VIERUNDZWANZIG

3.1K 172 9
                                    

 V I E R U N D Z W A N Z I G 

Wie zu erwarten konnte ich mir eine Predigt von meinem Vater anhören, wo ich mich denn den ganzen Tag aufhielt. Ich schwieg währenddessen und gab ihm auch keine Antwort, wo ich war. Zwar wollte ich von meinen Bekanntschaften erzählen, doch ich wusste, dass keiner von ihnen auch nur einen Funken Verständnis hätte. Deshalb schwieg ich und verzog mich in mein Zimmer. Dort schmiss ich mich auf das Bett und sah ein Bild von meiner Mutter an. Sie lächelte darauf. Es war von einer Zeit, wo wir noch nicht auf der Straße lebten. Dies war lange her. Eine Zeit die ich nicht zurückholen konnte. Ich wälzte mich in meinem Bett, doch Ruhe konnte ich nicht finden. Zu aufgewühlt war ich. Schnell stand ich auf, zog mir meine Schuhe und eine dünne Jacke an und ging in die Lobby. Dort wurde ich erneut begrüßt.

»Was kann man hier noch so machen?«, wollte ich von der Dame wissen. Sie lächelte mich an und zeigte auf den Raum, neben dem Essensraum.

»Dort beginnt in zehn Minuten eine kleine Musik Session mit Alex Diehl, vielleicht hast du Lust ein wenig zuzuhören. Musik beruhigt fast jeden Menschen«,sagte sie. Ich nickte und bedankte mich bei ihr. Ohne groß zu überlegen betrat ich den Raum und suchte mir einen Platz in der Nähe von der aufgebauten Bühne. Ich sah, wie sich der Sänger bereit machte und die ersten Töne spielte. Es hatten sich eine Menge Menschen in diesem Raum versammelt und alle nahmen sie nun ihre Plätze ein. Alex begann das kleine Konzert mit ein paar Worten. Ich vermutete dass es eine Ansprache war, denn leider verstand ich kein Wort von dem, was er sagte. Ebenfalls stellte ich schnell fest, dass ich keines seiner Lieder verstehen konnte, weil sie alle auf deutsch waren, doch es machte mir nichts aus, denn der Klang seiner Stimme, die mit der Melodie harmonierte beruhigte mich. Sie verschaffte mir sogar eine Gänsehaut. Ich schloss meine Augen, lächelte und genoss diese Musik. Endlich fühlte ich mich wieder in einer mir klaren Welt angekommen, wo mir niemand etwas anhaben konnte.

»Dich hätte ich hier nicht erwartet«, flüsterte mir jemand ins Ohr. Ich hatte wahrgenommen, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte, doch ich hatte ich aufgeschaut, weil ich dachte, dass es irgendeine Person war. Es war nicht irgendeine Person, sondern Elijah.

»Musik kann genau die richtige Therapie sein, wenn man eine braucht«, sagte ich nur.

»Therapien brauchen nur kranke Menschen und du bist doch nicht krank Milena«, kam von ihm.

»Du liegst so falsch, Elijah. Eine Therapie brauchen nicht nur Menschen mit einer Krankheit. Therapien kann man auch zur Trauerbewältigung nutzen oder wenn dir einfach alles über den Kopf wächst«, informierte ich ihn.

»Und warum brauchst du eine Therapie? Was wächst dir denn über den Kopf?«

»Selbst wenn ich es dir erzählen würde, du könntest es nicht verstehen. Dein Leben lang hattest du alles, was du wolltest, hast bekommen was du wolltest ohne groß etwas dafür zu tun. Nicht alle Menschen haben dieses Privileg. Viele müssen kämpfen und stark sein und genau wenn man das ablegt, muss man sich mit der Realität beschäftigen, welche nur halb so schön ist, wie in der Welt wo man jahrelang gelebt hat. Denk mal drüber nach«, sagte ich zu ihm und lehnte mich zurück, denn ich hatte mich unbewusst nach vorne gelehnt um ihn besser anzusehen. Ich wollte der Musik weiter zuhören, deshalb antwortete ich nicht mehr, als Elijah mich erneut ansprach. Anscheinend hatte er verstanden, das ich nicht reden wollte, denn nach seiner erneuten Ansprache, sagte er nichts mehr. Zumindest so lange, wie ich auf diesem Stuhl saß und der Musik lauschte. 

Am späten Abend, nach dem Konzert, setzte ich mich noch auf die Terrasse und atmete tief durch. Ich überlegte was ich die nächsten Tage machen könnte, außer bei den anderen zu sein. Mir fiel nichts ein, deshalb warf ich den Gedanken über Bord und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Es war ein langer Tag und ein wenig Schlaf würde mir gut tun. 

~

Nun war die erste Woche herum und ich schon so ziemlich alles gesehen, was es hier gab, denn im Gegensatz zu New York war dies hier nichts. Erstaunlicherweise hatte ich meinen Krieg mit Elijah beseitigt. Ich hoffe das es auch so bleibt, denn ich hatte diesen ganzen Stress satt. Mir war auch bewusst, dass ich teilweise selbst Schuld hatte, weil ich so stur war und mich auf das ganze Gehabe eingelassen hatte. Von meiner Vergangenheit hatte ich ihm dennoch nichts erzählt und ich wusste, dass er von nichts wusste. Mein Vater hatte es mir geschworen, als ich ihn gefragt hatte. 

Mein Vater bekam mit, dass ich mich mit ein paar Obdachlosen traf und fand es nicht toll, dennoch konnte er es mir nicht verbieten. Da hatte ich meinen eigenen Kopf. Gegen neun Uhr ging ich immer zu ihnen und brachte ihnen etwas zu essen und etwas zu trinken mit. Mich freute es, dass sie sich so darüber freuten und es tat mir jetzt schon Leid, dass ich in wenigen Wochen wieder nach Hause flog. Heute war Sonntag und ich kam gerade von den Anderen ins Hotel zurück. Ich kam heute ein bisschen früher zurück, denn meine Familie wollte, dass wir heute endlich mal zusammen aßen, denn ich hatte mich in den letzten Tagen immer vom Essen entzogen. Da ich mich auch mit meinem Vater besser verstehen wollte, ging ich also zu diesem Mittagessen. Sie saßen alle schon am Tisch und warteten. Ich ging hin und begrüßte sie. Dann setzte ich mich neben Elijah und sah in die Karte, damit ich mir aussuchen konnte, was ich heute aß.

»Wo warst du?«, wollte Elijah wissen.

»Ein bisschen in der Stadt«, erwiderte ich, allerdings sah ich ihn nicht an. Ich studierte meine Speisekarte weiter.

»Ich wollte dich zum Spazieren gehen abholen«, sagte er leise. Ich schwieg und tat so, als ob ich es nicht gehört hatte. Letztendlich hatte ich mich für einen frischen Salat mit Hähnchenbrust entschieden. Ich bestellte mein Essen und unterhielt mich dann weiter mit Elijah bis das Essen kam. Wir machten aus, dass wir heute Nachmittag ein wenig an den Strand gehen und das schöne Wetter genießen. Mein Vater freute sich sehr, dass wir uns so gut verstanden.

High Hopes - Wenn Hoffnung alles ist, was du hast  #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt