Chapter 1-Frisch aus dem Gefängnis

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„Nein, Sam, ich werde da nicht hin gehen, vergiss es."
Entschieden und mit deutlichem Nachdruck schlug ich meinen blauen Spind zu. Konzentriert drehte ich die Zahlen an dem schwarzen Schloss. Die weisse Farbe war beinahe völlig abgeblättert, also war es mehr ein Raten. Auch wenn es neben meinen Schulbüchern darin nicht viel zu klauen gab, wollte ich doch sichergehen und das Schloss einrasten hören. Samantha rollte die Augen.
„Komm schon, da gibt es gratis Alkohol, heisse Kerle und Flaschendrehen."
Das war es ja. Alles Dinge, auf die ich getrost verzichten konnte. Sie brachten bloss Probleme mit sich, und zwar alle drei. Das wusste ich natürlich nicht aus eigener Erfahrung, sondern aus den Büchern die ich las und den Filmen die ich schaute. Dort führten diese drei Dinge nur zu Drama und ich war Meisterin darin, Drama zu vermeiden.
Ich reihte mich neben meine beste Freundin in den Schulverkehr ein. Das waren eigentlich bloss Schüler die durch die breiten Flure meiner High School strömten und keine Rücksicht auf nichts nahmen. Man musste gar nicht erst versuchen, gegen den Strom zu schwimmen. Das war reiner Gruppenzwang. In seiner reinsten Form.
Während wir so vom Strom der anderen Schüler mitgezogen wurden ohne uns auf den Weg konzentrieren zu müssen, sehr praktisch, fuchtelte ich bedeutend mit den Händen rum.
„Siehst du! Genau deswegen. Beim Flaschendrehen gehen Freundschaften auseinander, heisse Kerle sind immer Arschlöcher und wegen Alkohol passieren die schlimmsten Fehler."
Die dunkelhäutige Schönheit neben mir verdrehte erneut die Augen.
„Pass auf, sonst bleiben sie irgendwann noch so."
Murrte ich und zog mir die leicht kaputte und abgewetzte Umhängetasche wieder über die Schulter. Tja, wenn man aufs College wollte, dann musste man sich eben schon in Teenager Alter verschulden. So lief es in California nunmal.
„Man Paige du bist so eine verdammte Spielverderberin. Du kannst das doch gar nicht so verallgemeinern! Du willst auch wirklich nie Spass haben."
Ich schnaubte.
„Ich habe sehr oft Spass!"
Sie lachte und ab und zu mischte sich ein leichtes Grunzen rein. Dann strich sie sich die widerspenstigen Zapfenlocken über die Schultern zurück uns blickte mich vielsagend an.
„Du hast nie Spass."
Ich öffnete den Mund um zu protestieren.
Dann schnaubte ich beleidigt.
„Das ist erst mein zweites Jahr Sam! Ich muss gute Noten erzielen, wenn ich das Stipendium behalten will. Du weisst, dass ich das brauche. Wir können nicht alle reiche Eltern haben."
Gegen Ende des Satzes wurde ich leiser. Sie war bei diesem Thema sehr empfindlich. Der einzige Grund, wieso die athletische, gross gewachsene Afrikanerin an dieser Schule war, war weil sie ihrem Vater beweisen wollte, dass sie auch ohne sein Erbe etwas aus sich machen konnte. Bewundernswerte Einstellung ja, trotzdem erleichterte sein Geld ihr Leben um einiges. Das behielt ich aber lieber für mich.
„Ist mir schon klar Paige, aber du solltest in deiner Freizeit, die auch du hast, auch mal etwas Vergnügen! Du bist nicht für immer 18!"
Ich seufzte und zuckte die Schultern.
„Na gut, überredet. Ich komm ja mit. Aber wenn irgendwas schief läuft, bist du schuld."
„Yes!"
Auf ihren hochhackigen Schuhen hüpfte die schwarzhaarige neben mir einmal hoch in die Luft.
„Ich wusste, dass ich dich überreden kann."
Sie zupfte sich ihr lila Top zurecht, der ihren monströsen Busen gerade so verdeckte. Sam war die Einzige, die noch einen Monat vor den Sommerferien schon rum lief als wäre sie bereits auf Hawaii in den Ferien. Und egal welches Outfit sie jeweils trug, sie sah umwerfend aus.
„Aber keine Typen, kapiert? Du musst es nicht mal versuchen."
Mahnte ich sie und wich einem Rucksack aus, der gerade wie eine Waffe gegen mich eingesetzt wurde, als einer der Erstklässler den Strom durchqueren wollte.
„Und da geht er..."
Meinte ich mitfühlend.
Ich sah wie er kämpfte, wie sein Gesicht langsam verzweifelte und wie er schliesslich unter der Masse an deprimierten und schwitzenden Schülern unterging.
„Jep, manche lernen es nie."
Pflichtete mir Samantha wenig empathisch zu.
„Aber zurück zu dir. Die Sache mit Nolan ist jetzt doch schon ein halbes Jahr her...niemand braucht so lange um über wen hinweg zu kommen!"
Ich zuckte die Schultern und kaute auf meiner Unterlippe.
„Doch, ich eben schon."
„Dabei hast du doch Schluss gemacht, Mensch Paige."
Jammerte meine Freundin und sah mich aus grossen Hundeaugen an, während wir uns ausklinkten und vor unserem Unterrichtszimmer stehen blieben.
„Du weisst auch genau wieso Sam! Und bitte können wir nicht mehr über Nolan reden?"
Meinte ich und mein Blick schweifte über die Vitrine mit all den Pokalen, die die Sportler unserer Schule so gewonnen hatten.
Seit Alec Hale, der Typ der auf dem Foto hinter dem Glas jeden der vorbei ging anstrahlte, eingebuchtet worden war, waren aber keine neuen Preise mehr dazu gekommen. Wie auch immer, mit dieser ganzen Vergötterung von einem einzelnen Menschen konnte ich nichts anfangen. Vor allem nicht, wenn er im Gefängnis sass. Dann war er es definitiv nicht wert, von allen Mädels hier angebetet zu werden.
Sicher 80% kannten ihn nicht einmal persönlich. Höchstens die Seniors, aber die waren ja auch bald weg.
Zudem war das ein Jahr vor meiner Zeit an der Newton High passiert, es war also nur noch kalter Gossip.
„Okay, schon kapiert. Oh...wenn man vom Teufel spricht."
Ich riss die Augen alarmiert auf und Sam starrte auffällig unauffällig hinter mich. Darin war sie wirklich, wirklich schlecht. Ich musste sie daran bei Gelegenheit mal erinnern.
„Nicht umdrehen Paige, Nolan kommt direkt auf dich zu."
Mist, Scheisse verdammte.
Ich begann zu schwitzen und sah mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Keine Chance, gegen den Strom anzukommen. Ich war zwischen schwitzenden und laut schnatternden Schülern gefangen. Ein hartes Schicksal. Und kein Entkommen vor...
„Hallo Paige, wie geht es dir?"
Mit einem gespielten Lächeln das wohl leicht panisch wirkte, drehte ich mich um.
Nolan stand direkt vor mir. Seine blauen Augen die ich mal schön gefunden hatte, machten rein keinen Eindruck mehr auf mich. Seine blonden Haare hatte er ganz nach dem Surfer Look bis zu den Schultern wachsen lassen. Klar, er hatte schöne Locken, trotzdem stand ich da nicht so drauf.
Die Mädels allerdings schon. Wenn sie wüssten, wie er früher ausgesehen hatte.
Und auch der Rest der Schule. Denn seit dem verschwinden des letzten It-Boys der Schule, hatte sich Nolan diesen Titel geschnappt.
Er konnte sogar wie jetzt mitten im Schulverkehr stehen. Und statt mitgerissen zu werden, drückten sich bloss alle an ihm vorbei.
Und ja, kaum zu glauben, ich war mit ihm zusammen gewesen. Für ganze sieben Monate.
„Super. Danke der Nachfrage."
Meinte ich wenig enthusiastisch.
„Gut."
Er zog das U ganz lange und spannte die Muskeln an den Armen ganz unabsichtlich an.
Ich seufzte. So war er ebenfalls noch nicht gewesen, als wir zusammen gekommen waren. Gegen Ende der Beziehung dann jedoch schon. Und ab dort war es auch bergab gegangen. Zumindest war das einer der Gründe gewesen.
„Sonst noch etwas? Ich muss zum Unterricht."
Meinte ich ziemlich unterkühlt und er stöhnte.
„Man Paige, das Ganze ist ein halbes Jahr her, wir können doch wenigstens Freunde sein."
Ich schnaubte. Als ob er nur das wollte. Er konnte von mir aus mit jeder anderen hier befreundet sein, aber nicht mit mir.
„Nein danke, kein Bedarf."
Meinte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Sorry Nolan, aber wir müssen jetzt echt los."
Sam packte mich am Arm und zog mich etwas von ihm weg.
„So leicht gebe ich nicht auf Paige, ich weiss doch dass du mich noch magst!"
Rief mir der Möchtegern Star hinterher.
„So ein Idiot."
Samantha, die ihren ganzen Namen nebenbei gesagt hasste, schüttelte abwertend den Kopf.
„Da kann man sich ja nicht mal mehr geschmeichelt fühlen."
Ich nickte.
„Das kannst du laut sagen."
Sie seufzte und strich mir eine braune Strähne aus dem Gesicht. Mein Pferdeschwanz drohte sich mal wieder aufzulösen. Also erlöste ich meine Haare von ihrem Elend und öffnete ihn einfach.
Ich hatte schöne lange Haare, dafür einfache braune Augen. Nichts besonderes, auch körperlich gesehen nicht. Ich hatte keine Schlechte Figur, doch meiner Meinung nach haperte es beim Thema Arsch und Titten noch etwas. Ich meine etwas war da schon vorhanden, aber neben Sams perfekter Modelfigur fühlte man sich trotzdem wie das Meer neben dem Himalaya.
„Also wegen heute Abend, was ziehst du..."
Setzte ich an, um das unangenehme Thema meines Exes nun endgültig zu beseitigen, als etwas unglaubliches geschah.
Der Strom versiegte.
Und nicht weil die Schüler in die Klassenzimmer strömten. Nein, sie blieben einfach alle wie erstarrt stehen.
Als wären sie eingefroren. Sowas hatte es in meinen zwei Jahren hier noch nie gegeben.
Geraune ging durch die Menge und Sam, die den absoluten Riecher für sowas hatte, war natürlich sofort alarmiert.
„Was ist denn mit denen passiert? Hat Timmothie wieder mal seinen kleinen Freund raus geholt?"
Ich rümpfte angeekelt die Nase. Das war leider durchaus schon vorgekommen. Ich trug jetzt noch Traumatas davon.
„Timmothie hol doch eine Lupe hervor, dann bringt das ganze auch mal was!"
Schrie Sam aus vollem Hals, und grinste dann.
Ich runzelte die Stirn. Denn anders als sonst wollte niemand so recht über Sams Spruch lachen. Und da sie relativ beliebt war an der Schule, war das wirklich unüblich.
„Was zum..."
Meinte ich verwirrt, als sich die Schüler plötzlich alle eilig an die Wände drückten. Und da dort nur begrenzt Platz war, drückten sie sich gezwungenermassen auch aneinander. Und da es hier viele Schüler gab, bildeten sich gleich mehrere Reihen. Wie Sardinen in der Büchse.
Ich wollte Sam gerade nach dem Grund für dieses seltsame und untypische Art des Verhaltens des Schülerus gestresstus fragen, als er mich auch schon direkt an der Nase vorbei lief. Der Grund höchstpersönlich.
Die Flügeltüre des Eingangs schwang noch auf und zu und liess etwas vom sommerlichen hellen Licht auf den grauen Plastikboden scheinen. Und dort in der Gasse die sich wahrlich wie im Film gebildet hatte, schritt ein junger Mann entlang. Ziemlich unbeeindruckt von den vielen Blicken, den hervorgehaltenen Händen und dem Getuschel, schritt er vorwärts.
Sein Schritt war selbstbewusst, er hielt seinen Körper gerade und autoritär.
Seine eine Hand steckte in seiner schwarzen und an den Knien zerrissenen lockeren Jeans, die andere hielt eine Lederjacke über die Schulter geschwungen.
Meine Augen wanderten von dem durchtrainierten Körper, den man durch das weisse Shirt erahnen konnte, mit den Tattoos an den Armen langsam weiter hoch zu seinem Gesicht. Seine dunkeln, braunen Haare waren gestylt und irgendwie doch zerzaust, als wäre er gerade erst aufgestanden.
In seine gebräunte Stirn hingen ihm einige Strähnen.
Seinen Blick hatte er gelangweilt geradeaus gerichtet.
„Wahnsinn..."
Flüsterte Sam neben mir. Ich hatte sie noch nie sprachlos gesehen, in beiden Jahren nicht, in denen ich sie jetzt schon kannte.
„Das ist Alec Hale...ich glaub mich piekst der Affe."
Ja das musste es sein, ich dachte mir doch schon, dass ich das perfekte...also das einprägsame Gesicht schonmal irgendwo gesehen hatte.
Der besagte Typ hatte uns unterdessen erreicht.
Kurz schweifte sein Blick über Sam und blieb dann nur für eine Millisekunde an mir hängen. Vielleicht war das auch nur Einbildung. Sehr wahrscheinlich war es Einbildung.
Ich war sicher Sam packte gerade ihren besten Blick aus, um diesen Alec damit gefangen zu nehmen. Das hatte ich schon oft gesehen und die Masche zog eigentlich immer.
Ich war allerdings nicht so bewandert in Sachen sexy flirt-Blicke. Deshalb stand ich einfach nur da und starrte ihn perplex an.
Wenig elegant wahrscheinlich.
Trotzdem hatte ich das Gefühl dass sich in den tiefgrünen, dunkeln Augen ein Funke von verwirrter Aufmerksamkeit geregt hatte.
Dann war der kurze Moment meines Wunschdenkens auch schon wieder vorbei.
Mit Desinteresse wandte sich der junge Mann wieder ab und lief weiter. Als hätte er mich gar nicht gesehen. Hatte er vielleicht ja auch wirklich nicht. Immerhin standen hinter mir auch einige andere Schülerinnen. Wie ein Schwarm kleiner Fische, die gerade ein Hindernis erfolgreich umschwommen hatten, schlossen sich die Fronten des Schulverkehrs wieder zusammen. Und alsbald Alec aus dem Blickfeld verschwunden war, brach lautes Gerede, ja beinahe Geschrei aus. Jeder musste seinem Nebenan erzählen, dass Alec wieder da war. Da das widerum aber ja jeder mitbekommen hatte, wurde es ein ziemlich eintöniges Gespräch.
Sam hatte aber offensichtlich auch beschlossen, es mit mir zu führen.
„Oh mein Gott...er ist so heiss, findest du nicht?"
„Ganz oke, nichts besonderes."
Murmelte ich nur halb anwesend, während ich noch damit beschäftigt war, auf die Stelle des Ganges zu starren, bei der ich ihn aus dem Blick verloren hatte.
„Du spinnst doch, den Typen muss man einfach heiss finden. Denkst du die Tattoos hat er aus dem Knast?"
Ich seufzte und machte mich auf den Weg zum Unterrichtszimmer.
„Frag ihn doch."
Sam klappte die Kinnlade runter.
„Wie kannst du so desinteressiert sein? Hast du keine Augen im Kopf."
Ich zuckte die Schultern.
Klar hatte ich das. Und ich hatte ihn ja auch angestarrt wie so ein verknalltes Mädchen, aber ich war nunmal eine Teenagerin mit Sehnsüchten und Träumen. Verurteilt mich nicht dafür.
Ich erwartete keine Prinzessinnen Story oder sowas. Ich fand ihn einfach gutaussehend, was auch schon alles war. Denn wie gesagt, alle heissen Typen in meinem Alter waren Arschlöcher. Weil sie genau wussten, wie gut sie aussahen und das auch gerne als Waffe einsetzten. Und dann armen naiven Mädchen das Herz brachen. Das würde mir sicher nicht passieren, dafür hatte ich zu viele lehrreiche Romane gelesen.
„Doch Sam, aber er ist nur ein Mensch und kein Alien. Deswegen musst du nicht gleich an die Decke gehen."
Sie lachte und schüttelte den Kopf.
Während sie mir ins Klassenzimmer folgte murmelte sie noch irgendwas aber ich hörte nicht mehr weiter zu. Denn mich erwartete bereits ein Problem.
Wie aus dem Bilderbuch.
Der grosse, heisse Typ der wahrscheinlich gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war, hatte sich im ganzen Saal unter etwa dreissig Plätzen genau den meinen aussuchen müssen.
Das Schicksal meinte es mit mir heute einfach nicht gut, das hatte ich bereits kurz nach dem Aufstehen feststellen müssen, da Sam das Küchenfenster unserer Wohnung offen gelassen hatte und heute morgen Krähen an unserem Brot gepickt hatten.
„Oh nein."
Meinte ich und blieb abrupt stehen, während sich die anderen aus meinem Kurs motzend an mir vorbei drückten.
„Oh ja!"
Meinte Sam nur begeistert. Na klar fand sie das super. Sie sass ja normalerweise auch neben mir. Nur sass jetzt dieser neue alte Schüler an meinem Platz. Auf ihre Unterstützung konnte ich wohl nicht zählen, denn bevor es eine andere tun konnte, war sie bereits zu ihrem Stuhl gestürzt und begann gleich den Kontakt zu suchen. Darin war sie gut. Ich hatte schon oft mit Ohrstöpseln schlafen müssen, wenn sie irgend einen Typen nach dem Feiern mit nach hause gebracht hatte. Eine WG mit ihr war ab und zu eine der Entscheidungen in meinem Leben, die ich bereute.
„Na vielen dank auch, beste Freundin."
Murmelte ich und reckte dann das Kinn.
Ich sass nicht gerne neben Timmothy, der nur einen Platz weiter einen freien Stuhl neben sich hatte.
Der war das ganze Jahr über leer gewesen, doch jetzt mit einem Schüler mehr, blieb mir nur der als Sitzplatz.
Und das nahm ich definitiv nicht hin.
Ich wusste selbst nicht, woher ich diesen Mut genommen hatte, aber ich stapfte auf den Neuen zu und baute mich mit verschränkten Armen neben ihm auf. Immerhin war das mein Platz. Und da ich Ordnung und Regelmässigkeit sehr schätzte, würde er das auch weiterhin bleiben.
Dieser hatte sich bis gerade eben mit Sam unterhalten und blickte nun zu mir hoch.
Seine Augen waren wirklich verdammt faszinierend...
Ich riss mich zusammen. Teenager Hormone waren nicht zu steuern, okey?
„Ehm, kann ich dir irgendwie helfen?"
Meinte er mit gehobener Braue, als ich mich nach kurzem immer noch nicht vom Fleck bewegte.
„Du sitzt an meinem Platz."
Meinte ich dann nur und tippte mit dem Finger mehrmals auf meinen Arm um zu zeigen, dass ich es eilig hatte. Er musste nicht denken, dass mir sein früherer Status an der Schule irgendwie Eindruck machte oder sowas. Er war ein normaler Schüler und Jemanden den Platz zu klauen ging hier nunmal nicht.
„Das war früher mein Platz, und mir gefällt es eigentlich gerade ganz gut hier."
Sams Augen leuchteten begeistert auf, sie hing ja schon halb an seinem Arm. Der zugegeben sehr muskulös und einladend aussah. Ein klein wenig.
Ich kniff die Augen zusammen.
„Gut erkannt. Früher. Aber jetzt sitze ich da. Also wäre ich dir sehr verbunden wenn du dich da weg bewegen könntest. Natürlich nur, wenn dich deine Beinchen tragen können."
Ich war selbst gerade erstaunt ab mir, wie giftig ich sein konnte.
Alec's Mundwinkel zuckten belustigt.
Oha, ich hätte mich selbst nie für so frech gehalten.
„Nein, ich fühle mich gerade wirklich müde. Ich denke ich bleibe sitzen."
Machte sich der Idiot etwa grade lustig über mich?
Ich ballte die Hände zu Fäusten und presste die Lippen zusammen.
Kurz wanderte sein Blick zu meinen Händen, dann zurück zu meinen Augen.
„Samantha, muss ich jetzt Angst haben?"
Meinte er leicht spöttisch.
Meine Beste Freundin, die ja eigentlich dazu verpflichtet war, auf meiner Seite zu stehen, schüttelte heftig den Kopf.
Dann sah sie mich mit diesem bettelnden Blick an.
Der soviel hiess wie ich will den haben, versau mir das jetzt nicht. Zu Sam konnte ich einfach nicht nein sagen. Trotzdem machte es mich stinksauer, dass sie mich nicht unterstützte, nur wegen einem dahergelaufenen Typen.
„Paige, bitte..."
Jammerte sie und ich stöhnte frustriert auf.
„Paige also..."
Meinte Alec und musterte mich eingehend. Das war mir irgendwie unangenehm. Denn meine ganze Haut begann zu kribbeln und das war was ganz neues. Und überhaupt nicht angenehm.
Dann grinste er schief und neigte den Kopf. Auf eine seltsam anmutige weise die mir noch weniger gefiel.
„Samantha, deine Freundin hier scheint nicht viel von Freundlichkeit zu halten, oder?"
Meinte er und lehnte sich zurück, während er einen Bleistift zwischen seinen Fingern hin und her bugsierte.
„Nein, Paige ist die personengewordene Spassbremse, aber ich arbeite daran."
Grinste sie verträumt und ich sah sie vorwurfsvoll an. Von Loyalität konnte man gerade wirklich nicht sprechen.
Alec wandte sich wieder mir zu und grinste mir frech ins Gesicht.
„Also dann, Miss Sprassbremse. Wie wäre es, wenn du dort hinten weiter schmollst."
Fassungslos sah ich von ihm zu Sam, die mich flehend ansah.
„Fein."
Knurrte ich und meine Hand schnellte vor.
„Das ist mein Bleistift."
Merkte ich eisig an und riss ihn Alec aus den Fingern. Er unterdrückte ein Schmunzeln. Aber diesen einen Triumph hatte ich jetzt halt gebraucht. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um.
Ich blickte direkt auf den Stuhl neben Timmothy. Dieser blickte mich bereits erwartungsvoll an und grinste breit. Dabei konnte ich Essensreste an seiner Zahnspange entdecken. Ich verzog das Gesicht.
„Ich hasse dich, Sam."
Murmelte ich und hörte kurz darauf:
„Liebe dich auch, Süsse."
Verzweifelt sah ich mich nach einem Platz um.
Nolan, der das ganze mit Finsterem Blick beobachtet hatte, stiess nun seinen Kumpel an und bedeutete ihm schroff, aufzustehen.
„Hey Paige, hier ist noch frei!"
Rief er dann quer durch den Raum und ich lief knallrot an. Noch ein Nachteil von heller Haut.
Ich spürte wie Alecs aufmerksamer Blick von Nolan zu mir schweifte.
Kurz überlegte ich...nein ich überlege nicht.
Es war klar, welche Entscheidung hier getroffen werden musste.
Ich hielt meine Klappe und setzte mich schnell neben Timmothy und liess meine demolierte Tasche auf den Boden neben mich plumpsen.
Dank starrte ich konzentriert auf die Tischplatte, bis das Gekicher um mich herum verstummt war und ich meine Haut wieder von dem Rot befreit zu haben schien.
Dann atmete ich langsam ein und aus.
Verdammt, das war ja mal gründlich schief gelaufen.
Und blamiert hatte ich mich auch vor allen. Alles nur wegen diesem Arschloch.
Was musste er auch gleich einen Tag in Freiheit so eine Szene drehen.
Ich packte meine Hefter aus und knallte sie auf den Tisch. „Guten Nachmittag, liebe Schüler."
Das war Miss Crawl, anders als ihr Name war sie der grösste Schnuggel der jemals existiert hatte. Sie unterrichtete Philosophie und hatte das Gefühl, wenn sie uns die ganze Zeit Komplimente machte, würden unsere Synapsen sich besser verknüpfen.
Na toll.
Ich schnappte mir einen Stift aus meinem Etuit und begann mir zu notieren, was Miss Crawl auf die Wandtafel kritzelte. „Hier Alec, du kannst meinen Stift haben, wenn du willst."
Ich drehte leicht meinen Kopf und linste versteckt unter meinen Haaren zum Tisch neben mir.
Cindy streckte sich auf ihrem Stuhl zurück um dem dunkelhaarigen Macho weniger ihren Stift als ihr ausgeprägtes Dekollete zu präsentieren.
Dieser grinste nur schweigend und liess Sam die Arbeit für sich erledigen.
„Er hat bereits einen, nämlich meinen. Danke, Cindy!"
Zischte sie und knallte ihm einen vor die Nase.
Er hob die Brauen und dann wanderte sein Blick zu mir.
Erwischt. Ich konnte es seinem triumphierenden Blick ansehen.
Schnell drehte ich mich zurück und schrieb weiter alles sorgfältig ab.
Wie konnte Sam nur so tief fallen, was war aus der unabhängigen und selbstbewussten Frau geworden? Sonst rannten ihr die Männer hinterher nicht umgekehrt.
Das gefiel mir wirklich gar nicht. Nicht weil ich eifersüchtig war oder so, einfach weil sie meine Beste Freundin war und mich gerade für den Typen von meinem Stuhl verbannt hatte.
Timmothy rückte etwas näher zu mir, einige seiner Schuppen rieselten auf den Tisch und ich verzog angeekelt die Lippen.
„Wenn du willst kannst du meinen Stift auch mal halten."
Es schüttelte mich und ich blitzte ihn gefährlich an.
„Wenn du mir nochmals näher als einen halben Meter kommst dann zerschneide ich dir deinen „Stift" in Scheibchen, kapiert?"
Ja das war gemein, aber glaubt mir wenn ich sage, dass man Timmothy nicht anders loswerden konnte.
Neben mir hörte ich ein unterdrücktes Lachen.
Ich drehte aggressiv den Kopf, ja heute war ich nicht in bester Stimmung.
„Was?"
Fauchte ich, und Alec, der die Lederjacke um den Stuhl gelegt hatte und sich locker daran lehnte, die langen Beine ausgestreckt, hob bloss die Hände.
„Nichts."
Ich schenkte ihm nochmals einen meiner besten tödlichen Blicke, dann widmete ich mich wieder meinem Notizbuch und dem Unterricht.
„Da fährt aber Jemand ganz schön die Krallen aus."
Raunte Alec und ich war kurz davor, den Stift in meiner Hand zu brechen. Einen Tag war er hier, nicht einmal, und schon brachte er mich zur Weissglut.
„So ist sie sonst gar nicht."
Plapperte Sam sofort gedankenlos los.
Ich starrte sie mit einem unauffälligen Kopfschütteln an.
Sie sollte die Klappe halten!
„Ach nein? Wie ist sie denn sonst?"
Genüsslich, meinen Gesichtsausdruck beobachtend spielte Alec mit dem Stift in seiner Hand.
Sam ignorierte mich.
„Lieb, kein Mauerblümchen, nicht seit Nolan, aber so würde sie sich sonst nie verhalten, sie hat ja nicht einmal gerne Spass, und glaub mir das, sie ist meine Bestie."
Ich knirschte mit den Zähnen dass es weh tat.
Dann konnte ich mich nicht mehr zurück halten.
„Super Sam! Erzähl doch einem wildfremden Typen gleich meine ganze Lebensgeschichte!"
Fauchte ich mit gesenkter Stimme und sie hob erstaunt die Brauen.
„Sorry Paige, so war das doch nicht gemeint."
„Auch egal."
Murrte ich und während Alec belustigt zwischen ihr und mir hin und her sah, beschloss ich, mich endgültig auf den Unterricht zu konzentrieren.
Schliesslich hatten wir in 2 Wochen ein Examen über Kant und der schaffte es nunmal nicht, sich normal auszudrücken.
Jeden Text musste ich mindestens zweimal lesen, bevor ich dann verstand was gemeint war.
Und wie gesagt, wollte ich mein Stipendium behalten, dann mussten die guten Noten weiterhin her.
Bis jetzt sahen meine Zwischennoten auch ganz gut aus für dieses Jahr.
Es ging ja auch nur noch einen Monat, die wenigstens Lehrer machten jetzt noch Prüfungen.
Als nach drei Stunden ermüdender Philosophie Kant beschlossen hatte, nach der Phase des Kamels, des Löwen und des Kindes den Übermensch zu erschaffen, war endlich Schluss.
Vier Uhr Nachmittags und Zeit, um sich vom Schulverkehr aus der High School raus tragen zu lassen.
Die ersehnte Klingel läutete laut und alle im Klassenzimmer sprangen sofort auf, um ihre Sachen zu packen.
Mir inklusive. Nur blieb ich sitzen, damit Timmothy zuerst gehen konnte.
In der letzten Reihe war es eben ziemlich eng. Leider.
Gerade als ich meine Tasche auf den Pult legte und ebenfalls aufstand, stützte sich Jemand an meinen Tisch ab.
Ich hob den Blick. Es war Nolan.
Na super, das hatte ich jetzt gerade noch gebrauchen können.

Take me to the starsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt