Kapitel 16 - Der Phönixorden

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Gefühlte hundert G lasteten auf Lucianas Körper, während sie sich krampfhaft an den Stoffbergen von Snapes Umhang festkrallte. Kopfüber zu apparieren, ja, dieses zweifelhafte Vergnügen hatte sie noch nicht gehabt. Und nur mit viel Beherrschung konnte sie es vermeiden, die Kleidung vor ihrer Nase voll zu reihern, als der Sog mit einem Mal stoppte. Zu allem Überfluss wurde Luciana dann schwungvoll umgedreht und auf ihre eigenen Füße abgestellt, die gerade scheinbar aus Wackelpudding bestanden.

Sie brauchte einen Moment, um sich auf die neue Umgebung konzentrieren zu können. Sie standen in einer feuchten Seitenstraße, an der sich dutzende von Reihenhäusern entlangzogen. Die prunkvolle, schillernde Zeit dieser Straße, musste schon seit Jahrzehnten vorüber sein, wenn man von dem heruntergekommenen Zustand der Gebäude ausging. Zumindest konnte sie dem Baustil entnehmen, dass sie die Insel nicht verlassen hatten. Alles in allem sehr britisch, vielleicht Großstadt?

Mh, sieht schon mal nicht nach einem Ort für eine Schwarze Messe aus ... und Snape hat sich auch noch keine Maske aufgesetzt ... hey, vielleicht überleb ich die Nacht ja!

Snape griff in die Innentasche seines Umhangs, zog einen Briefumschlag hervor, öffnete diesen und hielt Luciana im nächsten Augenblick ein kleines Stück Pergament vor die Nase und schaute sie auffordernd an. Diese nahm das Papier entgegen. Im Schein einer Straßenlaterne konnte sie eine feine Handschrift ausmachen: Das Hauptquartier des Phönixordens befindet sich am Grimmauldplatz Nummer zwölf, London. Kaum, dass sie diese Worte verinnerlicht hatte, schob sich auch schon die schwarze Spitze von Snapes Zauberstab in ihr Blickfeld. Im nächsten Moment stand das Pergamentstück in Flammen – welches Luciana mit einem Mordsschrecken augenblicklich fallen ließ. Auf den Boden rieselten nur noch Aschefetzen. Snape packte sie wieder am Arm, selbstverständlich an seine neue Lieblingsstelle, stellte sie direkt vor einer Häuserreihe ab und ließ sie genauso schnell wieder los.

„So, Miss Bradley", begann er, ganz in seinem gewohnten, herablassenden Lehrtonfall, „wo ist hier der Fehler?"

Luciana schaute sich die Häuserfront genauer an.

Wie, Fehler? Hässliches Haus Nr. eins, nein, genauer gesagt Nr. zehn, schäbiges Haus Numero elf und ein noch verwitterteres, Nr. dreizehn ... eh ... Moment ... wo ist Nr. zwölf abgeblieben?

Kaum, dass sie diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, setzten sich die Reihenhäuser vor ihren Augen in Bewegung. Erst erschien im Spalt, der Haus Nummer elf und dreizehn voneinander trennte, eine lädiert ausschauende Tür, dann gesellten sich zu dieser eine immer breiter werdende Häuserwand und verdreckte Fenster hinzu. Das Spektakel war so schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Ein Haus, mit dem kleinen Schild Nummer zwölf, stand da, als sei es nie verborgen gewesen.

Snape zerrte sie, kaum dass sie ihre Entdeckung genauer in Augenschein nehmen konnte, die steinernen Stufen hinauf und klopfte mit noch immer gezücktem Zauberstab in der Hand, einmal gegen die schwarze Tür (oder was von dem Lack noch übriggeblieben war).

Luciana konnte gerade eben noch den Türknauf aufblitzen sehen, der aus einer silbernen, sich windenden Schlange bestand, da war die Tür auch schon aufgesprungen. Das Schleifen ging weiter. Nach dem Betreten des Gebäudes, als der Eingang sich wieder geschlossen hatte, konnte sie sich lediglich auf ihren Geruchs- und Hörsinn verlassen. In der Eingangshalle war es stockdunkel. Ihren Geruchssinn hätte sie allerdings bei diesem modrigen Gestank gerne abgestellt. Dieses Haus war garantiert von dem einen oder anderen aggressiven Schimmelpilz befallen ...

Professor Snape bewegte sich in der Dunkelheit, ganz so, als habe er ein Nachtsichtgerät in seinem Hirn installiert, während Luciana das ein oder andere Mal über ihre eigenen Füße stolperte. Als er dann plötzlich vor einer Tür, am Ende der Halle, stehen blieb, lief sie noch einen Schritt weiter–

Luciana Bradley und der Orden des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt