#21 - Die Worte zwischen zwei Küssen

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Als ich aufwachte, hatte ich hatte einen verwesten Geschmack im Mund. Die Augen kniff ich sofort 
wieder zu, so unangenehm war das grelle Licht. 
„Lora, endlich bist du wach“, hörte ich die besorgte Stimme meiner Mutter. 
Langsam gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich sah in die Richtung, aus der die 
Stimme kam. Mom saß links von mir auf einem Stuhl neben meinem Kopf und streichelte mein 
Haar. Hinter ihr an der Wand hing das ultra hässliche Gemälde einer Obstschale. 
Da bemerkte ich, dass ich in einem großen, ungemütlichen Krankenhausbett lag. Rechts von mir 
standen große Geräte, die dauerhaft summten und piepten oder anderweitige Störgeräusche von sich 
gaben. 
Meine letzte Erinnerung erschien mir vor Augen. Ich war auf David zugegangen, weil ich das 
Geschehene mit ihm klären wollte. Ich stand schon vor ihm. Und dann... nichts. Meine 
Erinnerungen hörten an diesem Punkt auf, so als sei ich auf der Stelle eingeschlafen. 
„Du hattest einen epileptischen Anfall. Das sagen jedenfalls die Ärzte. David hat ihnen alles erzählt, 
was er gesehen hat“, erklärte Mom. Sie stand auf und beugte sich über mich, um einen kleinen 
Knopf an der Wand über mir zu drücken. 
„David war hier?“, fragte ich. Natürlich richtete sich mein Augenmerk direkt auf David. Ich hätte fragen sollen, ob ich gesund werden würde, ob ich sterben musste oder was auch immer. Stattdessen 
fragte ich nach David. 
„Er ist nicht von deiner Seite gewichen. Anscheinend ist er doch kein ganz so schlechter Kerl, wie 
ich nach der Vernissage gedacht hatte. Dein Dad musste ihn lange überreden, bis er einsah, dass er wieder in die Schule gehen musste.“ 
„Wie spät ist es?“ 
„Neun Uhr.“ 
„Ich war nur eine Stunde bewusstlos?“ Es fühlte sich an, als hätte ich meinen Körper schon eine 
Ewigkeit nicht mehr bewegt. 
„Nicht ganz.“ Meine Mom hatte Tränen in den Augen. „Oh Lora, ich bin so erleichtert dass du 
wieder wach bist. Ich dachte schon, du würdest für immer im Koma liegen!“ 
Sie beugte sich zu mir hinunter und umarmte mich. Anscheinend wurde ihr jetzt erst klar, dass ich 
wirklich wach war. 
„Ist gut, Mom“, sagte ich und unterdrückte den etwas genervten Ton in meiner Stimme. Meine 
Mom setzte sich wieder auf und tupfte sich die Tränen von den Wangen. 
„Du verstehst nicht, Lora“, sagte sie. „Du lagst im Koma. Zwei Wochen. Die Ärzte sagen, dass du mit einem kleinen Aneurysma im Hirn geboren wurdest und dass das nicht weiter gefährlich gewesen wäre. Als du dir aber die Nase gebrochen hast, ist es geplatzt. Es war so klein, dass es dir 
gut ging, nur den epileptischen Anfall hattest du. Die Ärzte machten ein Bild von deinem Kopf und wollten erstmal abwarten, bevor sie dein Hirn operieren. Sie sagten, dass die Chancen gut stehen würde, dass sich die Blutung von allein schließt und versetzten dich in künstliches Koma. Nach einer Woche war das Aneurysma wieder verschlossen und sie wollten dich zurückholen, aber du 
wolltest partout nicht selbstständig atmen. Gestern haben sie dann nochmal versucht, die Intubation 
zu lösen und du warst kurz wach, hast irgendetwas gebrabbelt und bist dann wieder eingeschlafen. 
Jetzt bist du wach und ich war noch nie so froh!“ Sie strahlte über das ganze Gesicht. 
„Aha, okay“, murmelte ich. Ich war weder geschockt, zwei Wochen meines Lebens verschlafen zu 
haben, noch erleichtert, dass ich überhaupt wieder aufgewacht war. Ich fühlte mich einfach nur aha- 
okay. 
In dem Moment betrat eine Krankenschwester mein Zimmer, fragte wie es mir ging und ob ich die 
Toilette besuchen musste. Letzteres verneinte ich und sie gab mir noch die Anweisung, nicht alleine 
aufs Klo zu gehen. 
Alles sehr diskret hier.
Dann kam eine mittelalte Frau im Arztkittel rein, leuchtete mir mit einer Taschenlampe in die 
Augen und stellte mir eine Million Fragen. Ob ich davor schon mal einen Anfall hatte und ob ich unter Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit litt. Alles traf nicht zu. 
Zwei Stunden später wurde dann mein Kopf mit allen möglichen Geräten eingescannt, durchleuchtet und untersucht. Als das erledigt war, wurde ich wieder in meinem Zimmer abgestellt und ich informierte Talitha darüber, wo ich war und wie es mir ging. Sie wünschte mir gute 
Besserung uns versprach, mich jetzt wo ich wieder wach war, auch zu besuchen. 
Dann war ich mit meinen Gedanken allein und sehnte mich nach meinem alten Zuhause. Der Neuanfang hätte mir gut tun können, wenn Warren mir nicht gefolgt wäre und ich jetzt in dieser perfiden Situation mit Christy sitzen würde. 
Plötzlich war da der Wunsch nach meinen alten Freunden. Der Kontakt war während der Sommerferien abgebrochen und niemand hatte ihn wieder hergestellt. Ich vermisste sie. Mit ihnen wäre mir so etwas wie mit Christy und Oliver bestimmt nicht passiert. 
Ich seufzte. Den einzigen Freund, den ich hatte, war David und da war auch alles verworren. Ich 
musste unbedingt mit ihm reden.

Die Anonymen Badboy OpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt