2. Blutige Visionen

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Viel Spaß mit Kapitel 2 :)

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Nachdem Hannibal und Will gegessen hatten, waren bei beiden Anzeichen der Müdigkeit sichtbar. Nach einer kurzen Zeit des Anstarrens ergriff Will das Wort.

»Ich denke, ich werde mich nun zurückziehen. Gute Nacht.«

Plötzlich fiel Will ein, dass er gar nicht wusste, wo sich hier ein Schlafzimmer befand.

»Wären sie vielleicht so freundlich mir zu sagen, wo hier eines der Schlafzimmer ist?«

Hannibals darauf folgendes Grinsen löste in Will ein zutiefst ungutes Gefühl aus.

»Eines? Es gibt nur ein Schlafzimmer hier mit einem Doppelbett.«

Will glaubte es einfach nicht.
So ein riesen Haus und es hat nur ein Schlafzimmer? Er wusste nicht so recht, was er nun sagen sollte, denn auf der Couch im Wohnzimmer könnte er nicht schlafen, da diese völlig zerstört war. Es blieb ihm also scheinbar keine andere Möglichkeit.

»Na ja, so wie es aussieht, haben wir wohl keine andere Wahl. Ich werde auf dem Boden schlafen.«

»Nein, sie werden sich sonst eine Lungenentzündung zuziehen. Außerdem, wovor haben sie denn Angst, Will? Ich beiße schon nicht, keine Sorge.«

Hannibals Grinsen war weiter, als dass vom Joker. Will bekam Magenkrämpfe, wenn er sich davon ein Bild in seinem Kopf machte. Aber im Moment hatte er keine andere Wahl. Ohne ein weiteres Wort ging Will nach oben, begann sein Hemd aufzuknöpfen und machte sich allerhand Gedanken um seine momentane Situation.
Ich bin in einem Haus mit einem der gefährlichsten Menschen auf dieser Welt und wir reden fast miteinander, als wären wir Freunde... Wie soll es jetzt nur weitergehen?
Will hatte sich anscheinend in seinen Gedanken verloren, denn er bemerkte gar nicht, dass Hannibal plötzlich hinter ihm stand.

»Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen auch beim Aufknöpfen helfen.»

Will durchfuhr ein Schreck und er stand sofort auf.

»Nein, danke! Dazu werde ich wohl noch selbst in der Lage sein!«

Will drehte sich um und zog nun sein Hemd aus, während Hannibal dasselbe tat. Gerade als Will eine Decke und ein Kissen auf den Boden legen wollte, musterte Hannibal dies mit einem leicht angespannten Blick.

»Hatte ich Ihnen nicht gesagt, ebenfalls im Bett zu schlafen?«

»Ja, das hatten sie, aber ich schlafe gewiss nicht mit Ihnen in einem Bett!«

Hannibal lachte leicht.

»Oh doch, das werden Sie, da Sie sonst krank werden. Zur Not werde ich sie hier auch fest binden, wenn es sein muss.«

Bei diesen Worten machte sich ein Bild in seinem Kopf breit und Will beschloss kurzerhand, dass es vielleicht doch besser war, zumindest für diese eine Nacht freiwillig mit Hannibal in einem Bett zu schlafen.

»Also gut... Aber nur dieses eine Mal. Und wenn Sie mich auch nur anhauchen in der Nacht, dann bringe ich Sie um!«

Anstatt zu antworten nickte Hannibal nur und legte sich als erster in das äußerst kleine Bett. Will folgte ihm und drehte ihm den Rücken zu.
Bitte er stellt nichts seltsames an heute Nacht, betete Will nur.

Mitten in der Nacht wurde Will wach, da Hannibal Geräusche von sich gab.
Jetzt muss ich ihn auch noch aufwecken, dachte Will. Gerade als er Hannibal etwas rütteln wollte, hörte er, wie dieser immer wieder ein und denselben Namen rief.

»Mi... Mischa... Nein, Mischa nicht! Nein!«

»Hannibal! Hannibal, wachen sie auf!«

Mit einem Mal saß Hannibal senkrecht im Bett. Ihm tropften Schweißperlen von der Stirn und auf einmal, nahm Will die Narben wahr, die sich auf Hannibals muskulösen Körper abzeichneten. Eigentlich war Will ja egal, was Hannibal beschäftigte, aber er wollte wissen, wer diese Mischa war, die Hannibal in seinen Träumen rief.

»Wer ist sie?«

»Wer?«

»Na, diejenige, dessen Namen Sie im Schlaf riefen. Mischa.«

Hannibals Augen weiteten sich und er schien etwas peinlich berührt. Eine lange Zeit schwieg er, doch dann ergriff er das Wort.

»Mischa, war meine kleine Schwester. Als 1944 die Rote Armee kam, wurden meine Eltern getötet. Ich und meine kleine Schwester Mischa waren auf uns allein gestellt und einige Soldaten drangen in unser Haus ein und hielten uns dort fest. Da ihre Versorgung zur Neige ging, töteten sie meine kleine Schwester und machten eine Suppe aus ihr. Ohne mein Wissen boten sie mir etwas davon an und ich aß sie. Als ich das rausfand, habe ich einen nach dem anderen getötet und mich somit an ihnen gerächt.«

Will konnte es nicht glauben.
Das erklärt natürlich einiges, was Hannibal angeht. Nun war ihm klar, warum Hannibal zu Kannibalismus neigte.

»Das tut mir sehr leid. Jetzt verstehe ich wenigstens, woher Sie ihre Veranlagung haben.«

Hannibal schaute Will direkt in die Augen und Will wusste diesen Blick nicht zu deuten. Hannibal war so undurchschaubar wie sonst auch.

»Ja, jetzt kennen sie meine Geschichte. Und jetzt wissen Sie auch, dass es mal jemanden in meinem Leben gab, den ich aufrichtig liebte. Und ich habe sie gegessen.«

Er sagte diese Worte mit so einer gewissen Gleichgültigkeit, dass es Will ein bisschen erschrak.
Wie konnte er über so etwas einfach so reden, ohne mit der Wimper zu zucken?
Will war nun etwas erleichtert, dass er Hannibals Vergangenheit kannte, war sich aber trotzdem bewusst, dass dies keineswegs etwas in Bezug auf Hannibals Taten änderte. Er hatte Menschen getötet und anderen Menschen serviert. Er war nicht wirklich besser als diejenigen, die seine Schwester gekocht und ihm vorgesetzt hatten.

»Wissen Sie... Ich kann nur Frieden finden, indem ich andere Menschen esse. Das ist meine Art ihnen zu verzeihen.«

Will hatte nun etwas Angst. Er selbst hatte Hannibal verraten. Das heißt also, Hannibal müsse ihn essen, um ihm zu verzeihen. Bei diesem Gedanken und dieser Vorstellung löste sich in Will ein Brechreiz aus und er musste husten.

»Ist alles in Ordnung, Will?«

»Ja, ja, ist schon in Ordnung, ich hatte nur...«

»... Angst, dass ich sie essen werde?«

Er wusste wirklich genau, was in Wills' Kopf vorging. Kein Wunder, er war schließlich für längere Zeit sein Psychiater gewesen.
Will begann nun am ganzen Körper zu zittern.
Würde er mich wirklich irgendwann verspeisen?, dachte Will.
Hannibal bemerkte wohl, dass Will zitterte.

»Machen Sie sich keine Sorgen. Sie werde ich nicht verspeisen. Noch nicht. Sie sind etwas Besonderes.
Aber nun genug geredet. Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns, also sollten wir jetzt schlafen. Gute Nacht, Will.«

»G... Gute Nacht, Doktor Lecter.«

Als ob ich jetzt noch schlafen könnte!, dachte Will. Nach diesen Worten von Hannibal hatte Will noch mehr Angst vor ihm als je zuvor. Denn tief in seinem Innern wusste Will, dass Hannibal ihn eines Tages töten würde. Doch wann genau dies sein würde war noch ungewiss und das war es, was Will am meisten beunruhigte. Es könnte einfach jederzeit passieren. Morgen, oder in mehreren Wochen... Diese Ungewissheit zerfraß Will und er wusste nicht, wie er jetzt weiter mit Hannibal verfahren sollte. Für's Erste war er gezwungen den Loyalen zu spielen und dieses gefährliche Spiel weiter voran zu treiben.

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