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Als der Tag endlich vorbei war, dankte ich Gott dafür.
Zuhause angekommen kickte ich mir die Schuhe von den Füßen und warf mich mit dem Gesicht voran ins Bett. Daraufhin stemmte ich mich sofort wieder auf, denn der Schmerz, der mich durchzuckte erinnerte mich an meine eigene Blödheit.
Seufzend drehte ich mich auf den Rücken und ließ mich in die Matratze sinken.
Mum war noch nicht zurück, obwohl wir schon fast neun Uhr hatten, aber das beunruhigte mich nicht sonderlich. Meine Mutter war selten vor zehn Zuhause, da sie neben ihrem Job in der Schule noch eine zweite Stelle hatte in einem Pub in der Nähe, wo sie vier Abende die Woche kellnerte.
Eigentlich sollte ich mir etwas zu essen machen und danach meine Hausaufgaben erledigen, doch ich schaffte es nicht einmal meinen kleinen Finger zu rühren. Meine Lider fühlten sich tonnenschwer an und ehe ich es bemerkte, fielen mir die Augen zu.
In Gedanken durchlebte ich noch einmal den Tag im Schnelldurchlauf. Ich dachte noch, was für ein seltsamer Tag das gewesen war, daran, was Cam wohl denken würde, wenn er an heute zurück dachte - falls er überhaupt mal daran denken würde -, und dann ... dachte ich gar nichts mehr.

Sonnenlicht, das durch mein Fenster schien, weckte mich am nächsten Morgen mit seiner kitzelnden Wärme und der grellen Helligkeit.
Blinzelnd öffnete ich die Augen und gähnte ausgiebig. Ich war noch nie ein Morgenmensch gewesen, aber für gewöhnlich hatte ich nie so große Probleme damit, aus dem Bett zu krabbeln und mich für die Schule fertig zu machen.
Als ich es an diesem Morgen dann auch endlich schaffte aufzustehen und einen flüchtigen Blick auf den Wecker warf, war ich noch so verpennt, dass es einige Sekunden brauchte, bis mein Hirn auf Funktion umschaltete. Ich riss die Augen auf und sah noch einmal zum Wecker.
Scheiße, VERDAMMT!
"Liv?"
Erst als ich meine Mutter rufen hörte, wurde mir bewusst, dass ich laut geflucht hatte ... Um genau zu sein, gebrüllt hatte. Ich zuckte zusammen und versuchte mich zu sammeln.
Verdammt, wie hatte ich nur dermaßen verschlafen können? Die erste Stunde hatte bereits vor fünfzehn Minuten begonnen , und ich stand noch immer halb benommen und noch immer in der Schuluniform von gestern mitten in meinem Zimmer und gaffte auf die Zeitanzeige.
Scheißwecker, warum hatte ich das Klingeln bloß nicht gehört?
Irgendein Schalter legte sich in meinem Kopf um und von halb benommen fuhr ich ruckartig in den "Hektik"-Modus.
Ich schoss ins Badezimmer, pinkelte, duschte und putzte mir die Zähne in übermenschlicher Geschwindigkeit und zog mir rasch eine neue Uniform über.
Ich schnappte mir meine unausgepackte Tasche, raste aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und an meiner verblüfften Mutter vorbei und war aus dem Haus, bevor ihr auch nur eine Silbe über die Lippen kam.
Kurz schoss mir durch den Kopf, was das letzte Mal passiert war, als ich es so eilig hatte, aber lange hielt ich den Gedanken nicht fest. Dazu war ich zu panisch.
Noch nie - nie, nie, niemals! - war ich je in meinem Leben zu spät gewesen - selbst meine Geburt fand an Punkt dem Tag statt, an dem der werte Herr Doktor sie voraus gerechnet hatte. Und jetzt - zwei mal an zwei Tagen hintereinander! Gestern war ich nur dank eines rasenden Irren pünktlich gewesen. Heute hätte selbst Cam mich mit seinem halsbrecherischen Tempo nicht retten können. Dazu wäre nur noch eine Zeitmaschine fähig!
Fünf Minuten bevor der Bus kam erreichte ich die Haltestelle und nutzte die Zeit, um zu verschnaufen. Ich war bereits am Hecheln und hielt mir die Seiten, die schon vor zwei Blocks zu schmerzen begonnen hatten.
Mann, ich sollte vielleicht endlich mal was wegen meiner Kondition unternehmen ... beziehungsweise meiner nicht vorhandenen Kondition.
Als der Bus dann endlich antuckerte und ich einstieg, ließ ich mich auf den erst besten Platz fallen. Ich knirschte mit den Zähnen und versuchte nicht den Busfahrer anzufauchen, während dieser im gemächlichen Tempo weiterfuhr. Oder die Fahrer vor uns anzubrüllen, die uns den Weg versperrten und uns zu einer Geschwindigkeit zwangen, die jede Schnecke übertroff.
Ein Teil von mir fragte sich, warum ich mich überhaupt so aufregte, da ich mein Zuspätkommen ohnehin nicht mehr ändern konnte.
Der andere dachte daran, wie Cam mühelos durch diese Staustrecke gekommen wäre - wo der Busfahrer respektvoll bremste, hätte Cam den anderen Fahrern den Mittelfinger gezeigt und wäre durch eine unwahrscheinliche Lücke davon gebraust.

Wer will schon einen Prinzen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt