Blutiger Kuss

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Es verging eine Woche und im Laufe der Zeit nahm die Zahl der Schwindel-und Übelkeitsanfälle, unter denen Hime trotz genügend Essen und Trinken hatte leiden müssen, endlich wieder ab. Mehr als einmal hatte sie sich aus dem Unterricht zurückziehen und ins Krankenzimmer bringen lassen müssen. Wie durch ein Wunder waren die Bissspuren, die Kanato ihr beigebracht hatte, jedoch unbemerkt geblieben. Zum Glück.

An diesem Abend hatte Hime zum ersten Mal seit dem nächtlichen Überfall wieder am Sportunterricht teilgenommen, und um ehrlich zu sein, hatte sie sich davor gefürchtet, dass ihr Kreislauf auch dort versagen würde. Aber nichts dergleichen war geschehen und darüber war sie unglaublich froh. Nicht nur, dass sie so nicht den Eindruck machte, als wolle sie schwänzen, es erleichterte sie auch, dass sie sich offenbar wieder erholt hatte.

Nun stand sie im Duschraum vor dem Spiegel über dem Waschbecken, vergewisserte sich mit einem letzten Blick, dass ihre Klassenkameradinnen die Umkleidekabine verlassen hatten, und knöpfte dann ihre Bluse ein wenig auf, betrachtete die roten Flecken, die noch immer ihren Hals und ihre Schultern zierten. Noriko hatte ihr den Tipp gegeben, die auffälligsten Wunden, sobald sie nicht mehr offen waren, mit Concealer zu kaschieren. Es funktionierte, zumindest, wenn man nicht genauer hinsah. Aber das tat ja niemand.

Dummerweise hatte Kanato leider nicht darauf abgezielt, saubere Löcher zu stanzen, wie Kou es wohl bei Noriko tat, nein, Kanato hatte wirklich hässliche Wunden gerissen. Das hatte Hime schon eine Woche zuvor bemerkt, aber immer und immer wieder, jedes Mal, wenn sie in den Spiegel blickte, wurde ihr von Neuem klar, dass sie wohl auf ewig von ihm gezeichnet sein würde, schon jetzt hatte sich eine dicke Kruste dunklen Schorfs gebildet und dass Narben zurückbleiben würden, war mittlerweile leider unausweichlich.

Dazu kam, dass es wirklich sehr viel Selbstbeherrschung erforderte, nicht zu kratzen, denn die abheilenden Wunden juckten ganz fürchterlich. Allerdings würde ein erneutes Aufreißen der Verletzungen alles nur noch verschlimmern, darüber war Hime sich ebenfalls im Klaren. Wie hält Noriko das nur aus?, fragte sie sich im Stillen resigniert.

Aus ihrer Sporttasche, die sie auf dem Rand des Waschbeckens abgestellt hatte zog sie den Abdeckstift, den sie allein zu diesem Zweck gekauft hatte, und begann, die Wunden, die ihren Hals zierten, zum dritten Mal an diesem Tag zu übertünchen. Vielleicht würden ihre Eltern ja doch wider Erwarten zu Hause sein ... Was die Wunden an ihrer Schulter anging, hatte sie diese nur für den Sportunterricht vertuschen müssen, wo sie ein Top getragen hatte.

Sie fuhr erschrocken zusammen, als plötzlich die Tür am anderen Ende des Raumes geöffnet wurde und reflexartig zog sie ihre Bluse wieder nach oben.

„Oh, ist das ein ungünstiger Zeitpunkt, Hime-chan?", wollte Raito belustigt wissen.

Hime schmiss den Abdeckstift aus Versehen ins Waschbecken und knöpfte eilig ihre Schuluniform wieder zu, während sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss.

Welcher Idiot von einem Architekten war eigentlich auf die unfassbar bescheuerte Idee gekommen, in einer Sporthalle, die in erster Linie für Schüler gedacht war, die Umkleidekabinen für Jungen und Mädchen durch den Duschraum zu verbinden?!

„Was zum Geier hast du hier zu suchen, du Perversling?!", fauchte Hime ihren Klassenkameraden ungehalten an und griff dann mit zitternden Händen nach dem Concealer, machte kehrt und ging eiligst in die Mädchenumkleidekabine zurück, wo sie ihre restlichen Sachen in die Tasche stopfte. Ihr Herz pochte wie verrückt vor Schreck.

Raito gluckste nur vergnügt und folgte ihr einfach in die Kabine. „Du solltest mir lieber dankbar sein", sagte er und Hime wollte glatt ihren Ohren nicht trauen, doch er sprach vollkommen ungerührt weiter. „Ich kenne zumindest den Ursprung der Wunden an deinem Hals. Was könnten nur für hässliche Gerüchte in Umlauf kommen, wenn andere davon erführen?" In seiner Stimme schwang unverkennbar ein teuflischer Unterton mit.

Diabolik Lovers ~ Bloody IncisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt