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Als ich am nächsten Tag in die Küche kam, war meine Mutter bereits wach und bereitete Frühstück zu. Ich nuschelte ein "Morgen" und ließ mich auf einen Stuhl am Esstisch fallen.
Es war überraschend, meine Mutter so früh auf zu sehen. Kaum, dass ich mich jedoch bemerkbar gemacht hatte, wirbelte sie zu mir herum und die Sorge stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
"Guten Morgen, Maus! Wie fühlst du dich?"
"Gut." Miserabel. Obwohl ich gestern früher als gewöhnlich ins Bett gegangen war, fühlte ich mich, als hätte ich kein Auge zu bekommen. Normalerweise gehörte ich zu den Menschen, die kaum träumten, aber letzte Nacht hatten mich die wirren Bilder in meinem Kopf im Schlaf hin und her wälzen lassen. Jetzt fühlte ich mich einfach nur ausgelaugt und würde am liebsten direkt wieder ins Bett schlüpfen.
Anscheinend sah man mir mein Empfinden an der Nasenspitze ab, denn Mum kaufte mir meine Lüge nicht ab.
"Von wegen 'gut'. Du siehst aus wie eine der Kreaturen aus dieser Serie, die du dir immer ansiehst!"
"Welche von allen?" Denn im Gegenteil zu dem was Cam geglaubt hatte verachtete ich Serienjunkies nicht. Ich war selbst einer!
"Na die, mit den ekeligen Dingern, die Menschen fressen!" Sie verzog gespielt angewidert das Gesicht und ich musste ein Lachen unterdrücken.
"Meinst du The Walking Dead? Das sind übrigens Zombies." Jetzt musste ich doch kichern.
Mum verdrehte die Augen. "Ich weiß, dass das Zombies sind."
Yup, klang ganz danach. "Und du musst deutlich an deinen Komplimenten arbeiten! Stell dir vor du triffst einen Typen, den du super sexy findest und gerne mit ihm ausgehen würdest! Was würdest du denn zu ihm sagen? Du bist so süß wie ein Baby-Orca und deine Augen sind so hübsch wie Marienkäfer .... Lass uns doch was essen gehen!"
Meine Mutter zielte mit dem Geschirrtuch nach mir und ich prustete.
"Nimm deine arme Mutter ruhig auf den Arm", meinte sie gespielt gekränkt. Plötzlich blitzte der Schalk in ihren Augen. "Aber, sag mal. Wie würde denn dieser sexy Typ denn aussehen? Vielleicht groß, mit dunklen Haaren und blauen Augen?"
Ich verschluckte mich. Das Lachen war mir schlagartig vergangen.
Natürlich merkte Mum es sofort - ihre Augen glitzerten triumphierend, als sie erkannte, dass sie den richtigen Punkt getroffen hatte. "Oh, und wie wäre es, wenn er ein echter Prinz wäre ..."
"Mum!" Meine Wangen brannten, sogar meine Ohren brannten,und ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass meine Haut gerade im selben Rot Ton leuchtete wie eine Straßenampel. "Ich ... du ... Cam ist nicht..."
"Aber ... wer hat denn von Cam gesprochen?" Spöttisch verzog sie den Mund zu einem Grinsen und ihr Blick sagte mehr als deutlich "Erwischt!"
"Verdammt, da ist nichts mit Cam! Er ist nur ein Klassenkamerad! Und es war sehr offensichtlich, auf wen du angespielt hast!"
Meine Mutter blinzelte mich nur an und erst jetzt wurde mir klar, dass ich sie praktisch angeschrien hatte.
Himmel, was war in letzter Zeit nur los mit mir? Hatte ich mir vielleicht doch einen Virus eingefangen? Ich blickte an mir runter, über die Schuluniform, die ich mir übergezogen hatte. Vielleicht blieb ich heute doch besser im Haus?
"Ach, Schatz. Reg dich doch nicht so auf." Als ich aufschaute lächelte mich meine Mutterzärtlich an. "Es ist doch nichts Schlimmes, wenn man jemanden mag."
Himmel, was! "Ich mag Cam nicht! Um genauer zu sein, bringt er mich ständig auf die Palme und am liebsten würde ich ihm eine Pfanne über den Schädel ziehen! Und zwar mehrmals!"
Daraufhin lachte sie nur und stellte einen Teller mit gebratenem Speck und Rührei vor mir auf den Tisch. "Und ich bin mir sicher, du glaubst das tatsächlich."
Bitte? Was sollte denn das jetzt heißen?
"Aber glaubst du wirklich, ichwüsste nicht, warum er dich gestern nachHause gefahren hat?" Eine Schärfe lag plötzlich in ihrer Stimme, die mich erschrocken blinzeln ließ. "Ich arbeite in der Schule, Olivia, denkst du wirklich, ich würde da nichts mitbekommen?" Tränen glitzerten in Mums Augen und ich bekam einen Kloß im Hals. Ich hasste es, meine Mutter weinen zu sehen! Das zerbrach mir jedes Mal aufs neue das Herz. Obwohl sie für mich immer die Stärke, Unbesiegbare spielte, wusste ich es doch immer, wenn es ihr schlecht ging. Ich wusste, dass meine Mutter viel weinte, immer heimlich - und jedes mal brach ein Stück von mir mit ihr.
Aber diesmal liefen ihr keine Tränen über die Wangen. Stattdessen wurden sie verdrängt von Wut und einem anderen Gefühl, dass ich noch nie auf dem Gesicht meiner Mutter gesehen hatte - puren, abgrundtiefen Hass "Allein dafür, dass Cameron meiner Tochter vor diesem Pack zur Seite gestanden hat, wird für ihn an meinem Tisch immer ein Platz frei sein."
Ich schluckte. Warum klangen ihre Worte in meinen Ohren nur wie eine Kampfansage?

Kurz darauf hatten wir da Frühstück beendet und ich half Mum beim abspülen - unsere Spülmaschine hatte vor Kurzem den Geist aufgegeben und eine neue könnten wir uns nicht leisten. Um 7.25 Uhr zog ich mir schließlich meinen Blazer über und schnappte mir meine Schultasche. Kaum hatte ich die Tür geöffnet fiel meine volle Aufmerksamkeit auf den schwarzen Wagen, der praktisch direkt vor unserer Haustüre parkte.
Ein Range Rover.
Ein Range Rover, der mir ziemlich bekannt vorkam.
Kaum war mir der Gedanke durch den Kopf gegangen, glitt das schwarzgetönte Fenster auf der Beifahrerseite runter und im Schatten des Verdecks erkannte ich eine vertrauteGestalt.
"Da bist du jaendlich! Ich dachte schon, die würdest mich hier Wurzeln schlagen lassen!"
Wie wär das mit dem Teufel und so? Ich konnte nicht fassen, dass Cam auf unserem Rasen parkte ... Und auf mich wartete! Was, um alles in der Welt, machte er hier?
Ich war soperplex, dass ich einfach nur im Tür Rahmen stehen blieb und mit offenem Mund zu ihm rüber gaffte.
Eine Bewegung hinter mir riss mich aus meiner Starre. "Oh nein", hörte ich meine Mutter sagen. Ihre Stimme klang, als versuchte sie ein Lachen zu unterdrücken. "Ist das nicht süß? Cameron will dich in die Schule fahren!" Fast hätte ich mich wieder verschluckt - Cam und süß? Niemals! Grinsend sah Mum mich an. "Tja, ich schätze, heutzutage kommen Prinzen nicht mehr auf Pferden angeritten."
Ich machte den Mund auf, um eine schlagfertige Antwort zu erwidern, aber mir viel nichts ein, als grummelte ich nur ein"Bis später" und ging die Veranda runter.
"Und, Schatz! Sei nicht allzu kratzbürstig! Dann küsst er dich das nächste Mal vielleicht nicht nur auf die Wange!"
Da stolperte ich über meine eigenen Füße und krachte die Verandastufen runter.

Wer will schon einen Prinzen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt