25. KAPITEL

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Die Gestalt mit dem weißen Umhang kam auf mich zu. Ich bewegte mich allerdings nicht vom Fleck, da ich Angst hatte mein Bein könnte einknicken. "Bleib stehen oder ich... Ähm... ich... ach scheiß drauf, komm einfach nicht näher!" Rief ich, doch der Typ hörte nicht auf mich. Wieso sollte er auch? Näher und näher kam er mir und ich wich nicht von der Stelle, bis er nur noch ein paar Meter vor mir war. Genau in dem Moment in dem er sich auf mich stürzte, stolperte ich reflexartig zur Seite. Meine Euphorie über diesen kleinen Sieg war unermesslich und sofort erfasste mich neue Hoffnung. "Tut mir leid, ist etwa dein schönes weißes Gewand dreckig geworden?" Höhnte ich selbstzufrieden, aber der Schmerz in meinem Bein ließ mich nicht so sicher klingen wie ich wollte. Das ließ sich der Typ nicht gefallen. Er machte eine geschickte Rolle und bekam meinen Knöchel zu fassen, ehe ich überhaupt begriff was passierte. Ich trat mit meinem gesunden Bein nach seinem Gesicht und es gab ein sehr, wirklich sehr hässliches Knack von sich. Schnell nutzte ich den Moment der Benommenheit meines Gegners, löste meinen Fuß aus seinem Griff und machte ein paar Schritte nach hinten. Der Typ blieb leider nicht allzu lange unbeweglich am Boden liegen, weshalb ich mich beeilte noch ein paar Meter zwischen uns zu bringen.

Und dann kam etwas ziemlich ziemlich unerwartetes. Anstatt sich stöhnend vom Boden zu hieven wie erwartet, schoss der Engel, ich hatte inzwischen begriffen, dass das nur ein Engel sein konnte, ein paar Meter senkrecht in die Luft.
Oh shit! Das Ding kann fliegen.
Ich antwortete nicht auf die Stimme in meinem Kopf, denn ich war mit Starren beschäftigt. Das Gewand von dem Himmelswesen leuchtete nun in einem grellen Weiß.
Kann hier verdammt nochmal nichts normal sein?!
Der sieht aus wie ne Glühbirne, haha!
Meine innere Stimme kicherte, aber mir war nicht nach Lachen zumute, obwohl ich ihr mit der Glühbirne durchaus recht gab. "Weiß du was? Es ist nicht gut einen Engel zu verärgern, kleines Gör?!" Drohte mir der leuchtende Typ. Ich wurde wütend. Hatte er mich gerade Gör genannt?

"Willst du mir drohen, Leuchti?" Keifte ich provokant zurück. Das Gesicht von dem Engel wurde etwas rot, aber nicht vor Scham sondern vor Wut. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn Leuchti genannt hatte. "Sag das nochmal!" Rief der Engel von oben herab. "Was meinst du, Leuchti?" Fragte ich und rieb mir gespielt überlegend über's Kinn. Die Gesichtsfarbe des Himmelswesen glich nun eher der einer Tomate als eines Menschen wie davor. Und in dem Moment in dem ich begriff, dass das nicht das Klügste war was ich hätte tun können, stieß er einen Kampfruf aus und stürzte zu mir herab. Nur mit Not konnte ich ihm ausweichen, fiel dabei aber dank meines Geschick's auf den Boden direkt auf meine Verletzung. Schmerz schoss durch mein Bein nach oben und ich keuchte auf. "Du hast keine Chance gegen mich! Ich bin ein Engel! Außerdem bist du verletzt. Es ist schon fast gegen meine Würde gegen ein hilfloses Geschöpf wie dich zu kämpfen." Er seufzte theatralisch. "Für ein 'hilfloses Geschöpf' kann ich mich aber ganz schön gut wehren, findest du nicht? Schließlich sieht deine Nase nicht mehr ganz so gerade aus wie davor." Zischte ich. Meine Stimme war schmerzverzerrt.

"Das reicht!" Schrie mich Leuchti an, machte schnell ein Schritte auf mich zu, holte aus und gab mir eine Backpfeife. Mein Kopf flog nach rechts und plötzlich ging alles ganz schnell. Dunkle Kreaturen stürmten auf die Lichtung und umkreisten mich und den Engel, während andere hellere Geschöpfe aus dem Himmel probierten zu mir vorzudringen. Weiß gegen schwarz. Himmel gegen Hölle. Bald sah es auf der kleinen Lichtung aus wie auf einem überfüllten Schachbrett. Die Höllenwesen hatten den Kreis um mich inzwischen aufgegeben, nur ein paar Gnome und ein Barghest hielten bei mir Stellung und beschützten mich vor den vordringenden Engeln.

Ich blieb einfach nur sitzen und hoffte, dass das ganze Gemetzel schnell vorbei war. Die ganze Zeit sah ich kämpfende Wesen, wie sie sich erst umkreisten als wäre es ein Tanz und dann in blutige Stücke rissen. Ich wollte die Augen schließen, aber ich konnte einfach nicht. Mein Blick war auf den blutigen und brutalen Kampf gerichtet. Plötzlich tauchte ein Junge mit einer schwarzen Rüstung neben mir auf. Er hielt eine blutverschmierte Klinge in der Hand und grinste mich frech an. Erschrocken krabbelte ich rückwärts, doch er machte einfach ein paar Schritte vor, packte mich unter den Achseln und zog mich auf die Beine. "Ich bin Cyrian, Sohn des Dzamel. Darf ich Ihnen aus diesem Chaos helfen?" Er zwinkerte mir zu. Ich schaute ihn aber nur verwirrt an. "Ach herrje, dass ist wahrscheinlich ihr erster Kampf, My Lady? Sie sind aus der Menschenwelt nicht?" Ich nickte abwesend, denn ich war dezent abgelenkt durch das Blutvergießen um mich herum. "Meine Güte, lassen wir das mit der Höflichkeit, du hörst mir eh nicht zu!" Er umschlang meine Taille, was mich kurz erschrocken aufquitschen ließ, und zwängte sich durch das Getümmel.

Ich realisierte erst gar nicht was er da tat, aber dann schlug ich um mich. "Lass mich los!" Schrie ich den Jungen an, aber er dachte nicht daran. Stattdessen verstärkte er mit einer Hand den Griff um mich, die andere ließ er los um sein Schwert zu ziehen und schlug einen großen dunkelhaarigen Engel nieder. "Verdammt, lass mich runter!" Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Glaubst du wirklich du würdest hier nur für eine Sekunde überleben, wenn ich dich nicht verteidigen würde?" Schrie er, damit ich ihn über die Schmerzensschreie überhaupt hören konnte. Ich wusste dass er recht hatte, aber deswegen musste er mich nicht wie ein Schraubstock festhalten. "Dann lass wenigstens ein bisschen lockerer!" Rief ich zurück. Cyrian nickte, zog mich dann aber trotzdem weiter durch die Menge.

Wir kamen nur schwer voran. Die Menge um uns herum wurde zum Rand der Lichtung hin dichter, denn es kamen mehr und mehr Kämpfer aus dem Wald um die Verletzten und, naja, Toten abzulösen, und Cyrian musste immer öfter sein Schwert schwingen um uns einen Weg aus dem Gewimmel zu bahnen. Irgendwann kam mir der kuriose Gedanke, dass so ein Kampf auch eine Disko sein könnte. Die Schmerzensschreie und Siegesrufe vermischten sich zu einem durchgehendem Klangteppich, nach einer Weile sah es mehr aus wie ein Tanz als ein Kampf wenn man genauer hinsah und wenn Cyrian und ich uns verständigen wollten mussten wir schreien.

Mein Atem ging flach und auch mein Begleiter keuchte. Er hielt seinen Arm noch immer um meine Hüfte geschlungen, aber ich spürte wie sein Griff zusehens schwächer wurde. Schweißperlen rannen von seiner Stirn und er brauchte immer länger um Gegner zu beseitigen. Trotzdem sah es bei ihm aus, als würde er tanzen, was mich dazu brachte eigentlich durchgängig auf seine Hände und Füße zu schauen. Die Eleganz wie er sein Schwert schwang, sowas hatte ich nie gesehen, nicht in Filmen und auch nirgends sonst. Zum Glück waren wir schon fast aus dem Hauptkampfgeschehen draußen. Plötzlich tauchte neben uns der Barghest auf, der mich schon vorhin beschützt hatte. Sein Fell war von Blut verklebt, aber ob es sein Blut oder das seiner Feinde war wusste ich nicht. Erbarmungslos bahnte er sich mit seinem riesigen schwarzen Hundekörper eine Weg durch die Kämpfenden. Wir folgten ihm bis wir an einer kleinen Anhöhe kamen. Wir schleppten uns hinauf und ließen uns dann verschwitzt auf den Boden fallen. Den Kampf hatten wir hinter uns gelassen.

"Tochter, da bist du ja!"

Teufelstochter (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt