29.

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Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen und versuche zu schlafen. Es ist zwar noch mitten am Tag, aber ich habe die letzten Tage so gut wie gar nicht geschlafen.
Trotzdem bleibe ich wach liegen, kann nicht aufhören an Louis zu denken. Nach einer Weile stehe ich langsam auf und gehe nach unten, um mit ihm zu reden.
Louis sitzt mit angezogenen Knien auf dem Sofa. Wortlos setze ich mich neben ihn und ziehe ihn auf meinen Schoß, sein Gesicht in meine Halsbeuge. "Tut mir Leid." flüstert er weinend. "Shh.. Shh.. Baby, nicht weinen. Mir tut es auch Leid." Ich drücke ihn ein Stück näher an mich und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn.

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Als meine Eltern mit dem vierten Pass wieder nach Hause kommen, sitzen Louis und ich noch immer kuschelnd auf dem Sofa. Meine Mutter macht Abendbrot und während wir essen, reden wir darüber, wann wir Louis Vater besuchen. "Ich mache mir Sorgen um ihn, ehrlich gesagt würde ich am liebsten so schnell wie möglich zu ihm fahren." wirft Louis ein und Papa nickt. "Das denke ich auch. Meinetwegen können wir heute schon los, in einer Stunde ?" Mama nickt und Louis lächelt. "Danke." "Packt ein paar Sachen ein, wir wissen nicht wie lang wir unterwegs sind."

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Eine Dreiviertel Stunde später haben wir nichts gemacht außer in meinem Bett gelegen und gekuschelt. "Hast du eigentlich noch den Hausschlüssel, den ich dir mal gegeben habe ?" fragt Louis irgendwann. Ich greife in die Nachttischschublade, hole ihn raus und lasse ihn in seine offene Hand fallen. "Was hast du damit vor ?" Er steht vom Bett auf und geht auf meine Zimmertür zu. "Ich will rüber gehen und nach sehen ob vielleicht noch ein paar Sachen von mir dort sind, die ich einpacken könnte. Du solltest auch noch schnell Sachen packen und dann könnt ihr mich ja einfach gleich vor meinem Haus einsammeln, oder ?"

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Wir halten vor Louis altem Haus als er grade durch die Tür kommt. Ohne ein Wort steigt er ins Auto, sieht mich mit leerem Blick an. "Und ? Hast du was gefunden ?" Er nickt, bevor er sich umdreht und aus dem Fenster sieht.

Mein Vater sagt, dass er die Nacht durchfahren will, als es draußen schon langsam beginnt dunkel zu werden. Die ganze Fahrt über war Louis total abweisend zu mir. Meine Mutter schläft bereits, als ich wieder zu ihm sehe. Er hat seinen Kopf noch immer an die Scheibe gelehnt, weshalb ich sein Gesicht nicht sehen kann. "Louis ?" flüstere ich so, dass Papa mich nicht verstehen kann. "Bist du noch wach ?" Er wartet eine Weile, bevor er leicht nickt. Ich schnalle mich ab und rutsche auf den mittleren Platz, um mich dort wieder anzuschnallen. "Rede mit mir, bitte .."
Er setzt sich aufrecht hin, nimmt vorsichtig meine Hände, dreht sie um und zieht meine Ärmel ein Stück zurück.
Ich hindere ihn nicht daran, weiß bereits worauf er hinauswill. Sein Blick bleibt starr auf die beiden großen Narben gerichtet, die sich senkrecht mein Handgelenk entlang ziehen. Ich sehe sie nicht an, lasse meinen Blick auf ihn gerichtet.
"Ich bin ins Bad gegangen, der ganze Boden und die Badewanne waren voll mit getrocknetem Blut und mittendrin lag ein Küchenmesser von uns. Weißt du, was das für ein Anblick war ? Hättest du nicht- warum- ich-.." flüstert er stotternd.
"Warum hast du nichts gesagt ? Ich dachte Herr Rickmann hätte dich davon abgehalten, du hast doch gesagt-" "Ich habe gesagt, dass ich wegen ihm noch am Leben bin. Er hat mich gefunden, aber da hatte ich es schon getan." unterbreche ich ihn. "Tut mir Leid, ich hatte es vergessen." sage ich ruhig. "Wegen mir, oder ? Weil ich weg war." Ich nicke. Dann kommt mir ein Gedanke. "Hast du- Ich meine- Wolltest du auch-.." Er schüttelt den Kopf, bevor ich zu Ende sprechen kann und ich atme erleichtert aus.
Kurz sitzen wir schweigend nebeneinander. Dann strecke ich meine Arme aus und Louis lehnt sich an meine Brust an. Noch eine Weile bleiben wir in dieser Position, bis wir schließlich so einschlafen.

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Louis steht vor der Haustür, hat gerade geklingelt. Nervös verlagert er sein Gewicht von einer Krücke auf die andere, schaut immer wieder zu uns ins Auto.
Dann öffnet sich die Tür und sein Vater sieht ihn an. Er sieht nicht annähernd so aus wie vor einem Jahr;
Unrasiert, ein altes dreckiges Shirt am Körper und eine halb geleerte Bierflasche in der Hand. Am auffälligsten ist sein trauriger Blick.
Dieser hellt sich allerdings sofort auf, als er realisiert wer vor ihm steht.
Man kann vom Auto aus nicht verstehen was sie sagen, aber Louis Vater wirft seine Arme um seinen Sohn und drückt ihn überglücklich an sich.
Sie bleiben noch eine Weile so stehen, bis mein Vater schließlich aus dem Auto steigt und Louis Vater nun ihn anstarrt. "Was .." Mein Vater grinst ihn breit an. "Lang nicht gesehen. Ich hätte deinen Sohn zwar gern behalten, aber ich dachte du möchtest ihn vielleicht auch ganz gern wieder haben." Louis Vater sieht zwischen Louis und Papa hin und her. Mehr als ein "Danke." bringt er nicht hervor, während er Papa entgegen stolpert. "Dank John, er trägt eigentlich die Hauptschuld." sagt mein Vater zu ihm und ich beschließe, dass es jetzt Zeit für mich ist, ebenfalls auszusteigen. Meine Mutter und ich verlassen gleichzeitig das Auto und schließen Louis Vater zur Begrüßung jeweils in eine lange Umarmung.

Nach dem er uns reingebeten hat, hat er sich kurz entschuldigt, um sich zu duschen und umzuziehen. Jetzt kommt er mit Getränken und Essen ins Wohnzimmer zurück. Nachdem er es abgestellt und sich ebenfalls hingesetzt hat, stellt mein Vater die Frage, die jedem von uns seit der Ankunft auf der Zunge liegt. "Ich denke allen ist klar, dass wir nicht hierbleiben. Kommt ihr wieder mit nach Deutschland oder war das nur ein kurzes Wiedersehen vor dem zweiten großen Abschied ?" Louis Vater schüttelt sofort den Kopf. "Nein, wir kommen wieder mit nach Deutschland. Es sei denn Louis würde lieber hier bleiben ?" Er sieht zu Louis der nur den Kopf schüttelt und noch ein Stück näher an mich rückt. "Dann wirst du mich jetzt wohl wieder jeden Tag sehen, Nachbar." Ich lächle ihn an. "Ich kann mir nichts besseres vorstellen, Nachbar." Er lehnt sich näher an mich ran und legt seine Hand unauffällig auf meinen Oberschenkel. "Mir würde da so einiges einfallen, dass besser sein könnte.." raunt er in mein Ohr und bewegt seine Hand langsam nach oben. Doch ich nehme sie und schiebe sie von meinem Oberschenkel runter. "Nicht hier .."
Er steht auf, nimmt eine seiner Krücken und wendet sich an seinen Vater. "Ich zeige John schnell das Haus, ja ?" Sein Vater nickt und redet wieder mit meinen Eltern, während Louis mich aus dem Zimmer zieht. "Ich möchte das Haus eigentlich gar nicht unbedingt sehen." sage ich unschuldig, als wir grade durch die Wohnzimmertür gehen. Louis dreht sich um. "Gut, denn ich hab auch nicht vor, dir das Haus zu zeigen." antwortet er, drückt mich mit dem Rücken gegen die nächste Wand und legt seine Lippen auf meine.

Bernsteinbraun [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt