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Obwohl Ms Laroque mich gebeten hatte, noch zum Frühstück zu bleiben, und ich mich heimlich über das Angebot freute, wollte ich doch so schnell wie möglich zu meiner Mum. Ich war so sauer auf Cam, dass ich erwog, zu Fuß nach Hause zu gehen - dann fiel mir allerdings auf, dass ich keine Ahnung hatte, wo wir uns gerade überhaupt befanden.

Und als Cam mir dann erklärte, dass das Anwesen seiner Familie eine Stunde außerhalb von London lag, sank mir das Herz in die Hose. Widerwillig ließ ich mich dann doch von ihm nach Hause fahren. Als wir das Haus verließen, klappte mir der Mund auf - der Begriff Anwesen war nicht übertrieben. Das war kein Haus, sondern ein verdammter Palast! Das Gebäude, welches Cam sein Zuhause nannte, glich dem Gut, das sich der Graf von Monte Cristo  in dem Film zulegte, nach dem er den Schatz gefunden hatte. Mir wurde schlagartig klar, dass ich nicht einmal den Bruchteil des Hauses gesehen hatte.

Unterwegs versuchte Cam mich in ein Gespräch zu verwickeln, doch ich blockte jedes Mal ab. ich war weder in der Stimmung, mit ihm zu reden, noch hatte ich genug Nerven dafür übrig. Am Ende wäre ich ihm wahrscheinlich während der Fahrt an die Gurgel gesprungen. Da schwieg ich lieber, bevor ich aufgrund Mangels an Kontrolle einen Unfall baute. 

Irgendwann verstand auch Cam den Wink mit dem Zaunpfahl und hielt die Klappe. Erleichtert schloß ich die Augen.

Ich hatte mich tief in den Beifahrersitz sinken lassen, und ließ meine Gedanken zu der seltsamen Gruppe wandern, die die Laroques bildeten. Ich hätte mit vielem gerechnet, aber ganz bestimmt nicht auf ... das.

Dass sie mich so freundlich behandeln würden, ja fast schon herzlich. So wie auch bei Cam hatte ich schnell vergessen, dass die Menschen, in deren Gesellschaft ich mich befand, nicht einfach irgendwelche Leute waren.

König. Königin. Prinzen. Prinzessin.

Als ein Mädchen des 21. Jahrhunderts fiel es mir schwer, die Bezeichnungen auf die Personen zu projizieren, die da vor mir standen. Der Gedanke schien einfach zu surreal, also hatte ich ihn fast unbewusst ausgeblendet. Und mich verhalten, wie eine Gestörte.

Und was machten sie? Sie luden mich zum Frühstück ein.

Zugegeben, ich konnte nicht anders, als Sympathie für Cams Familie zu empfinden. Seine Mum erinnerte mich ein wenig an meine eigene - mit ihrem warmen Blick und der herzlichen Umarmung, mit der sie mich verabschiedet hatte. Vielleicht war das einfach so ein Mutter-Ding? Im Gegensatz aber zu Mrs Laroques edlem Auftreten, glich Ellie einem Kolibri - schillernd und lebensfreudig. Sie gehörte zu der Sorte Mensch, die man auf Anhieb einfach ins Herz schließen musste. Und nur zu gerne würde ich ihrer Einladung nachkommen, und sie in Zukunft öfters Besuchen und mit ihr etwas unternehmen. Ich hatte das Gefühl, mit ihr würde ich eine großartige Zeit verbringen.

Dann war da noch Aeden. Aeden war das genaue Gegenteil seines Bruders. Er war ruhig, fast schon zurückhaltend. Stets lächelnd und mit einem freundlichen Blick, kam er bestimmt mit jedem gut aus. Dass er ein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit erleidet hatte, sah man ihm nicht im geringsten an. Dafür bewunderte ich ihn.

Zum guten Schluss war da allerdings noch Cams Vater. Ich wusste ehrlich gesagt noch nicht, was ich von ihm halten sollte. Er schien kein Mensch zu sein, der viel lächelte, oder gar lachte. In seinem Blick lag stets eine gewisse Strenge, insbesondere wann immer er auf Cam fiel. Mir war aufgefallen, dass Cam sich in der Anwesenheit seines Vaters öfters verkrampfte. Natürlich hielt das den Schwachkopf aber nicht davon ab, sich daneben zu benehmen. 

Ich fragte mich, wie es wohl sein mochte, in einer so großen Familie aufzuwachsen. Für mich hatte es immer nur meine Mum gegeben, da mein Dad uns noch vor meiner Geburt verlassen hatte. Ich wusste nicht, wer er war, und es war mir egal. Er hatte meine Mutter allein gelassen, als sie ihn gebraucht hätte - das war alles, was ich wissen musste. Mum hatte mir zwar oft genug erzählt, dass er nicht meinetwegen gegangen war und dass sie auch froh war, dass er nicht Teil unseres Lebens war. Aber manchmal fragte ich mich doch, ob die beiden noch zusammen und glücklich wären - ob das Leben meiner Mutter besser wäre - wenn sie mich nicht bekommen hätte. Zumindest nicht so früh. Meinetwegen hatte sie ihr Studium abbrechen und auf alle ihre Träume verzichten müssen.

Wer will schon einen Prinzen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt