Lüge nie einen Lügendetektor an

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"Komm, lass uns heute Abend noch ein paar Freunde treffen." höre ich Julies verzerrte Stimme durch den Lautsprecher meines Handys. Mein Empfang ist wie immer schlecht, aber ich sehe keinen Grund, mich ins Wohnzimmer zu meinem Vater zu begeben, dem einzigen Ort in diesem Haus, wo das Netz stabil ist. Nein,  mein Bett ist gemütlich und wer ist schon so dumm und wagt sich in die Höhle eines ausgehungerten, tollwütigen Löwen? Gibt es überhaupt tollwütige Löwen? "Hör mal, ich bin echt müde und weiß nicht, ob ich das noch verkrafte", gähne ich und höre, wie sie schnaubt. "Ach quatsch! Du bist nur zu faul um deinen Hintern aus deinem Bett zu bewegen!" "Früh ins Bett gehen solltest du auch mal versuchen. Schaden tut es dir sicher nicht!" Ich drehe mich auf den Bauch. "Dann komm ich eben vorbei", erwidert sie schnippisch. "Was?" Das kann sie mir doch nicht antun. Was war mit meinen Bemühungen, dass due wenigen Male, die sie bei mir war, sehr unangenehm waren? "Ich habe gesagt, dass ich dann zu dir komme. Ich war schon so lange nicht mehr da!" Das ist auch gut so. "Mein Vater ist krank. Tut mir leid. Es wäre doch schlecht, wenn du dich bei ihm ansteckst", murmele ich und hoffe, dass sie nur die Hälfte versteht. "Kann es sein, dass du mich abwimmeln willst?" Ihre Stimme klingt forschend. "Nein, warum denn?" Das ist mein kläglicher Versuch ihren Vorwurf von mir zu weisen. "Du kannst mir sagen, wenn du mal einen Abend für dich brauchst, aber lügen brauchst du deshalb nicht. Für dich ist das hier auch schwer. Das vergesse ich manchmal, aber du solltest auch daran denken, wie schwer es für mich ist." sie klingt verletzt. Was hatte ich nun schon wieder getan? "Es tut mir leid", nuschele ich und atme tief durch. "Es tut mir alles leid, was mir leid tun muss. Das, was ich dir angetan habe, meine Unehrlichkeit, dass du dich mit mir rumschlagen musst und ich entschuldige mich für mich selbst, dass ich bin, wer ich bin." Ich lege auf. Genug für heute.   

Einmal, wie konnte es auch anders sein, machte sich ein Typ an Julie ran. Ich hatte zwar gar nicht den Drang, etwas zu tun, doch der vorsteinzeitliche Kodex, der Männlichkeit schrieb es mir vor, meine Besitzansprüche gegenüber diesem Eindringling, in meinem Territorium klar zu machen und ihm zu verklickern, zu wem Julie gehörte. Also ging ich zu ihm, dem Typen,  der einen Kopf größer war als ich und versuchte eine einschüchternde Miene aufzusetzen. Das Problem dabei war, dass mir niemand beigebracht hatte, wie man seinen Besitz verteidigte. Ich fragte mich, ob das andere Väter ihren Söhnen wohl zeigten. Unser erbitterter Kampf um Julie sah also ungefähr so aus:

"Hey Duda. Wenn du noch einmal mit Julie redest, dann kannst du dir die Erde von unten anschauen."

"Was laberst du, Kleiner? Willst du Stress?"

"Du hast mich ganz richtig verstanden. Sie ist meine Freundin und du lässt die Finger von ihr."

"Nerv nicht, Knirps. Zieh Leine."

"Also gibst du zu, dass du im Unrecht warst, als du sie angemacht hast?"

"Suchst du Streit?"

"Wir können das friedlich lösen, indem du mir versprichst, sie in Ruhe zu lassen. Du willst mich nicht erleben, wenn ich wirklich wütend bin."

"Kleiner, ich habe keine Lust dir die Fresse zu polieren und du schlotterst ja schon vir lauter Angst. Wir regeln das friedlich indem du jetzt verschwindest!"

"Du willst also den Kampf?"

Er gab mir einen Kinnhaken und ich kroch gedemütigt zu Julie zurück. Diese pflegte mich liebevoll und erzählte jedem, was für ein Held ich doch war.

Später stellte es sich heraus, dass der Typ ihr Cousin gewesen war.

Mann im MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt