Die Ruhe nach dem Sturm

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Es kam Hime vor, als hätte sie eine Ewigkeit geschlafen.

Sie war sich selbst nicht sicher, woher sie wusste, dass es sehr lange gewesen war. Es war nur so ein Gefühl, dieses Gefühl, wenn man vergessen hat, den Wecker anzustellen, montagmorgens viel zu spät aufwacht und schon innerhalb der ersten paar Sekunden weiß, dass das nicht so gut ist. Denn zugleich fühlte sie sich auch wie erschlagen.

Und außerdem ... hatte sie absolut keinen Schimmer, welcher Tag überhaupt war. Ihr Kopf fühlte sich an wie Brei, sie bekam kaum einen Gedanken zusammen.

Als sie schließlich die Augenlider nur ein Stück weit hob, kam ihr die weiße Decke viel zu hell vor, und geblendet wollte sie sich eine Hand über das Gesicht legen, doch sie konnte ihren Arm nicht heben. Genau genommen spürte sie gar nichts.

Ihr ganzer Körper war gelähmt. Sie spürte weder ihre Hände noch ihre Beine und auch sonst nichts, es fühlte sich an, als wäre sie gar nicht mehr da. Als sei ihr ganzer Körper einfach weg. Sie war vollkommen paralysiert. Normalerweise hätte diese Erkenntnis sie wohl in Panik versetzt, doch ihre Gedanken liefen ebenfalls nur sehr träge ab, sodass sie sich vielmehr über dieses eigenartige Gefühl wunderte.

Am Rande nahm sie wahr, dass eine Tür geöffnet wurde, das Geräusch schmerzte auch in ihren Ohren, als ob es das lauteste sei, das sie je gehört hatte, und zugleich war ihr Gehirn voll und ganz damit beschäftigt, den Ton zuzuordnen und zu orten.

„Hime!", rief dann eine vertraute Stimme, eine Mädchenstimme, und im nächsten Moment schob sich ein Gesicht in ihr Blickfeld, verdunkelte die helle Zimmerdecke, zum Glück.

Aiko-chan, wollte Hime eigentlich sagen, doch sie schaffte es nicht, den Mund zu öffnen, kein Laut verließ ihre Kehle, es dauerte sogar einige Augenblicke, bis sie ihre kleine Schwester überhaupt erkannte, es vergingen einige Sekunden, in denen sie das Mädchen einfach nur verständnislos aus halb geöffneten Augen anstarrte.

Im nächsten Moment wurde Aiko von einer weiteren Person an der Schulter zurückgezogen. „Gib ihr ein bisschen Zeit, die Ärzte haben gesagt, es wird noch eine Weile dauern, bis die Narkose abklingt", vernahm Hime die dunkle Stimme ihres Vaters.

Narkose ...?, fragte sie sich jedoch nur verwundert und sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Augen erneut zufielen. Was ist denn nur los? Aiko-chan, Vater ... sprecht mit mir ... Was ist los?

„Hime, meine Kleine, ich hatte solche Angst", wisperte da Himes Mutter und Hime spürte wie durch Watte, dass ihre Hand angehoben wurde und ein warmes Gefühl durchflutete sie. „Aber jetzt ist alles gut, es kommt alles wieder in Ordnung ..."

„Sie hört dich nicht, Mama", sagte Aiko leise.

Ich höre euch!, wollte Hime ihrer jüngeren Schwester widersprechen, doch sie konnte nicht, so sehr sie es sich auch wünschte. Sie war nicht einmal mehr in der Lage, die Augen zu öffnen, sie war wie gefangen in dieser klebrigen, zähen Schwärze, die sie wie mit zahlreichen Tentakelarmen wieder zurückziehen wollte, dieser bleiernen Müdigkeit, die wie ein Felsbrocken auf ihr lastete.

Aber sie war froh, dass ihre Familie da war, sie war ganz in der Nähe, sie war bei ihr, und Hime war darüber so glücklich, so beruhigt, dass sie den Versuch, sich wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins zu kämpfen, vorerst aufgab und noch einmal in der erschöpften Bewusstlosigkeit versank, aus der sie nur kurzzeitig erwacht war.

Das nächste Mal erwachte sie, als sich eine schwarze Silhouette über sie schob, und Himes Augenlider flatterten unruhig, doch dieses Mal war das Bild, das sie wahrnahm, deutlich klarer. Geblendet zuckte sie zurück und kniff die Augen zusammen, als die Gestalt sich wieder entfernte und Hime so den Blick auf diese grässliche weiße Zimmerdecke freigab, von den gleißend hellen Leuchtstoffröhren ganz zu schweigen.

Diabolik Lovers ~ Bloody IncisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt