Glücklich

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Als Hime am Montag in den Bus stieg, kam ihr alles vor wie ein einziges Déjà-vu. Als ob sie das alles schon einmal erlebt hätte. Und das gefiel Hime überhaupt nicht. Es war alles genau wie an dem Abend, an dem sie Kanatos Zerstörungswut zum Opfer gefallen war.

Derselbe Bus, derselbe Busfahrer, dieselben Personen im Bus. Da waren diese drei Mädchen und die zwei Jungen, die auf Himes Schule gingen, die ältere Dame, die schon eine Station weiter wieder aussteigen würde, die zwei jungen Männer, die, ihren Jacken nach zu urteilen, in einer der am Stadtrand ansässigen Firmen arbeiteten.

An sich war das nichts Besonderes. Diese Menschen fuhren immer mit diesem Bus, genau wie Hime auch. Es war schon das ganze vorangegangene Schuljahr über nicht anders gewesen. Doch jetzt wirkte all das nicht mehr vertraut, sondern vielmehr beunruhigend auf Hime.

Ein Gefühl der Beklommenheit breitete sich in ihrem Magen aus, eine Angst, die sie nicht einfach verdrängen konnte, griff nach ihrem Herzen und drohte es zu zerquetschen, es war, als schlossen sich bleiche kalte Finger darum und drückten unbarmherzig zu ... so, wie Kanato es mit Himes Hals getan hatte, an jenem kalten Abend vor vier Wochen.

Mit weichen Knien ließ Hime sich auf einen freien Platz sinken und rutschte ans Fenster, blickte auf die Rückseite des Sitzes vor sich und umklammerte ihre Schultasche, versuchte, die vollkommen irrationale Angst, all das noch einmal erleben zu müssen, von sich zu weisen, mit ihrem gesunden Menschenverstand zu bekämpfen, doch es war nutzlos ...

Niemals würde sie wohl Kanatos grausames Lächeln und sein wahnsinniges Lachen vergessen, nicht seine ohne jedes Mitleid gesprochenen Worte und auch nicht seine Hand, die sie für einige unendliche Augenblicke hatte glauben lassen, gleich ersticken zu müssen.

Für viel zu viele qualvolle Momente hatte sie erfahren, was es hieß, Todesangst zu haben.

Als er sie angesprochen hatte, als sie vor ihm geflohen war, als er sie verspottet hatte, als sie miteinander gerungen hatten, als er dafür gesorgt hatte, dass sie sich mit ihren eigenen Händen ein Messer zwischen die Rippen jagte ...

Hime kniff die Augen zusammen und versuchte, all diese Gedanken abzuschütteln, doch hinter ihren geschlossenen Augenlidern warteten nur noch mehr Erinnerungen, die sie einfach nicht loslassen wollten, die sie verfolgten, wann immer sie vor die Haustür trat oder einfach nur mit sich selbst alleine war. Mittlerweile fürchtete sie das Alleinsein.

Ich werde wahnsinnig, dachte Hime voller Grauen und blickte nun beinahe wie betäubt in die Schwärze vor dem Fenster hinaus. Aber das will ich nicht. Ich kann nicht zulassen, dass ich den Verstand verliere ... Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Mutter, Vater, Aiko-chan, Noriko ... Azusa-kun ... ich muss das durchstehen. Für die, die mir wichtig sind, betete sie fest vor sich her.

Doch natürlich war das einfacher gesagt als getan, ihre Gedanken ließen sich nicht vertreiben. Es war genau genommen schon längst zu spät, die Paranoia befiel sie, sobald sie das Haus verließ und niemanden bei sich hatte, der sie allein durch seine Anwesenheit davor bewahrte, zum potentiellen Ziel eines skrupellosen Vampirs zu werden.

Auch an diesem Abend war Hime regelrecht zur Bushaltestelle gerannt, und sie war zu früh dagewesen und hatte schrecklich gefroren, aber es waren andere dagewesen, die mit ihr zusammen auf den Bus gewartet hatten und das hatte Hime wieder beruhigt.

Und dabei ist das doch völliger Unsinn, dachte Hime verzweifelt. Die Sakamakis wissen nicht, wo ich wohne ... Aber auch da meldeten sich sofort böse Stimmen in ihrem Hinterkopf. Wer sagt das? Hime seufzte und sie spürte einen dicken Kloß in ihrem Hals, der ihr das Atmen erschwerte. Sie musste unbedingt aufhören, darüber nachzudenken. Denn wenn sie mir wieder auflauern, ist es ohnehin zu spät für alles ... Sie schluckte schwer.

Diabolik Lovers ~ Bloody IncisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt