27. KAPITEL

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Ganze 2 Tage lang war ich schon in diesem Zimmer und die Tür hatte sich nur geöffnet, damit mir ein Diener Essen und Trinken bringen konnte. Mit jeder Stunde die ich hier verbrachte fühlte ich mich mehr und mehr wie eine Gefangene. Ich hätte wissen müssen, dass Darren mich wieder einmal in eine Falle gelockt oder zumindest in Gefahr gebracht hatte. Ab und zu hörte ich Schritte, die im Flur hin und her liefen, aber ansonsten war es still. Ausbrechen war keine Option, denn die Tür war fast immer abgeschlossen und mein Zimmer befand sich im obersten Stockwerk des Schlosses. Einen Sprung zu überleben dürfte äußerst schwierig sein, es sei denn ich hätte Flügel, wie eine Fee oder ähnliches. Da ich nichts dergleichen hatte, blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten.

Es war nicht so, dass es hier nicht schön war, da das Zimmer durchaus luxuriös aussah und mit allem möglichen ausgestattet war, aber ich hatte Langeweile und die wenige Bewegung machte mich unruhig. Die letzten Wochen war ich ständig gelaufen oder war auf Habachtstellung gewesen. So kam es, dass ich ohne jeden Grund durch das Zimmer tigerte. Am Abend erwischte ich mich schon wieder dabei. Seufzend ließ ich mich auf einen Schreibtischstuhl fallen und drehte mich gelangweilt um meine eigenen Achse. Ich stoppte und sah geradeaus aus dem Fenster. Von hier aus konnte man nicht die Stadt Tuirath überblicken, hatte dafür allerdings einen perfekten Blick auf einen Wald, der sich bis zum Horizont erstreckte. Darüber schien mal wieder die rote Sonne, die gerade dabei war unterzugehen. Da ich nichts anderes zu tun hatte, setzte ich mich auf das Fensterbrett, zog den roten Vorhang ganz zur Seite und betrachtete die Sonne dabei, wie sie den Wald unter ihr in ein helles Orange tauchte. Da kam mir eine Idee. Ich sprang auf, rannte zum Schreibtisch und wühlte in den Schubladen. Bis ich endlich fand, was ich suchte, war das Orange einem feurigen Rot gewichen und ich wusste, dass ich mich beeilen musste. Mit Block und Stift setzte ich mich wieder auf den Schreibtischstuhl und rollte durch den Raum, ehe ich den perfekten Winkel gefunden hatte.

Und dann begann ich zu zeichnen. Warum ich darauf nicht schon früher gekommen war, wusste ich nicht mehr. Ich war wie in Raserei. Zeichnete alle meine Gefühle in dieses Bild hinein. Zuerst war es nur eine Skizze, damit ich alle Details noch auffing, bevor die Sonne ganz untergegangen war, dann ungefähr eine Stunde später, es war nur eine kleine Lampe an, die es mir ermöglichte gerade nur soviel zu sehen, wie ich zu sehen brauchte, war in das Bild schon etwas Leben gekommen. Ich war allerdings noch nicht zufrieden. Fieberhaft durchsuchte ich die Schreibtischfächer nach irgendwelchen Farben um dem Bild das gewisse Etwas zu verleihen, doch ich fand nichts. Resigniert lehnte ich mich zurück und wippte auf dem Stuhl hin und her. Meine Hände waren verkrampft, so fest hatte ich aufgedrückt.
Ok, come down, Girl. Es ist nur eine Zeichnung! Entspann dich ein bisschen.
Ich will dieses Bild fertig kriegen! Ich will diese wunderschönen Farben mit hinein stecken die ich bei dem Sonnenuntergang gesehen habe. In dieser Welt sieht alles ganz anders aus. Die Farben scheinen zu strahlen.
Du bist in der Hölle, Schätzchen. Natürlich sieht es hier anders aus. Aber haben wir nichts besseres zu tun, als zu zeichnen? Wir sollten versuchen hier rauszukommen oder zu schlafen. Es ist spät und wenn wir endlich aus diesem Zimmer rauskommen, will ich ausgeschlafen sein. Du etwa nicht? Vielleicht müssen wir uns verteidigen. Die Nacht durchzumachen, nur um ein Blatt Papier vollzukritzeln würde uns da nicht helfen.
Ich seufzte. Ich war natürlich müde und ich musste meiner Kopfstimme recht geben, dass wir auf Nummer Sicher gehen mussten, aber ich konnte nicht länger 'nichts' machen.
Hilf mir das Bild fertig zu machen und dann gehe ich schlafen, ich versprechs.
Pfff, na gut. Ich muss zugeben, dass ich sehen will wie unsere Zeichnung in Farbe aussieht.
Da ist das Problem: Wir haben keine Farbe, wie du vielleicht bemerkt hast.
Einfache Farbe wäre ja auch etwas zu normal für uns beide, findest du nicht auch? Ich denke wir sollten etwas besonderes erschaffen.
Und wie?
Schau dich um. Vielleicht findest du ja... keine Ahnung, Blaubeeren oder Erdbeeren, mit denen du dein Bild bemalen kannst.
Ich zog die Augenbrauen hoch. Beeren? Wirklich?

Nach einer viertel Stunde hatte ich noch immer nichts gefunden. Systematisch hatte ich mich durch's Zimmer gearbeitet, aber mit Bettlaken, Nachtschränken oder Kleiderhaken konnte ich nunmal nichts anfangen. Schon ziemlich demotiviert betrat ich das Bad. Ich erhoffte mir hier nicht viel, denn bitte? Ich würde meine Zeichnung sicherlich nicht mit Duschgel übergießen, geschweige denn probieren irgendwie Farbe aus Handtüchern zu gewinnen. Ja, ich komme ab und zu auf ziemlich ziemlich komische Gedanken. Ich sah mich nochmal genauer um. Und da fiel mir hinter der offenen Tür ein kleines Regal auf. Gespannt öffnete ich die erste Schublade und fand... nichts vor. Im zweiten waren Handtücher und im Dritten Schmuck. Ich nahm mir kurz Zeit um die glitzernden Ketten und Ohrringe zu bewundern, dann öffnete ich die vierte und oberste Schublade. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Schminke. Mit sowas konnte ich definitiv arbeiten!
Du willst unser Bild also mit Lippenstift beschmieren?!
Es wäre mal etwas anderes. Und du hast doch selbst gesagt, es soll was besonderes werden, also halt gefälligst die Klappe.
Ein paar Minuten später hatte ich alle brauchbaren Produkte auf dem Schreibtisch verteilt und nach Farben sortiert.

Schon bald waren meine Hände voll mit Lidschatten, Lippenstift, Make-up und anderen Dingen. Ich war gerade dabei ein bisschen Rouge auf den noch feuchten Lippenstift zu tupfen, der die Sonne darstellen sollte, als die Tür krachend aufgestoßen wurde, ein "Wach auf!" Geschrien wurde und ich vor Schreck die Dose mit dem Rouge fallen ließ, aufsprang und noch ein paar weitere Kosmetikartikel wegen des Schwungs vom Tisch warf. Ich guckte nur verdattert auf den Boden.
Super, dass muss ich alles wieder sauber machen!
Verärgert schaute ich auf und blickte Cyrian ins Gesicht. Neben ihm stand der Barghest und noch ein paar weitere Wachen. "Was zum Teufel ist denn hier los?" Fragte ich und musste kurz über meinen spontanen Wortwitz lachen. Es war der Barghest der antwortete: "Wir sollen dich zum Training begleiten." Eine komische Stille entstand, dann brachte ich ein einfaches OK raus. Mehr konnte ich in dem Moment wirklich nicht sagen. Es war mitten in der Nacht und plötzlich kommen diese Menschen in mein Zimmer und erzählen mir, dass ich jetzt zum 'Training' musste. Ich vermutete, dass es um meine Macht ging.

"Was tust du da eigentlich?" Fragte der Barghest und starrte auf die Sauerei auf dem Boden. Ich lief rot an. Mir kam erst jetzt in den Sinn, wie das für Außenstehende wirken musste, dass ein Mädchen mitten in der Nacht am Schreibtisch sitzt und mit Schminke um sich schmeißt. Ich kicherte kurz verlegen, dann probierte ich mich zu verteidigen. "Ich habe gezeichnet. Und da es keine Farbstifte hier gibt, musste ich mir eben anders helfen." Erklärend zeigte ich auf die herumliegenden Kosmetikartikel. "Du hast gezeichnet?!" Ich nickte verwirrt und auf Cyrian's Gesicht erschien Neugier. "Was ist das?" Wollte er dann wissen. Meine Augen wurden groß. "Du weißt das nicht?" Fragte ich verwundert. "Menschen machen viele Dinge, die ich nicht verstehe und die auch meistens einfach keinen Sinn ergibt. Zeichnen ist wahrscheinlich eines dieser Dinge." Ich schüttelte ungläubig den Kopf, nahm seine Hand und zog ihn zum Schreibtisch. Stolz zeigte ich auf meine Zeichnung. "Das habe ich 'gezeichnet'. Es fehlt noch der Feinschliff, aber ich bin so gut wie fertig."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 17, 2017 ⏰

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Teufelstochter (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt