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"Was ? Nein!" Tommy lässt von seinen Beinen ab und versucht seinen Puls zu erfühlen. Ich kauere mich über Louis zusammen, drücke mein Gesicht an seinen Körper, atme seinen Geruch ein. Er ist vermischt mit dem Geruch von Erde und Blut. Wieder lege ich meine Hand in seine, doch dieses Mal bleiben seine Finger bewegungslos, liegen starr in meinen. Mein Körper zittert und der dumpfe Schmerz durchfährt meinen Körper so stark, dass ich nach Luft schnappe. Es fühlt sich so an, als würde jedes einzelne Organ in meinem Körper zerdrückt werden. Ich presse meine Hände an meinen Körper. Noch nie hat etwas so weh getan. Wie mechanisch richte ich meine Waffe auf meinen Körper. Tommy reißt sie mir aus der Hand. "Nein, John. Beruhig dich, wir kriegen das hin." stammelt er, während er seine Finger an Louis Hals drückt, an sein Handgelenk, an alle möglichen Stellen wo man bei dem Menschen Puls messen kann. Er ist völlig neben der Rolle und seine Hände zittern. Ich lege meinen Kopf auf Louis Brust ab. Auf einmal schnelle ich hoch. "Tommy!" Er sieht mich mit großen Augen an. "Ich habe seinen Herzschlag gehört!"

Ich presse mein Ohr wieder gegen seine Brust, will es noch einmal hören. "Bist du sicher ?" Da schlägt es erneut. Ich nicke und er fällt auf die Knie, stößt einen erleichterten Seufzer auf. "Schwach, aber es schlägt noch." Er nickt knapp und verfällt sofort wieder in seine alte Rolle. "Dann müssen wir uns beeilen. Wenn er so schwach ist und außerdem weiter Blut verliert überlebt er keine halbe Stunde mehr."
Ich verstehe sofort, fummele an den Knöpfen meiner Jacke rum. Meine Hände zittern viel zu sehr, als das ich irgendetwas erreichen könnte. Ich atme einmal tief durch. Komm schon John, Konzentrier dich. Als ich meine Jacke ausgezogen habe, hebe ich vorsichtig seinen Oberkörper an. Tommy ist mit seiner Hose fertig, hilft mir ihm meine Jacke über zu ziehen.

Dann tragen wir ihn so vorsichtig wie möglich zur Krankenstation. Ein Sanitäter kommt auf uns zu, zeigt uns wo wir ihn hinbringen sollen. Keiner bemerkt, dass er nicht von uns ist. Der Sanitäter macht eine Handbewegung, die uns andeuten soll zu gehen. Wir bleiben erstmal im Laufgraben, wogegen tatsächlich niemand etwas sagt. "Ich glaube nicht, dass er überlebt." sage ich schließlich leise zu Tommy. "Warum denkst du das ?" antwortet er ebenso ruhig. "Überleg mal wie viele hier nur wegen einer leichten Verletzung gestorben sind, weil es keine Medikamente, aber viel zu viel Dreck und Krankheiten hier gibt. So viele sind an Infektionen gestorben. Louis ist doch schon fast tot. Selbst mit Medikamenten würde er es kaum schaffen. Und dann ohne ?"

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In den nächsten Tagen helfe ich ständig freiwillig im Versorgungsteil. Eigentlich will ich nur bei Louis sein. Während ich mich zu ihm setze, höre ich ein Gespräch zwischen einem Sanitäter und einem Helfer mit. "Morgen soll ein Transporter kommen und ein paar schwer Verletzte werden weggeholt." ist alles was ich aufschnappe.

Als ich ein paar Stunden später wiederkomme, stehen die 20 Leute fest. Sie wurden transportbereit gemacht und in den hinteren Teil gebracht. Louis ist keiner von ihnen ..

Als der Transporter kommt, helfe ich dabei, ihn zu entladen und die Verletzen einzuladen. Es geht ja nicht nur um Louis Leben.
Schon zehn Leute sind auf dem Transporter, als einer von ihnen ganz plötzlich stirbt. "Was machen wir jetzt ? Wir haben niemandem reisefertig, also können nur 19 Leute hier weg." beschwert sich einer der Sanitäter, auf den ich sofort zugehe. "Mein- äh.. Mein Bruder könnte vielleicht mitkommen ? Er ist erst 16 und unsere Familie hat genug Geld um ihn in Deutschland versorgen zu können.." sage ich. "Bitte .." Er sieht mich nachdenklich an. "Was hat er ?" fragt er dann. "Eine Schusswunde im Bein und eine angehende Blutvergiftung." antworte ich wahrheitsgemäß.
Er sieht einen anderen Sanitäter an, der nur mit den Schultern zuckt. "Ok. Henry, geh mal mit dem Jungen mit und hilf ihm seinen Bruder herzuschaffen." weist er einen Helfer an, der in der Nähe steht. Als Louis aufgeladen ist rede ich noch mit dem Fahrer, da er einige Fragen hat. Ich gebe meine Adresse und meinen als seinen Nachnamen an. Dann gebe ich meine Mutter als seine und meinen Papa als seinen Stiefvater an.
Bitte lass es funktionieren.

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Louis ist jetzt seit gestern weg und ich weiß weder ob es funktioniert hat, noch ob er überhaupt noch am Leben ist.
Wahrscheinlich wollte er nicht einmal nach Deutschland, sondern zurück nach England zu diesem Finn und seinem Vater.. Doch ich konnte ihm ja nur so das Leben retten.
Sein Vater wird wahrscheinlich bald eine Nachricht bekommen, dass er erschossen wurde..

Tommy kommt auf mich zu. "Hey.. Wir müssen Louis Sachen loswerden. Nicht das sie noch jemand findet." Ich nicke zustimmend. "Verbrennen wir sie, dass ist bestimmt am Besten." Tommy macht schon mal ein kleines Feuer und ich durchsuche noch schnell alle seine Taschen. In seiner Brusttasche ertaste ich schließlich etwas.

Bernsteinbraun [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt