Riesig große Probleme

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"Eigentlich wollte ich mit dir reden. Ich mein, klar die guten Zeiten war ziemlich cool, aber die sind leider schon länger vorbei. Ich bin dein bester Kumpel, dein Bruder, deine Mutter und dein Vater, sicher auch all deine Vorfahren in einem vereint. Deshalb sollten wir reden, denn so wie es jetzt ist kann es nicht bleiben." Ich starre Tom an. Das ist wahrscheinlich das seltsamste, was er je gesagt hat. Seltsamer noch, als seine Idee Pokemons fangen zu gehen, oder sich von einer radioaktiven Spinne beißen zu lassen.  "Ich hätte mit dir geredet, bis der Teil mit deiner gespaltenen Identität gekommen ist. Komm Tom, es gibt Menschen die sich darauf spezialisiert haben, Leuten wie dir zu helfen. Wir könnten ihnen einen Besuch abstatten." Wow, reden ist anstrengend. "Lenk nicht ab." meint Tom todernst. Ich esse das letzte Stückchen von meiner Waffel. "Was willst du denn reden? Hast du Probleme daheim, oder so?" frage ich unschuldig, obwohl ich eine kleine Ahnung habe worauf er hinaus will. Er seufzt frustriert und fährt sich durch die Haare. Ich frage mich, warum das alle angespannten Personen machen. "Du hast hier die Probleme, Junge!" Ich nicke anerkennend mit dem Kopf, als würde ich mich, durch seine Entdeckung, in einem neuen Licht sehen. "Nicht so kleine "Oh mein Bleistift ist abgebrochen"-Probleme, sondern eher "Das wird Auswirkungen auf mein ganzes weiteres Leben haben und zwar keine Positiven"-Probleme." Er schaut mich an und schüttelt dann den Kopf. "Ach was laber ich hier. Du weißt ganz genau was ich meine! Dein Vater schlägt dich, deine Mutter ist...na ja...weg, du liebst Julie nicht. Hast du das jemals? Dann hast du sie zu allem Überfluss auch noch geschwängert, überredest sie, feige wie du bist, nicht zu einer Abtreibung, obwohl du nicht bereit für ein Kind bist, schon gar nicht von ihr und schenkst ihr keinen reinen Wein ein. Das Schlimmste ist das es dir anscheinend scheiß-egal ist und keiner merkt, wie du alles in den sand setzt. In der Schule lernt man? No way motherfucker, das ist der Ort wo die Gedanken frei sind und ungestört herumspuken dürfen! Wann wachst du endlich auf? Das tut selbst mir weh, dir dabei zuzusehen." Er atmet tief durch. Hat er das alles in einem Atemzug gesagt? Ich schaue zur Eisdiele und sehe wie der riesige Hund sein noch riesigeres Herrchen begrüßt. Der Typ winkt mir grinsend zu, in einer Hand Toms Eiskreation, in der anderen die Hundeleine. Im Park ist Leinenpflicht. "Und? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?" fragt mich Tom. Ich blinzele in die Sonne. "Nichts." "Nichts?" "Ja, nichts." "Kein, "Tom da bildest du dir nur etwas ein. Wahrscheinlich hast du dir von der heißen Märzsonne einen Sonnenstich geholt?", einfach nur nichts?" "Jep." "Warum?" fragt er mich mit leicht verzweifeltem Unterton. Das ist ja mal ganz untypisch für ihn. "Weil du wahrscheinlich recht hast."

Die ersten paar Wochen mit Julie waren die wohl Kompliziertesten. Wir hatten an dem Tag, an dem wir zusammengekommen waren zum ersten Mal miteinander Kontakt gehabt. Das war ungewöhnlich schnell und konnte nicht lange halten, wurde uns von mehreren Seiten prophezeit. Wir kannten uns also so gut wie gar nicht und verbrachten unsere anfängliche gemeinsame Zeit damit, schüchtern Gespräche zu führen und den anderen so schnell wie möglich kennenzulernen, was auch erstaunlich gut klappte, da keiner von uns ein Mensch war, der gerne viel Worte benutzte um sich auszutauschen und deshalb ging der Infoaustausch ziemlich schnell. Nachdem sie ihre Unsicherheit gegenüber mir langsam verlor, erzählte sie auch viel von sich aus. Ich redete eher um den heißen Brei herum. Von mir erfuhr sie eher unwichtigen Kleinkram, den ich aber ein wenig aufbauschte. So kamen wir schneller als die meisten anderen Leute durch die Phase des Kennenlernens.

Mann im MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt