04.12.16; 2. Advent

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Am Dienstag hatte Ryan mir wieder völlig ausgenüchtert einen Ersatzschlüssel für seine Wohnung vorbeigebracht und sich gefühlte 100 Mal für sein Verhalten entschuldigt, obwohl ich im Nachhinein sogar wirklich froh war, dass alles so gekommen war, wie es gekommen war.

Der Tag mit ihm hatte definitiv mehr Spaß gemacht, als nur deprimiert durch die Gegend zu schlurfen.

Außerdem hatte er all die Weihnachtsdeko, die ich vergangenes Jahr mit meiner Mutter gekauft hatte, mit neuen Erinnerungen belegt. Erinnerungen, die mir nicht das Gefühl gaben, völlig allein auf diesem Planeten zu sein.

Als ich am zweiten Advent aufwachte, hatte ich nicht mehr das Bedürfnis mir die Decke über den Kopf zu ziehen und einfach nur darauf zu warten, dass es wieder Nacht wurde.

Stattdessen sprang ich mit erstaunlichem Elan aus dem Bett und flitzte ins Wohnzimmer, um die zweite Kerze zu entzünden. Lächelnd beobachtete ich einen Moment lang die flackernde Flamme, bevor ich summend in die Küche lief und mir erstmal einen Kaffee machte.

Ich überlegte vielleicht noch ein paar Plätzchensorten zu backen, nachdem ich unter der Woche meine Schränke wieder aufgefüllt hatte, aber bei dem Gedanken, an den Haufen Gebäck, den ich noch von letzter Woche übrighatte, verwarf ich die Idee meinem Körper zur Liebe wieder.

Eigentlich wäre heute der perfekte Tag, um den Weihnachtsmarkt einen Besuch abzustatten. Der Himmel war für Dezember erstaunlich blau und die Temperaturen mit einem schönen warmen Punsch mehr als nur auszuhalten. Jedoch bereitete mir der Gedanke völlig alleine durch die Stände zu laufen, neben all den Liebespaaren und Familien doch etwas Unbehagen und da ich bereits merkte, wie mich eine bedrückte Stimmung befiel, beschloss ich einfach den Tag auf mich zukommen zu lassen.

Nach einer großen Schüssel Müsli und einer ausgiebigen Dusche kam ich summend zurück ins Wohnzimmer und erblickte die blaue Dose, in der ich schon vor Tagen von allen Plätzchensorten, die wir gebacken hatten, ein paar für Ryan aufbewahrt hatte. Ein Lächeln umspielte meine Lippen.

Mal sehen ob der geliebte Herr Nachbar bereits wach war.

Die Plätzchendose unter den Arm geklemmt und leise vor mich hersummend trat ich raus auf den Gang und klopfte lautstark gegen die Tür des gegenüberliegenden Apartments.

Eine Zeit lang war nichts zu hören, bis ich schon kurz davor war, einfach den Wohnungsschlüssel zu holen und die Dose samt einer kleinen Notiz dazulassen.

Doch dann lies mich ein lautstarker Fluch doch einfach ausharren und keine habe Minute später stand ein vom schlaf verstrubbelter Ryan vor mir.

Ich musste mir angesichts der Furchen, die die Falten seines Kopfkissen auf seinem Gesicht hinterlassen hatten, ein Grinsen verkneifen und klapperte verlockend mit der Dose.

"Zieh nicht so ein Gesicht, mein Lieber, ich bringe Plätzchen." Ein bedeutungsvolles Augenbrauenwackeln folgte und lies den augenscheinlichen Morgenmuffel schmunzeln.

"Den Vorwand lasse ich mal gelten. Trete ein, Backmeisterin."

Grinsend lief ich ihm hinterher in seinen kleinen Küchenbereich.

Neugierig blickte ich mich um. Ich hatte die Wohnung zwar schon an seinem Einzugstag gesehen, doch seitdem hatte sich einiges verändert und die dunkeln Holzmöbel passten unglaublich gut zu den sanft grünen Wänden.

"Die Einrichtung gefällt mir. Hätte ich dir gar nicht zugetraut, so ein gutes Auge für Innenarchitektur zu haben." Gestand ich und stellte die Dose auf die dunkelgesprenkelte Granitplatte seiner Küchentheke.

„Äh, ja danke, aber um ehrlich zu sein, war das wohl eher das gut geschulte Auge meiner Mutter." Verlegen kratzte er sich am Kopf, wobei sein T-Shirt hochrutschte und einen Streifen Haut hervorblitzen lies. Krampfhaft versuchte ich meinen Blick davon abzuhalten, allzu sehr zu starren, wurde mir aber plötzlich Ryans dünnen Schlafanzugs bewusst.

Das weiße Shirt saß Eng um seine muskulösen Schultern und auch die blau karierte Pyjamahose, ließen die Muskeln seiner Beine erahnen.

Holy shit. Ich schluckte hart.

"Schon gefrühstückt?", aus meinen Gedanken gerissen schüttelte ich meinen Kopf und gab ein leises "Hm?" von mir, welches Ryan zum Schmunzeln brachte.

"Ob du schon gefrühstückt hast, habe ich gefragt."

"Ach so sorry, ja habe ich schon."

"Schade sonst hättest du meine berühmt berüchtigten Rühreier probieren können". meinte er mit einem hochmütigen Blick und holte einen Karton Eier aus dem Kühlschrank.

"Hm, ob ich das so schade finde, bin ich mir nicht so sicher."

Seine Augen blitzten voller Schalk, doch er konzentrierte sich völlig auf die Zubereitung seines Frühstücks, sodass eine unangenehme Stille entstand.

Unruhig verlagerte ich das Gewicht und wagte einen kurzen Blick auf die Tür. Sollte ich vielleicht gehen?

Als hätte er meine Gedanken gelesen, drehte sich in diesem Moment Ryan mit einer großen Schüssel lecker riechender Rühreier um, die unmöglich nur für eine Person gedacht sein konnte.

"Setze dich doch bitte. Sonst komme ich mir so unhöflich vor."

Zögernd folgte ich seiner Anweisung und ließ mich auf einen hohen Barhocker rechts von mir gleiten, während er gegenüber von mir Platz nahm.

"Und hat der Weihnachtsmuffel etwas für heute geplant?"

Da er seinen Blick nicht von dem Monsterberg Ei hob, konnte er nicht bemerken, wie die Röte in mein Gesicht stieg.

"Ähm, ja, nein, irgendwie nicht so wirklich."

Belustigt zog er eine Augenbraue hoch. "Was jetzt?"

Ich atmete einmal tief durch und hätte mich für mein dummes Gestammel am liebsten selbst geschlagen.

"Naja, ich hatte überlegt auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, aber allein komme ich mir so dumm vor..."

"Und da wolltest du deinen charismatischen Nachbar mit Plätzchen dazu bestechen mitzukommen, ich verstehe schon"

Überrascht hielt ich inne. Soweit hatte ich gar nicht gedacht.

Ryan warf mir ein strahlendes Grinsen zu. "Tja, leider muss ich gestehen, dass du meinen Schwachpunkt gefunden hast. Ich bin dabei."

Immer noch etwas überrumpelt von der Entwicklung der Situation konnte ich nur dümmlich blinzeln und dabei zuschauen, wie Gabel um Gabel Rührei in Ryans Schlund verschwand.

"Also ich könnte so in zwei Stunden los. Ich muss noch kurz meinen Morgensport machen, aber wenn du willst kannst du gerne dableiben. Ich könnte eine Partnerin brauchen, die sich auf meinen Rücken setzt für die Liegestütze, interessiert?"

Das unverschämte Angebot, brachte mich wieder zurück in die Realität und der Hocker fiel fast um, so hektisch sprang ich auf.

"Äh nein, nein. Ich muss auch noch etwas erledigen, äh, klopf dann einfach bei mir wenn du fertig bist."

Sein tiefes Lachen begleitete mich aus der Wohnung hinaus.

Weihnachtsglück nebenanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt