Kapitel 29 - Retter im schwarzen Umhang

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„Sieht nicht wie Potter aus", sagte eine weibliche Stimme.

Es vergingen ein paar Augenblicke, bis Luciana das ganze Ausmaß ihres überstürzten, kopflosen Handelns begriff. Vor dem gigantisch großen Kamin, indem sie stand, befand sich eine Schar von Gestalten, etwa ein Dutzend an der Zahl, die in schwarzen Kapuzenumhängen gehüllt in einer weiten, langen Halle mit spiegelndem, dunklem Holzfußboden standen und sie allesamt anstarrten. Das nahm sie jedenfalls an, denn das einzige Gesicht, welches nicht maskiert war, stand keinen Meter von ihr entfernt und war ihr sehr wohlbekannt – der Typ aus dem Laden in der Nokturngasse, der, wie sie sich später zusammengereimt hatte, der Vater von Draco Malfoy sein musste. Ja, und der als Doppelgänger von Gordon eine ziemlich gute Figur abgeben würde.

Schön – wie es aussah war sie einer Horde wilder Todesser in die Arme gelaufen. Das Weib neben Malfoy hatte gerade eben etwas von Potter gesagt und dass sie nicht so aussähe – okay, das hieß wohl, sie waren ihm noch nicht begegnet. Ab hier fuhren Lucianas Gedanken Achterbahn und sie versuchte mit ihrem immer noch leicht von Alkohol vernebelten Hirn einen brauchbaren Überlebensplan auszuarbeiten, doch eine Idee war lächerlicher als die andere.

„Kommt vielleicht noch nach", sagte ein Mann mit kratziger Stimme aus der hintersten Reihe. „Die ist jedenfalls Gryffindor."

Na ganz toll, noch ein Argument auf der Kontraliste der allgemeinen Schuluniform-Debatte.

„Na, kleines Mädchen", wieder die Frau und dieses Mal kam sie einen Schritt näher auf sie zu, „wo hast du Potter gelassen?"

Ob Snape wohl was mit der hatte, so Todesser intern und – BIST DU GEISTESKRANK?!? Du bist zu neunzig Prozent so gut wie tot und machst dir Gedanken um Snapes LIEBESLEBEN??

„Potter? Was, ne, nie gehört", sagte Luciana und schaute sich dabei rechts und links nach Fluchtmöglichkeiten um. Vergeblich. Die Gestalten bewegten sich näher auf sie zu und umzingelten sie nun, ganz als sei sie ein besonders leckeres Stück Frischfleisch. „U-und ich bin keine Schülerin mehr, i-ich putz hier nur ..." Das Weib kam noch einen Schritt näher, Luciana wich weiter in den Kamin aus – wo war denn hier das verdammte Flohpulver?? „Eh, mieses Gehalt, furchtbar mies, deshalb hab ich kein Geld für Klamotten und muss meine alte Schuluniform anziehen ... das heißt, die von meiner Schwester, ich bin ja eigentlich Slytherin, meine Sachen sind nur in der Wäsche ..."

Stille. Dann schien Malfoy Senior ein besonders helles Licht aufzugehen.

„Du musst Luciana Bradley sein", bemerkte er knapp und beäugte sie sehr genau von oben bis unten.

Wie, was, wo, hatte der Kerl eine eingebaute Schülerdatenbank in seinem Hirn, oder was?

„Luciana was?" Sie lachte nervös. „Was für ein bescheuerter Name, also entweder wie der Bundesstaat Louisiana, oder so parisisch Lucienne, oder–„

„Das ist sie, kein Zweifel", sagte Malfoy und betrachtete sie mit abfälligem Lächeln. „Unverschämt, mit den verrücktesten Ausreden und krankhaft großem Mundwerk, mein Sohn hat mir alles über sie erzählt."

Muss-Draco-töten!

„Auch, dass ich ihm die Nase blutig geschlagen hab?", patzte Luciana ob all dieser Angriffe auf ihre Person und hätte sich dafür am liebsten selbst die Kugel gegeben. Okay, das mit dem krankhaft großen Mundwerk war unter Umständen nicht völlig an den Haaren herbeigezogen, aber – KUGEL! Sie hatte ihre Walther PPK dabei! Ja, und noch vier Patronen im Magazin, das hier war weder ‚Stirb Langsam' noch ‚Rambo', nix da mit Endlosmunition. Vielleicht sollte sie die netten Todesser einfach darum bitten, sich in Zweierreihen hintereinander aufzustellen und wenn alles gut ging, könnte sie mit glatten Durchschüssen doch noch alle um die Ecke bringen? Na bravo, jetzt wurde sie zu allem Überfluss auch noch sarkastisch ... Moment, wenn das zehn Leute waren und sie noch vier Patronen hatte, dazu Zweierreihen – nein, Kopfrechnen war nicht wirklich ihre Stärke.

Luciana Bradley und der Orden des PhönixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt