Vor der Eisdiele steht Steve dann auch tatsächlich. Ich bin ein bisschen spät dran, aber es ist noch im Rahmen der Höflichkeit. Als er mich sieht geht er mir entgegen. Seinen riesigen Hund, den er schon bei unserem letzten zufälligen Treffen im Park dabei hatte, zerrt er hinter sich her. "Hi." Will der mich umarmen? Ich klatsche vorsichtig eine seiner ausgestreckten Hände ab. "Hallo." Er lässt seine Hände langsam sinken. Nachdem er sich wieder gefasst hat deutet er auf seinen Hund. "Das ist übrigens Troja." Der Hund hechelt mich an. "Der, oder die Troja?" Steve lacht und meint: "Du musst nur nachschauen." Ich schaue den Hund skeptisch an. "War ein Spaß. Troja ist eine Sie und sie ist trächtig." "Cool." Ich denke an Julie. Julie ist auch trächtig, beziehungsweise schwanger. "Du kannst sie streicheln. Sie beißt nicht." Langsam, wie in Zeitlupe strecke ich meine Hand aus. Mit fremden Hunden bin ich immer ein bisschen vorsichtig. Man kann nie wissen, wie gut das verliebte Herrchen sein Tierchen einschätzen kann. Liebe macht blind. In der Zeit, in der ich meine Hand nicht in Trojas Fell versenkt habe, hat sie die Gelegenheit ergriffen mich ausgiebig abzuschlecken. Warmer Hundesabber klebt an meinen Fingern. Schnell wische ich ihn in ihr Fell. "Das habe ich gesehen." Wieder lacht Steve. Ich kann lachende Leute nicht ausstehen. "Und was jetzt?" "Worauf immer du Lust hast, kleiner Grießgram." Wow. Der ist heute aber echt gut drauf.
Als ich noch im Kindergarten waren machten wir einen dieser ganz seltenen Ausflüge, bei denen auch die Hälfte der gesamten Elternschaft mitkamen, um uns Kiddies in Schach zu halten. Für die war es wohl, als müssten sie eine hysterische Herde Schafe hüten. Jedenfalls ging der Ausflug in die nächste Stadt, die gerade eine große Dinosaurierausstellung hatten. Und zwar nicht irgendeine Langweilige, in einem Museum. Nein, die Ausstellung war in der ganzen Stadt. Überall standen Nachbildungen von Dinos in Originalgröße. Ziemlich beeindruckend, wenn man selbst gerade mal einen Meter groß war. Unser Chaostrupp zog also los und schaute sich die Dinosaurier an. Doch wie man kleine Kinder so kennt, wird das ständige rumlaufen und anstarren von riesigen Plastikviechern auch irgendwann langweilig. Also beschäftigte ich mich mit einem alten Mann und seinem Terrier. Ich starrte ihn an, bis dieser meinte, sein Hund sei der Liebste auf der Welt und im ganzen Universum und ich könnte ihn ruhig streicheln. Der damals noch sehr vertrauensselige Benjamin wackelte also zu dem Hund und patschte ihm auf dem Kopf herum. Doch auch in dem liebsten Terrier steckt eine gemeine Ratte und so ließ sich es dieses Exemplar nicht nehmen nach meiner Hand zu schnappen. Die große Heulerei ging los und ich konnte nur durch ein Eis bestochen werden, damit aufzuhören. Das brachte die anderen Kinder darauf, dass sie auch ein Eis wollten. Am Ende brachen wir den Ausflug ab und es wurden sehr viele unzufriedene, schreiende Kinder nach Hause gebracht. Wie die Erwachsenen das geschafft haben, frage ich mich bis heute.
"Ich würde dich ja gerne ein bisschen besser kennenlernen", meint Steve, während wir durch den Park wandern. Ich sage nicht, dass ich keinerlei Bedürftnis habe, ihn kennenzulernen, geschweige denn, ihm etwas über mich zu erzählen, aber ich sage nichts. "Bis du so alt wie Julie?" "Nein, ein Jahr älter." Und immer noch kein gutes Alter, Vater zu werden, füge ich in Gedanken hinzu. "Ich bin 19. Habe letztes Jahr Abitur gemacht und studiere jetzt Schauspiel." Ich sage nichts. "Ich wohne noch bei meinen Eltern, weil es mich irgendwie nie in die Ferne gezogen hat. Außerdem hätte ich sonst Troja abgeben müssen und bevor ich das mache, muss einiges passieren." Ich schaue Troja an. Sie pinkelt gerade einen Busch an. Irgendwie beneide ich sie für ihr Glück. Sie wird bedingungslos geliebt und muss sich keine Sorgen machen. "Wenn sie wirft kannst du einen Welpen haben." Ich lache freudlos. "Was denn? Ist mein ernst. Ich kann sowieso nicht alle behalten." "Ich kann nicht mal einen behalten." Steve lässt sich nicht beirren. Erzählt weiter von Troja, seinem Studium und anderem unwichtigem Zeug. Und ich? Ich entspanne mich langsam. Höre ihm zu und entspanne mich zum ersten Mal seit langem wieder.
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Mann im Mond
Romance"Ich bin Steve." Ich ignoriere ihn und setzte mein letztes Gläschen an die Lippen. "Und du?" Ich trinke. "Der Mann im Mond", sage ich einer Eingebung nach. Was will der von mir? Steve lacht laut auf.