Nur noch sechs Tage bis Weihnachten. Der Gedanke bereitete mir Übelkeit.
Mit zittrigen Händen versuchte ich umständlich den Reißverschluss meines Kleides hochzuziehen.
Draußen war es bereits wieder dunkel, doch ich hatte mich heute noch nicht mehr bewegt, als von meinem Bett zur Toilette und wieder zurück. Allerdings blieb mir jetzt nichts Anderes übrig, als das Haus zu verlassen.
Scheiß Weihnachtsfeier. Welcher Chef außer meinem war denn bitte so asozial die Weihnachtsfeier auf einen Sonntag zu legen?
Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie die Männer morgen mit gequältem Gesicht und nach Alkohol stinkend in das Büro geschlichen kamen. Ich würde Doppelschichten an der Kaffeemaschine schieben müssen.
Flüche grummelnd zerrte ich weiter am Reißverschluss, doch die letzten Zentimeter bekam ich ihn einfach nicht hoch.
Diese Idioten kannten mich immer noch nicht als Arbeitskollegin an, stattdessen war ich der Dienstbote, der hin und her rennen durfte, um diese bescheuerten Wetten, die meine Kollegen abzuschließen pflegten, zu überbringen.
Der Höhepunkt dieser Unhöflichkeit war, als ich am Donnerstag mitbekam, dass ich der Preis eine solcher Wette war.
"Wenn du den größeren Auftragsstapel hast, gehört dir Ms. Daniels den restlichen Tag ganz allein", äffte ich diese Hohlbirnen nach und schaute mich dabei selbst verächtlich im Spiegel an. Den Kampf mit dem Reißverschluss hatte ich aufgegeben. Für diese Mülltüten würde ich mich doch nicht abrackern.
"Ihr solltet mal eure Männlichen Attribute ausmessen, da schlage ich euch alle um Längen."
"Ach wirklich? Verdammt mir ist bisher gar nicht aufgefallen, dass du gar keine Frau bist."
Erschrocken wirbelte ich herum und stellte mich automatisch in Verteidigungsstellung, so wie man es mir in den unzähligen Selbstverteidigungskursen beigebracht hatte. Doch sobald ich Ryan erkannte, der schelmisch grinsend im Türrahmen stand, entspannte ich mich wieder.
"Gott, du hast mich erschreckt."
"Sorry, in deine Selbstgespräche vertieft, hast du wohl nicht mein Klopfen gehört, daher habe ich deinen Ersatzschlüssel benutzt."
Ich stutzte. "Woher hast du denn bitteschön den Ersatzschlüssel für meine Wohnung?"
Sein Grinsen wurde ein Stück breiter.
"Na aus der Schüssel, die auf der Kommode neben der Tür steht."
Ungläubig zog ich meine Augenbrauen hoch. "Ach, und wann hast du denn da rausgenommen?"
Lässig stieß er sich von dem Türrahmen ab und kam auf mich zu.
"Mhhhmm vielleicht so vor zwei Wochen? Immerhin hast du auch meinen Schlüssel!"
Entsetzt schnappte ich nach Luft. "Das kannst du doch nicht gleichsetzen! Du hast ihn mir freiwillig gegeben, während du meinen... meinen..."
"Ja?"
"... meinen gestohlen hast!"
Unberührt zuckte Ryan mit den Schultern und schenkte mir mal wieder eines seiner Charme beladenen Lächeln. "Kann sein. Aber jetzt lass uns nicht mehr auf so Kleinigkeiten herumreiten!"
Ich wollte ihn schon darauf hinweisen, dass Diebstahl keine Kleinigkeit war, als er mir frech das Wort abschnitt.
"Wann geht's denn jetzt los? Du hast 16:30 Uhr vor deiner Haustür gesagt. Jetzt ist es fast 17 Uhr. Guck, wenn du pünktlich gewesen wärst, hätte ich nicht reinkommen müssen."
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Weihnachtsglück nebenan
Short StoryMaggie ist definitiv nicht in Weihnachtsstimmung. Seit dem Tod ihrer Eltern gibt es für sie kaum noch enge Freunde oder Verwandte und mit wem sonst sollte man die Weihnachtszeit verbringen? Daher macht sich die junge Frau auf eine langen, zähen Wint...