Neues? Fütter mich, damit ich auf den Laufenden bin."
Wie sehr ich mir wünschte, meine beste Freundin wieder um mich zu haben.
Schnell erzählte ich ihr was in der Zwischenzeit alles passiert war. Von Sawyer bis hin zu Tyler.
Sie hörte aufmerksam zu, unterbrach mich fast nie.
Das war die andere Seite von Becca.
Sie konnte einen zum Lachen bringen, aber war auch eine super Zuhörerin.
Die perfekte beste Freundin.
„Erstens: Ich hätte gerne diesen Sawyer in seine Eier getreten. Zweitens: Ich bin froh, dass dieser Tyler wenigstens dir geholfen hat. Obwohl ich nicht gerade ... ich weiß nicht ob ich froh bin, dass du ihn magst."
„Das habe ich doch nicht gesagt", wehrte ich schnell ab.
Ich hoffte, sie würde nicht sehen, das ich verlegen wurde.
„Dir ist schon klar mit wem du gerade sprichst? Du hast noch nie so über einen Jungen gesprochen wie über diesen Tyler."
Ich überlegte mir, was ich dazu sagen sollte. Aber mir viel absolut nichts ein. Denn ich mochte Tyler.
„Rylee versprich mir bitte das du dich nicht darauf einlässt", bat Becca mich.
Ihre Augen zeigten Sorgen.
„Nach allem was du durchgemacht hast, brauchst du kein gebrochenes Herz. Und das wirst du bekommen."
Das wusste ich.
Aber es spielte für mich keine Rolle.
Ich atmete schwer aus.
„Du hast recht", sagte ich dennoch dazu.
Sie wirkte erleichtert.
Danach sprachen wir über andere Sachen. Was bei ihr so los war, seit dem wir das letzte Mal telefoniert hatten.Irgendwann beendeten wir dann das Gespräch.
Kaum hatte ich mein Handy ans Ladekabel gesteckt, ging die Türe zu meinem Zimmer auf und Rory kam herein.
Sie trug die Sachen von gestern.
Also war sie gerade erst heimgekommen.
Ohne zu zögern schmiss sie sich neben mir auf das Bett.
Sie grinste über das ganze Gesicht.
„Anscheinend gibt es gute Nachrichten?", vermutete ich.
Rory wandte mir ihr strahlendes Gesicht zu.
„Mehr als das", sagte sie. „Quinn und ich ... wir sind jetzt fest zusammen."
Oh ...
Also das war mal eine Nachricht.
Nicht, dass es mich nicht freute. Es war nur so untypisch für sie. Quinn musste ihr wirklich etwas bedeuteten.
„Das freut mich für dich."
Das meinte ich auch so.
Meine Cousine, so verrückt und abgedreht sie manchmal auch war. Verdient hatte sie glücklich zu werden.
Und Quinn schien mir ein netter Kerl zu sein. Auch wenn ich ihn nur einmal gesehen hatte.
Sie seufzte richtig verträumt auf.
Ich hatte sie noch nie so gesehen.
Dann drehte sie sich, sodass sie auf dem Bauch lag, und sah mich an.
„Wie bist du eigentlich nach Hause gekommen?", erkundigte sie sich interessiert.
Ich zögerte.
„Tyler ... er hat mich nach Hause gefahren."
Sie wirkte gar nicht geschockt.
„So hat er also die beiden Tussis aufgegabelt."
Was?!
„Tussis?", hakte ich nach.
Dabei versuchte ich, so normal wie möglich zu klingen.
„Keine Ahnung wann er genau kam. Aber er hat sich fast die ganze Nacht mit zwei Mädchen vergnügt. Quinn und ich haben Ohrenstöpsel gebraucht um überhaupt ein paar Stunden schlaf zu bekommen", verriet sie mir. „Also Durchhaltevermögen hat er. Aber das gehört Ja zu seinem Ruf dazu."
Meine Cousine sagte mir das nicht um mir weh zu tun. So war sie nicht. Aber ihre Worte, auch wenn es die Wahrheit war, taten mir weh. Vielleicht hatte ich das gebraucht. Als Zeichen das ich mich nicht noch weiter in diese Gefühle, die zu Tyler aufkeimten, verlor.
Es war wie eine Art Abkühlung. Eine die ich bitter Nötig hatte.
Becca hatte nämlich recht.
Ein gebrochenes Herz brauchte ich auch nicht. Und das würde ich zweifelslos bekommen. Selbst Tyler hatte mich vor sich gewarnt.
„Sei froh, dass du es nicht mitbekommen hast", fügte Rory hinzu.
Das war ich auch.
Rory setzte sich auf.
„Ich geh jetzt mir mal ein schönes langes Bad gönnen."
Sie tätschelte mir mein Bein, bevor sie mein Zimmer verließ und ich wieder alleine war.
Ich fühlte mich elend. Wirklich elend.

Fighting Heart - BegehrtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt