Tatsächlich dauerte es entnervend lange eine geöffnete Tankstelle mit gescheitem Eis im Sortiment zu finden, aber irgendwann gelang mir auch dies und ich konnte mich auf den Rückweg in meine Höhle der Einsamkeit machen.
Dabei bemühte ich mich vor allem auf dem Flur leise zu sein. Ich wollte Ryan lieber nicht erklären müssen, weshalb ich nun doch noch da war. Aber wahrscheinlich war er selbst noch gar nicht zurück.
Da ich mir dachte ein Tapetenwechsel wäre wohl angebracht, ließ ich mich mit meinem Eis, der Schokosoße und einem gigantischen Löffel auf die Couch fallen und schaltete den Fernseher an. Keine Minute später befand ich mich auch schon in einem Dämmerzustand zwischen Leben und Untodsein.
Keine Ahnung wie lange ich so auf dem Sofa dahin vegetierte. Wahrscheinlich war ich immer wieder eingenickt, denn mein Zeitgefühl ging völlig verloren, als plötzlich Geräusche von Richtung meiner Eingangstür erklangen.
In meinen verschlafenem Kopf dauerte es seine Zeit, bis ich die Geräusche einem Schlüssel im Schloss zuordnen konnte und noch viel länger, bis er diese Information auch verwerten konnte, sodass ich im ersten Moment glaubte, gleich Opfer eines brutalen Raubüberfalls zu werden.
Und nein, meine Reaktion bestand nicht daraus, zu allem bereit aufzuspringen und mir eine Waffe zu meiner Verteidigung zu suchen. Ich beließ es dabei, noch tiefer in die Polster zu sinken und das inzwischen ziemlich geschmolzene Eis an meine Brust zu drücken, als hinge mein Leben davon ab.
Als allerdings die Tür aufschwang und jemand die Melodie von Jingle Bells summend hereintrat, wurde mir auch endlich klar, dass es sich um keinen Verbrecher, sondern nur um meinen Nachbarn handelte. Irgendwie auch logisch. Soweit ich wusste, hatte ich nämlich keinem Einbrecher meinen Schlüssel ausgehändigt.
Allerdings machte das die Situation irgendwie noch schlimmer. Ich wollte nicht, dass Ryan mich entdeckte. Und tatsächlich bot meine Couch sogar einen ziemlich guten Sichtschutz, da sie mit der Lehne zur Tür stand. Nur schauten meine Füße am anderen Ende heraus und der Fernseher lief noch immer. Also nein, es gab keine Chance, dass er nicht aufmerken würde.
Und genau das war der Moment, indem sein fröhliches Summen verklang.
Einige Sekunden blieb es still, von meinem Herzen abgesehen, dass mir aus der Brust springen wollte. Dann hörte ich zwei Schritte, die direkt auf mich zukamen und schlussendlich Ryans verwirrte Stimme. „Maggie?"
Es gab jetzt genau zwei Optionen, wie ich reagieren könnte. Die eine war so zu reagieren, als hätte ich ihn vorhin nicht absichtlich im Glauben gelassen, dass ich zu meinen Eltern fahre und ihn anzumeckern, was er hier wollte oder aber ich gestand ihm endlich die Wahrheit. Meine Eltern sind tot und ich absolut einsam.
Ich entschied mich für Option drei: Decke übers Gesicht ziehen und so tun, als wäre ich nicht da.
„Ich sehe deine Kuschelsocken, also versuch es erst gar nicht."
Meine Reaktion darauf bestand darin, meine Füße anzuziehen. Wenigstens brachte das Ryan zum Kichern. Die Welt war also doch noch nicht untergegangen.
Wieder erklangen Schritte und ich spürte genau, wann er mich erreichte und sich neben der Couch auf den Boden kniete.
„Hey, was machst du denn noch hier?"
Eine Hand versuchte mir die Decke vom Gesicht zu ziehen, aber ich klammerte mich daran, als könnte ich damit wirklich jemanden täuschen. Allerdings war Ryan hartnäckig... und stärker, daher war mein Widerstand von wenig Nutzen.
Ich starrte ihn aus großen Augen an.
„Hey." Vielleicht kam es mir nur so vor, aber sein sanfter Tonfall erinnerte mich daran, wie man mit verschreckten kleinen Kindern sprach.
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Weihnachtsglück nebenan
Short StoryMaggie ist definitiv nicht in Weihnachtsstimmung. Seit dem Tod ihrer Eltern gibt es für sie kaum noch enge Freunde oder Verwandte und mit wem sonst sollte man die Weihnachtszeit verbringen? Daher macht sich die junge Frau auf eine langen, zähen Wint...