Ich schließe die Haustür hinter mir, ohne meinem Vater eine Nachricht zu hinterlassen, wo ich bin. Wie du mir, so ich dir, aber wahrscheinlich interessiert es ihn sowieso nicht. In diesem Punkt habe ich es sicher auch viel besser als manch anderer Teenager, könnte man denken. Ein Vater, der sich nicht dafür interessiert, wo man abbleibt. Die andere Seite ist, dass ich andere Teenager beneide. Manchmal. Ich schnappe mir mein Fahrrad und radle emütlich los. Ein bisschen Fahrtwind in den Haaren, Fahrtwind in den Ohren, Fahrtwind durch das Gehirn. Ich wohne nicht sehr weit vom Park weg, aber trotzdem weiter als manch anderer. Ich könnte jetzt eine geschickte Abkürzung nehmen und den Einheimischen raushängen lassen, den ganz normalen Weg nehmen, wie ein ruhiger Rentner, der alle Zeit der Welt und große Lust die Hauptstraße zu verstopfen. Natürlich könnte ich auch den Auswärtigen miemem und leicht verwirrt durch die Sraßen eiern. Doch letztenendes machte ich dann doch auf sozial gestörten Einheimischen, der alle Schleichwege kennt und sich somit viel Zeit lässt einen freundlosen Typen zu treffen, um ihm eine Freude zu bereiten.
Mein erstes Fahrrad bekam ich, wie auch schon das Teleskop, von meinen Großeltern. Mögen sie in Friede ruhen. Denn mit Geburtstag, und insgesamt Geschenken, war das bei mir so eine Sache. Man kann sich denken, dass nachdem meine Mutter geflüchtet war, und mein Vater anfing mich zu verabscheuen, von seiner Seite nicht mehr viel zu erwarten war. Da kamen mir meine Großeltern zu gute, die das ganze Jahr ihre magere Rente zusammen hielten, um mir an gewissen Festtagen eine Freude zu bereiten. Ich hatte echt ein Schweineglück gehabt. Es war nicht so, dass mein Vater mir nichts schenkte, obwohl das anfangs so war, bis ich in der Grundschule lernte, was ein Datum war. Damals sprach ich meinen Vater an meinem Geburtstag darauf an und an diesem Tag bekam ich ein paar Schellen geschenkt. Man beachte dabei, dass 'paar' klein geschrieben wird. Die Jahre darauf fand ich manchmal ein paar Euros auf dem Küchentisch liegen. Es waren aber auch so tolle Dinge, wie ein alter Muffin aus dem Discounter und ein Paar frische Socken dabei. Eigentlich war es ein Wunder, dass ich überhaupt etwas bekam.
Ich biege in das Eingangstor zum Park ein. Unser Stadtpark ist nämlich immer noch eingezäunt. Mit dem Originalzaun aus dem 19. Jahrhundert, wie einem der Parkaufseher stolz versichert, wenn man sich auf ein Gespräch mit ihm einlässt, was man vermeiden sollte. Der Zaun kommt, wie ich mir leider sehr ausgeschmückt erklären lassen habe, aus der Zeit, als Nachts die Parks noch zugeschlossen wurden, damit sich dort keine Halunken herumtreiben konnten. Wobei das natürlich nicht der einzige Grund war, den er mir aufzählte. Im Moment wünsche ich mir sehr ihm zu begegnen. Aber natürlich tritt immer das Gegenteil von dem auf was man sich wünscht. Ich schließe mein Fahrrad direkt am berühmten Zaun an, obwohl das gegen die Vorschriften verstößt. Manchmal bin auch ich ein Rebell. Als ich mich dann auf den Weg ins innere der großen Grünfläche mache, die, hab ich es schon erwähnt, mit einem zweihundert Jahre altem Zaun eingezäunt ist, fällt mir auf das es ja ein schöner Treffpunkt ist, aber auch ein ziemlich großer. Steve kann im Park sein und trotzdem ist es möglich, dass ich ihm nicht begegne. Eine passende Ausrede habe ich also parat, wenn mir das Suchen in fünf Minuten zu blöd wird. Ich denke kurz nach, wo ich als Steve warten würde, nur um mein Gewissen zu beruhigen. Trotzdem fällt mir auch prompt ein, wo ich ihn finden werde und mache mich auf den Weg. Des Rätsels Lösung lautet: gefrorener Regenbogen.
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Mann im Mond
Romance"Ich bin Steve." Ich ignoriere ihn und setzte mein letztes Gläschen an die Lippen. "Und du?" Ich trinke. "Der Mann im Mond", sage ich einer Eingebung nach. Was will der von mir? Steve lacht laut auf.